Bedrohungen und Beschimpfungen: Herausforderungen einer Busfahrerin
Dilek Sevin kurvt gern durch Lüneburg und bringt Menschen von A nach B. Es ist nicht nur eine Routinestrecke. Hinter dem Lenkrad eines 21 Meter langen Gelenkbusses hat sie täglich mit vielen Herausforderungen zu tun.
"Du bist frei, du hast keinen, der hier hinter dir steht und sagt: 'Nee, du musst das so machen oder so.' Sondern ich weiß, wie ich zu fahren habe, ich kenne meine Linien. Und man ist draußen. Die Freiheit - mega-entspannt." Schon immer fühlte sich Dilek von der Freiheit des Autofahrens angezogen. Zum Beruf der Busfahrerin ermutigte sie dann ihr Cousin. Als sie hinter dem Lenkrad eines Busses saß, wusste sie, dass sie ihre Leidenschaft gefunden hatte.
Zwischen Verantwortung und Anfeindung
Mittlerweile arbeitet die 27-Jährige seit mehr als drei Jahren für die Kraftverkehrsgesellschaft Lüneburg. Dilek war sich von Anfang an bewusst, dass ihr Beruf als Busfahrerin sowohl viel Verantwortung als auch hohe Konzentration erfordert. Was sie jedoch nicht erwartet hatte, war, dass die Momente der Freiheit häufig von Anfeindungen und Missachtung überschattet werden. Wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen im Nahverkehr muss auch sie sich auf die zunehmenden Bedrohungen und Beschimpfungen von Fahrgästen einstellen.
Begegnungen mit Rassismus im Fahrersitz
Als Deutsche mit Migrationsgeschichte blieben auch rassistische Erfahrungen nicht aus: "Da saß eine ältere Dame direkt vorne und sagte einfach: 'Scheiß Ausländer.' Ich habe das natürlich mitbekommen, habe mich zu ihr gedreht und dann ganz nett und höflich gesagt: 'Wenn Sie wollen, können Sie auch gerne aussteigen und auf einen deutschen Busfahrer warten, wenn es Ihnen nicht passt.'" Die Höflichkeit, dieser Respekt, fehle einfach, so Dilek. "Man erwartet echt nicht viel, aber wenn dann jemand ankommt und sagt: 'Fahr mal weiter, sonst komme ich nach vorne und haue dir auf die Fresse' - hat man echt keine Lust mehr. Dann vergeht der Spaß am Fahren."
Studien zeigen steigende Zahlen
Der Deutsche Gewerkschaftsbund bestätigt, dass Mitarbeitende im öffentlichen Nahverkehr immer mehr angegangen werden. Knapp 40 Prozent der Beschäftigten seien bereits einmal Opfer von Gewalt geworden. Die Dunkelziffer könnte noch höher liegen. Dilek war am Anfang ihrer beruflichen Tätigkeit überfordert und wusste nicht, wie sie damit umgehen soll. "Ich hab' geweint. Wenn ich Pause hatte, saß ich im Bus und hab geweint. Weil ich gedacht habe: Ich bin doch kein schlechter Mensch, ich tu' dir nichts Böses, ich habe nichts gemacht." Inzwischen gehören blöde Sprüche zu ihrem Alltag. "Aber mittlerweile geht es nur noch da rein, da raus."
Deeskalation und Fürsorge: Maßnahmen für sicheren Nahverkehr
Der tägliche Umgang mit Fahrgästen nimmt einen wesentlichen Teil im Alltag von Busfahrerinnen und Busfahrern ein. Um gut vorbereitet zu sein, hat die KVG Lüneburg ein Deeskalationstraining für Fahrerinnen und Fahrer eingeführt. Bei Übergriffen fahren speziell geschulte Kollegen zum Geschehen und schätzen ein, ob der oder die Kollegin weiterfahren kann. Außerdem bietet das Unternehmen auch professionelle Hilfe wie Psychotherapien an.
Der Wunsch nach Wertschätzung
Die Realität des öffentlichen Nahverkehrs ist nicht immer glamourös. Es ist ein Beruf, der oft unterschätzt und missverstanden wird. Dilek und ihre Kolleginnen und Kollegen wünschen sich mehr Respekt und Wertschätzung für ihre Arbeit. Sie sehen sich nicht nur als "blöde Busfahrer", sondern als wichtige Akteure für das Funktionieren einer Stadt. Doch trotz der Herausforderungen bleibt Dilek optimistisch und engagiert für ihre Arbeit. Sie will den Fahrgästen weiterhin mit Freundlichkeit und Höflichkeit begegnen - in der Hoffnung, das auch zurückzubekommen.