Stephan Weil: Ministerpräsident mit ruhiger Hand
Stephan Weils Regierungsstil bezeichnen Kritiker als Stillstand. Doch bei Wählerinnen und Wählern kommt die ruhige Art an. Das zeigen die Wahlergebnisse eindeutig. Ein Porträt.
Seit 2013 wird Niedersachsen von Stephan Weil (SPD) regiert. Weil ist Jurist, bekannt für seine norddeutsche Gelassenheit. In der Krise aber läuft er zu Hochform auf, beweist Machtinstinkt. In einer Zeit, in der die Umfragewerte der SPD auf Sinkflug sind, sorgt Weil 2017 in Norddeutschland für eine politische Sensation: Bei der Landtagswahl holt die SPD mehr als 37 Prozent und ist erstmal seit 1998 wieder stärkste Kraft in Niedersachsen. Seit mittlerweile zehn Jahren regiert Weil das Land. Und das mit ruhiger Hand. Regierungsarbeit ohne Tiefen, aber eben auch ohne Höhen.
Extra-Feiertag und Gratis-Kita
Den Niedersachsen bescherte Weil in der vergangenen Legislaturperiode einen zusätzlichen freien Tag im Jahr - den Reformationstag. Und den Eltern von Kita-Kindern blieb mehr Geld in der Tasche - denn seit August 2018 sind die Kitas in Niedersachsen kostenlos. Weil sucht den Kontakt zu den Menschen im Land. Auch nach zehn Jahren im Amt reist er durch Niedersachsen und hört zu, packt mit an. Mal gibt er den Müllwerker, mal den Gebäudereiniger, hilft in der Gaststätte aus oder beim Bäcker. Als Ministerpräsident sitzt Weil auch im Aufsichtsrat und damit an den Schalthebeln von VW, dem zweitgrößten Autobauer weltweit. Die unruhigen Zeiten dort meistert er als verschwiegener und besonnener Krisenmanager.
Kritik am Corona-Management
Während der Hochphase der Corona-Pandemie lief dagegen nicht alles glatt. Weil kassierte mit seiner Landesregierung gleich mehrere rechtliche Niederlagen. So stellte etwa der Staatsgerichtshof unmissverständlich fest, dass die Regierung gegen die Niedersächsische Landesverfassung verstoßen hatte - weil sie das Parlament zu spät oder gar nicht über die ständig wechselnden Corona-Verordnungen informiert hatte.
Wo Weil sich nicht durchsetzen konnte
Mit dem Ziel, eine Landeswohnungsgesellschaft für Niedersachsen zu gründen, konnte sich Weil in der vergangenen Legislaturperiode noch nicht durchsetzen. Dabei wäre es eine Möglichkeit gewesen, die Mietpreise zu dämpfen und Stadtentwicklung voranzutreiben. Dies aber war in der Koalition mit der CDU nicht machbar. Zur ausgewachsenen Pleite wurde gar die umstrittene Pflegekammer - geplant als Interessenvertretung der Pflegebeschäftigten. Nach heftigen Protesten gegen Zwangsmitgliedschaft und -beiträge wurde die Kammer nach knapp fünf Jahren Ende 2021 wieder aufgelöst.
Die SPD profitiert von Weil
Doch der Ministerpräsident punktet auf anderer Ebene. Weil kommt freundlich und interessiert rüber, gibt sich pragmatisch und bürgernah. Nimmt die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ernst, sucht den Kompromiss und die Einbindung. Er positioniert sich, wenn er anderer Meinung ist und kann Fragesteller ins Leere laufen lassen. Auf konkrete Fragen von Journalisten antwortet er gern mal "nichts". Weil lässt sich ungern in die Karten schauen und kommuniziert kontrolliert. Anders als seine SPD-Vorgänger Sigmar Gabriel und Gerhard Schröder ist er kein Freund markiger Statements. Bei den Menschen im Land kommt das offensichtlich gut an. Sie wählten Weil - und damit die SPD - im Jahr 2022 zur stärksten Kraft. Und seitdem sitzt der Ministerpräsident fester denn je im Sattel.
Und sonst so ...
... hat der bekennende Fan von Hannover 96 gerade in den vergangenen Jahren viel gelitten - erst der Abstieg, dann kein Aufstieg - kein Vergleich zur eigenen Karriere. Stephan Weil ist seit Jahrzehnten ein 96er. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass er 1958 in Hamburg zur Welt gekommen ist.