Die Wahl in Niedersachsen - und was sie so besonders macht
Die Wahl in Niedersachsen ist in vielerlei Hinsicht besonders: Die FDP fliegt aus dem Parlament, die SPD punktet erneut gegen den Bundestrend, eine bekannte Ministerin kommt nicht in den Landtag, die Grünen gewinnen Direktmandate und die CDU schneidet so schlecht ab wie seit den 50ern nicht.
Sie ist eine der bekanntesten Ministerinnen in Niedersachsen und hatte mit dem Gesundheitsministerium das entscheidende Ressort in der Corona-Pandemie. Doch ihre Bekanntheit hat Daniela Behrens bei der Landtagswahl am Sonntag nicht geholfen, ihren Wahlkreis Geestland zu gewinnen. Die SPD-Politikern erhielt 33,3 Prozent der Erststimmen, ihr CDU-Konkurrent Claus Seebeck holte mehr - 40,8 Prozent. Und obwohl die amtierende Ministerin direkt hinter Ministerpräsident Stephan Weil auf Platz 2 der SPD-Landesliste steht, wird sie kein Mitglied des Landtags werden. Denn die SPD gewann so viele Direktmandate, dass die Landesliste nicht zum Zug kommt. Ministerin könnte Behrens theoretisch aber dennoch wieder werden. Lust dazu hätte sie jedenfalls, wie sie der "Nordsee-Zeitung" sagte. Ein Stimmrecht hätte sie dann im Landtag allerdings nicht.
Viele bekannte CDU-Politiker holen kein Direktmandat
Neben der Gesundheitsministerin haben auch andere amtierende Minister der Großen Koalition und bekannte CDU-Politiker ihren Wahlkreis nicht gewonnen: Wissenschaftsminister Björn Thümler, Agrarministerin Barbara Otte-Kinast, der einstige Innenminister Uwe Schünemann und Jens Nacke. Alle ziehen aber über die CDU-Landesliste als Abgeordnete in den Landtag ein. Denn anders als bei der SPD, deren 57 Sitze allein mit den Siegern aus den gewonnenen Wahlkreisen besetzt sind, stellt die CDU 20 der 47 Abgeordnete von der Landesliste.
34,2 Prozent der Abgeordneten sind weiblich
Insgesamt gehören dem neuen Niedersächsischen Landtag 146 Abgeordnete an - darunter 50 Frauen. Der Frauenanteil liegt damit bei 34,2 Prozent. Mit Ausnahme der AfD hatten alle Parteien ihre Listen paritätisch besetzt - also abwechselnd mit Frauen und Männern. Da bei der SPD die Landesliste aber nicht greift, ziehen für die Sozialdemokraten deutlich mehr direkt gewählte männliche Kandidaten in den Landtag ein - insgesamt 39 Männer und 18 Frauen. Die AfD stellt drei weibliche Abgeordnete, die Grünen 14 und die CDU 15.
Schlechtestes Wahlergebnis für die CDU seit 1955
Für die CDU ist das Ergebnis dieser Landtagswahl das schlechteste in ihrer niedersächsischen Geschichte seit 1955. Die Partei des langjährigen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht erhielt laut vorläufigem amtlichem Endergebnis 28,1 Prozent der Stimmen. Weniger waren es nur bei den Landtagswahlen 1947 (19,9 Prozent), 1951 (23,7 Prozent) und 1955 (26,6 Prozent).
Grüne holen bestes Ergebnis - und drei Direktmandate
Ihr bestes Ergebnis bei einer niedersächsischen Landtagswahl holten dagegen die Grünen. 14,5 Prozent der Wähler stimmten für die Partei. Erstmals holten die Grünen auch Direktmandate - und zwar gleich drei: Julia Willie Hamburg im Wahlkreis Hannover-Mitte (35,5 Prozent), Marie Kollenrott im Wahlkreis Göttingen-Stadt (35,2 Prozent) und Pascal Mennen im Wahlkreis Lüneburg (30 Prozent).
AfD fährt deutlichen Zugewinn ein
Auch die AfD, die zum zweiten Mal bei einer Landtagswahl in Niedersachsen angetreten ist, erzielte hohe Zugewinne. Mit 10,9 Prozent der Wählerstimmen konnte die Partei ihr Ergebnis von 2017 fast verdoppeln. Damals kam die AfD auf 6,2 Prozent der Stimmen. Zuvor hatte die Partei bei den Landtagswahlen im Saarland und in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr dagegen deutlich Stimmen eingebüßt - und hatte keine 6 Prozent mehr erreicht. In Schleswig-Holstein hatte sie sogar den Einzug in den Landtag verpasst.
FDP erstmals seit 2003 nicht im Landtag vertreten
Dieses Schicksal ereilte am Sonntag die FDP in Niedersachsen. Erstmals seit 2003 sind die Liberalen nicht mehr im Niedersächsischen Landtag vertreten. Die FDP kam lediglich auf 4,7 Prozent der Wählerstimmen. Ein noch schlechteres Ergebnis fuhr die Partei nur in den Jahren 1970 und 1994 (jeweils 4,4 Prozent) sowie 1978 (4,2 Prozent) ein.
Hochburgen der Parteien
Am meisten Wähler konnte die FDP im Wahlkreis Diepholz überzeugen - 6,7 Prozent. Am wenigsten Zuspruch erfuhr sie im Wahlkreis Hannover-Linden (3,3 Prozent). Dort fuhr auch die CDU ihr schlechtestes Zweitstimmen-Ergebnis ein - mit 13,7 Prozent. Die meisten Stimmen holten die Christdemokraten in Vechta (46,7 Prozent), kamen aber auch dort nicht mehr auf über 50 Prozent wie noch 2017. In Vechta wiederum erzielte die SPD ihr schlechtestes Ergebnis bei dieser Wahl (22,8 Prozent), am besten schnitten die Sozialdemokraten im Wahlkreis Emden/Norden mit 43,4 Prozent ab. Als grüne Hochburg tat sich erneut der Wahlkreis Göttingen-Stadt hervor - dort entfielen 33,5 Prozent der Zweitstimmen auf die Grünen. Die AfD holte mit 16,8 Prozent die meisten Zweitstimmen im Wahlkreis Gifhorn-Nord/Wolfsburg.
Wahlbeteiligung von 60,3 Prozent
Landesweit gaben 60,3 Prozent der insgesamt knapp 6,1 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Niedriger war der Wert nur bei den Landtagswahlen 2013 (59,4 Prozent) und 2008 (57,1 Prozent). 63,1 Prozent waren es bei der Landtagswahl 2017. Die höchste je bei einer Landtagswahl gemessene Wahlbeteiligung war im Sommer 1974 mit 84,4 Prozent. Das schaffte bei der jetzigen Landtagswahl selbst der Wahlkreis Springe nicht, wo die Wahlbeteiligung mit 66,3 Prozent am höchsten war. Die wenigsten Wähler gingen im Wahlkreis Delmenhorst (49,6 Prozent) an die Urne.
SPD und Grüne wollen zügig verhandeln
Vier Wochen nach der Landtagswahl trifft sich der neugewählte Niedersächsische Landtag vom 7. bis 9. November zu seiner konstituierenden Sitzung. Ministerpräsident Weil kündigte am Tag nach der Wahl an, am Donnerstag mit den Grünen in erste Vorgespräche zu einer möglichen Regierungsbildung einzusteigen. Ziel beider Parteien ist, dass die Koalition noch vor der ersten Landtagssitzung steht.