Stephan Weil (SPD, l), Ministerpräsident Niedersachsen und Julia Willie Hamburg, Spitzenkandidatin der Grünen, begrüßen sich im TV-Studio des Fernsehsenders ZDF im niedersächsischen Landtag. © picture alliance/dpa Foto: Friso Gentsch

Nach Wahl: SPD und Grüne wollen Donnerstag Gespräche starten

Stand: 10.10.2022 20:56 Uhr

Am Tag nach der Wahl in Niedersachsen machen SPD und Grüne Tempo: Ministerpräsident und SPD-Chef Stephan Weil rechnet mit ersten Vorgesprächen zu einer möglichen Regierungsbildung am Donnerstag.

Dann solle besprochen werden, ob es vertiefte Verhandlungen gebe, sagte er am Montag. Danach könnte es dann Beratungen in Fachgruppen geben. "Ich gehe davon aus, dass wir nach dem Ergebnis gestern eine rot-grüne Landesregierung haben werden", sagte Weil nach einem Treffen mit den Spitzen der Bundes-SPD in Berlin. Die Ziele beider Parteien seien "in hohem Maß identisch", ergänzte er. Die Gespräche sollen angesichts der Energiekrise schnell beginnen. Die Grünen erklärten nach einer Sitzung ihres Landesvorstands, eine "Regierung des Aufbruchs" bilden zu wollen. "Wir nehmen die Verantwortung ernst", sagte Co-Chefin Anne Kura am Abend. Das bisher beste Wahlergebnis in Niedersachsen mit 14,5 Prozent der Stimmen und drei Direktmandaten stärke die Partei.

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Grüne: "Werden Anspruch auf drei bis vier Ministerien erheben können"

Aktuell gehe es vor allem darum, schnellstmöglich einen Landes-Rettungsschirm auf den Weg zu bringen. Am strittigsten könne es in der Verkehrspolitik werden, erklärte die Grünen-Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg. "Da haben wir mit der SPD eine Partei, die doch noch sehr aufs Auto schaut, und wir wollen eher in Richtung Mobilitätswende gehen, also mehr Bahn und Bus, mehr Radverkehr. Da könnte es dann auch knirschen." Die Grünen hoffen, dass die Regierung bis zur konstituierenden Sitzung des neuen Landtags am 8. November steht. Mit Blick auf die politische Zukunft geben sich die Grünen selbstbewusst: "Wir werden Anspruch auf drei bis vier Ministerien erheben können", sagte der Landesvorsitzende Hans-Joachim Janßen. Auch der Zuschnitt der Ministerien werde dabei eine Rolle spielen.

Verbände drängen auf zügige Regierungsbildung

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hannover, die Industriegewerkschaft (IG) Metall und der Sozialverband Deutschland (SoVD) in Niedersachsen fordern ebenfalls eine schnelle Regierungsbildung. "Angesichts der für die Wirtschaft dramatischen Energiekrise, die allein in unserer Region bereits über ein Drittel der Unternehmen massiv in ihrer Existenz bedroht, ist akut Tempo im politischen Betrieb gefordert", sagte IHK-Präsident Gerhard Oppermann am Montag. Vielen Unternehmen stehe das Wasser "bis zum Hals". "Die Problem- und Fragestellungen, auf die es schnelle und vernünftige Antworten braucht, sind immens", teilte auch IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger mit. Es brauche schnelle und nachhaltige Entlastungen für die Menschen in der Energiekrise, einen Airbag für kleine Einkommen und Durchschnittsverdiener und einen Rettungsschirm für den Mittelstand. Auch der SoVD erwartet schnelles Handeln - vor allem im Kampf gegen Armut, die enorm steigenden Kosten in Pflegeheimen sowie beim Wohnen und der Inklusion, sagte der Landesvorsitzende Bernhard Sackarendt. Das gelte auch für die Opposition.

SPD trotz Verlusten stärkste Partei, Grüne gewinnen dazu

Die SPD hat bei der Wahl am Sonntag - laut vorläufigem amtlichen Endergebnis - 33,4 Prozent der Wählerstimmen geholt. Ein Rückgang um 3,5 Prozentpunkte im Vergleich zu 2017, doch die Sozialdemokraten sind stärkste Partei. Die Grünen kommen auf 14,5 Prozent (plus 5,8) - ein Rekord für die Partei. Einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen zufolge hat die SPD ihr gutes Wahlergebnis dem Spitzenkandidaten zu verdanken. "Als Regierungschef wollen nur 26 Prozent Althusmann, aber 55 Prozent Weil, der das Land nach Meinung der Befragten auch am ehesten durch die unsicheren Zeiten führen kann", heißt es. "Der Erfolgsfaktor Nummer eins heißt bei der SPD Stephan Weil."

CDU mit historisch schlechtem Ergebnis

Für die CDU, bislang Regierungspartnerin in der Großen Koalition, war es ein bitterer Abend. Sie kommt auf 28,1 Prozent (minus 5,5 Prozentpunkte), ihr schlechtestes Landesergebnis seit mehr als 60 Jahren. Die CDU habe verloren, sagte Spitzenkandidat Althusmann. "Dieses Votum nehmen wir demütig an." Die SPD habe einen klaren Regierungsauftrag. Althusmann, der Weil als Ministerpräsident beerben wollte, hat seinen Rücktritt als CDU-Landeschef in Niedersachsen angekündigt. Auch CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer will seinen Posten abgeben.

AfD zweistellig - FDP raus

Die AfD konnte 10,9 Prozent der Stimmen holen - und die FDP ist raus aus dem Landtag. Bei den Liberalen hat es nur für 4,7 Prozent gereicht (minus 2,8). Die Linke verpasst ebenfalls den Einzug in den Landtag: 2,7 Prozent der Stimmen (minus 1,9) können sie für sich verbuchen. Auf andere Parteien entfielen 5,7 Prozent der Stimmen.

Zahlreiche CDU-Wähler sind abgewandert

Die CDU hat im Vergleich zur Landtagswahl 2017 viele Wähler verloren. Laut infratest dimap sind 25.000 damalige CDU-Wähler zur SPD abgewandert. Noch mehr, nämlich 45.000, sind zu den Grünen gewechselt, 40.000 zur AfD. 55.000 Wählerinnen und Wähler, die 2017 ihr Kreuz bei der CDU machten, haben diesmal gar nicht gewählt.

Die SPD hat dem Meinungsforschungsinstitut zufolge 55.000 Wähler an die Grünen verloren, 25.000 an die AfD und 35.000 an Nichtwähler.

Sitzverteilung im Landtag

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis hat die SPD 57 Sitze im Niedersächsischen Landtag. Damit hat sie zusammen mit den Grünen (24 Sitze) sicher eine absolute Mehrheit. Die CDU hat 47 Sitze und die AfD 18.

Wahlbeteiligung ist gesunken

Aufgerufen zur Wahl waren knapp 6,1 Millionen Niedersachsen - das sind fast 76 Prozent aller Einwohnerinnen und Einwohner des Bundeslandes. Unter den Wahlberechtigten waren etwa 215.000 junge Wählerinnen und Wähler, die zum ersten Mal bei einer Landtagswahl ihre Stimme abgeben durften. Die Wahlbeteiligung lag den Angaben der Landeswahlleitung zufolge bei 60,3 Prozent. Bei der Landtagswahl 2017 lag sie bei 63,1 Prozent. Der Anteil der Briefwählerinnen und -wähler ist stark gestiegen: Von 19,9 Prozent 2017 auf jetzt 28,5 Prozent.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 11.10.2022 | 08:00 Uhr

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