Weihbischof Bongartz aus Hildesheim: Papst nimmt Rücktritt an
Papst Franziskus hat das Rücktrittsgesuch des Hildesheimer Weihbischofs Heinz-Günter Bongartz angenommen. Das hat das Presseamt des Vatikans am Mittwoch mitgeteilt.
Bongartz habe aus gesundheitlichen Gründen um seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gebeten, erklärte das Bistum Hildesheim. Zuvor war der Weihbischof über Jahre immer wieder wegen seines Umgangs mit Fällen sexuellen Missbrauchs kritisiert worden. In zwei 2017 und 2021 veröffentlichten Gutachten waren ihm Fehleinschätzungen bescheinigt worden. Eine Betroffeneninitiative hatte im Jahr 2022 den Rücktritt des Weihbischofs gefordert. Der heute 69-Jährige selbst hatte diesen bereits nach Veröffentlichung des ersten Gutachtens bistumsintern angeboten.
Wilmer: Keine Belege für Anschuldigungen vorhanden
Bongartz' erstes Rücktrittsangebot hatte der damalige Übergangsverwalter des Bistums, Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger, zurückgewiesen. Zuletzt hatte sich der Pfarrer Matthias Eggers geweigert, den Weihbischof zur Firmung in seiner Gemeinde in Wolfenbüttel zu empfangen. Er warf Bongartz vor, dort einen Pfarrer geduldet zu haben, der bekanntermaßen Kinder missbraucht haben soll. Dagegen hatte der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer erklärt, dass es für die Anschuldigung keine Belege gebe. Der Streit eskalierte öffentlich. Die Gemeinde St. Petrus in Wolfenbüttel befürchtete zwischenzeitlich, ein Fortgang von Pfarrer Eggers stehe unmittelbar bevor.
Weihbischof Bongartz war bei Gesprächen nicht dabei
Der Konflikt wurde schließlich durch ein Gespräch zwischen Bischof Heiner Wilmer und Mattias Eggers am 1. Juni in Hildesheim und mit einem gemeinsamen Gottesdienstes in Wolfenbüttel am 9. Juni beigelegt. Auffällig dabei: Weihbischof Bongartz war bei den Terminen jeweils nicht dabei. Pfarrer Eggers blieb trotz seiner Kritik im Amt. Die geplante Firmung in Wolfenbüttel wollte nun Bischof Wilmer höchstpersönlich vornehmen anstelle des von Pfarrer Eggers brüsk ausgeladenen Weihbischofs Bongartz.
Aufregender Monat Juni im Bistum Hildesheim
Nur wenige Tage nach dem Versöhnungsgottesdienst in Wolfenbüttel musste das Bistum Hildesheim bekanntgeben, dass drei weitere Betroffene den verstorbenen Bischof Heinrich Maria Janssen des sexuellen Missbrauchs beschuldigten. Schon in den Jahren 2015 und 2018 hatten zwei andere Betroffene Anschuldigungen gegen Janssen erhoben. Das Bistum versprach umfassende Aufklärung. Und Weihbischof Bongartz sicherte in seiner Funktion als Domdechant Mitte Juni zu: Das Domkapitel "prüfe unverzüglich", inwieweit eine Umbettung von Bischof Janssen aus der Bischofsgruft möglich sei. Es wurden offenbar auch schon Gespräche auf Bistumsebene geführt, mit Betroffenen und mit Angehörigen der in der Gruft beigesetzten Bischöfe. Eine kommunizierbare Entscheidung steht aber noch aus.
Bistum Hildesheim wehrt sich gegen Klage
Im Juni wurde auch bekannt, dass der Gründer der Hildesheimer Betroffeneninitiative, Jens Windel, das Bistum auf 400.000 Euro Schmerzensgeld plus Zinsen verklagt. Der beschuldigte Geistliche ist ein inzwischen verstorbener Pfarrer. Jens Windel sieht in seinem Missbrauchsfall das Bistum in der Pflicht. Die Kirche sieht keine Amtshaftungsansprüche, erhebt die Einrede der Verjährung und wehrt sich gegen die Klage. Ende Juni wurde vom Landgericht Hildesheim in dem Rechtsstreit das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Damit war klar, es würde zu einer Verhandlung vor der Zivilkammer kommen.
Studie zu Missbrauchsfällen soll spätestens 2025 starten
Ende Juni endete zudem die Ausschreibungsfrist für eine neue Missbrauchsstudie im Bistum Hildesheim. In dieser soll für den Zeitraum von 1945 bis 2024 sexualisierte Gewalt in der Diözese weiter aufgedeckt werden. Taten und Täter sollen benannt sowie Verantwortlichkeiten und Verantwortliche identifiziert werden. Die Studie dürfte wohl spätestens im nächsten Jahr starten.
Entscheidung aus Rom kam Ende August
Anfang Juli reichte Heinz-Günter Bongartz beim Papst sein Rücktrittsgesuch aus gesundheitlichen Gründen ein. So teilte es ein Bistumssprecher dem NDR auf Nachfrage mit. Ende August hatte der 69-jährige Bongartz dann bereits Gewissheit: Der Papst hatte mitten im römischen Sommer die Rücktrittsbitte aus Hildesheim angenommen - mit Wirkung zum 11. September. Der Weihbischof konnte in den Ruhestand gehen.Dem Papst sei er dankbar, im Hinblick auf seine Gesundheit sei dies eine große Erleichterung, so Heinz-Günter Bongartz. In den vier Jahrzehnten seines aktiven Dienstes habe es manche Herausforderungen gegeben, aber auch viele schöne und beglückende Begegnungen mit den Menschen. Bischof Wilmer sagte laut einer Mitteilung vom Mittwoch, dass Bongartz "mit ganzem Herzen Seelsorger" gewesen sei. In verschiedenen Ämtern und Funktionen "hat er sich mit aller Kraft eingebracht und unser Bistum entscheidend geprägt", sagte der Bischof. Bongartz habe die Aufarbeitung und Prävention von sexuellem Missbrauch im Bistum Hildesheim maßgeblich vorangetrieben. "Hierfür gilt ihm mein ausdrücklicher Respekt und meine Anerkennung," so Wilmer.
Kritik kommt von Betroffenen
Sprecher von Betroffenenverbänden sehen es hingegen kritisch, dass Bischof Wilmer in der Pressemitteilung des Bistums zwar Weihbischof Bongartz für dessen jahrelangen Einsatz bei der Prävention und Missbrauchsaufarbeitung lobt, aber die in zwei unabhängigen Studien dokumentierten Fehler des früheren Personalchefs und Weihbischofs nicht thematisiert. Dabei hatte sich Bongartz im Jahr 2017 für begangene Fehler öffentlich entschuldigt. In der Mitteilung des Bistums vom Mittwoch findet sich von Bischof und Weihbischof dazu aber kein Wort. Betroffene zeigen sich darüber irritiert, sprechen von einer verpassten Chance, entschieden Haltung zu zeigen. Der "Betroffenenrat Nord", die "Betroffeneninitiative im Bistum Hildesheim"und die Organisation "Eckiger Tisch" begrüßen nun den vorzeitigen Amtsverzicht von Bongartz. "Überfällig", "mehr als notwendig", "konsequent" heißt es in Reaktionen. Bis ein Nachfolger gefunden ist, soll Heinz-Günter Bongartz das Amt als Domdechant und Referent für die Orden weiter ausüben. Darum hat ihn Bischof Wilmer gebeten. Auch Firmungen soll er spenden.
Neuer Weihbischof wohl im nächsten Jahr
Nun muss ein neuer Weihbischof für Hildesheim gefunden werden. Innerhalb der nächsten Monate wird Bischof Heiner Wilmer dem Papst deshalb eine Liste mit besonders geeigneten Geistlichen zusenden. In der Regel werden drei Namen genannt. Aus der Vorschlagsliste wählt Franziskus dann einen Kandidaten aus. Sehr häufig kommt der neue Weihbischof dabei aus der Diözese, in der er auch zum Priester geweiht wurde.