Betroffener von sexuellem Missbrauch verklagt Bistum Hildesheim
Ein Betroffener von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche hat das Bistum Hildesheim auf 400.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Ein Priester soll ihn über Jahre vergewaltigt haben.
In Niedersachsen ist es das erste Schmerzensgeldverfahren, das ein Missbrauchsopfer der katholischen Kirche auf den Weg bringt. Die Klage gegen das Bistum Hildesheim sei Ende vergangener Woche beim Landgericht Hildesheim eingereicht worden, teilte die Betroffeneninitiative Hildesheim am Donnerstag mit. Der Kläger will demnach ein Schmerzensgeld von 400.000 Euro plus Zinsen erstreiten. Zudem solle das Bistum alle künftigen materiellen Schäden wie Heilbehandlungskosten, Verdienstausfall oder Rentenverringerungen ersetzen, hieß es in der Mitteilung.
Jahrelange Vergewaltigungen durch Priester
Der Betroffene hat von der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) in den vergangenen Jahren insgesamt 50.000 Euro zugesprochen bekommen, eine besondere Schwere des Falls sah die Kommission allerdings nicht. Das sagte der Betroffene dem NDR Niedersachsen. Er sei als Kind von einem Priester in Sorsum bei Hildesheim jahrelang immer wieder vergewaltigt worden. Die Summe von 50.000 Euro sei viel zu gering.
Opfer war zum Tatzeitpunkt jünger als 14 Jahre
Schon in einer früheren Stellungnahme der Betroffeneninitiative Hildesheim hieß es, dass das Opfer die Leistungen der UKA der katholischen Bistümer nicht annähernd als Wiedergutmachung sehe. Die Zahlungen wirkten auf die Betroffenen eher bagatellisierend. Der Betroffene wolle als schwerer Fall gewertet werden und eine Summe von mehr als 50.000 Euro erhalten. Das Opfer sei zum Tatzeitpunkt jünger als 14 Jahre alt gewesen. Daher sei der Klageweg gewählt worden.
Gerichtskostenvorschuss von rund 10.000 Euro
Ein Sprecher des Landgerichts Hildesheim bestätigte dem NDR Niedersachsen am Freitag den Eingang der Klage. Zu dem genauen Inhalt könne er aber noch keine Angaben machen. Das werde in der Zivilkammer geprüft. Bevor das Gericht über das weitere Vorgehen entscheide, sei zunächst ein so genannter Gerichtskostenvorschuss des Klägers zu leisten, so der Sprecher. Der Vorschuss dürfte mit Blick auf die geforderte Schmerzensgeldsumme bei rund 10.000 Euro liegen.
Bischof lehnt außergerichtliche Einigung als "Mauschelei" ab
Ein Sprecher des Bistums sagte, dass die Klageschrift noch nicht bei der Kirchenverwaltung eingegangen sei. "Wenn sie bei Gericht eingegangen ist, gehe ich davon aus, dass wir sie in den kommenden Tagen erhalten." Dem Missbrauchsopfer sei von der UKA Geld als Anerkennung des Leids zugesprochen worden. "Es ist sein gutes Recht, jetzt den Klageweg zu beschreiten", sagte der Sprecher. Vorausgegangene Versuche, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, seien von Bischof Heiner Wilmer abgelehnt worden. In einem Interview hatte Wilmer eine solche außergerichtliche Einigung im vergangenen Jahr als "Mauschelei" abgelehnt.
Weitere Klagen sollen bundesweit folgen
Auch aus dem Bistum Trier wurde am Donnerstag die Klage eines Missbrauchsopfers bekannt. Dort gehe es dem Kläger ebenfalls um eine angemessene Entschädigung, hieß es seitens des Vereins der Missbrauchsopfer und Betroffenen im Bistum Trier. Der Verein kündigte bereits weitere Klagen von Missbrauchsopfern an. Die Kläger orientieren sich an einem wegweisenden Urteil des Kölner Landgerichts vom Juni 2023, das einem Opfer 300.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen hatte. Es handelte sich um einen Mann, der in den 1970er-Jahren als Messdiener viele Jahre von einem Priester sexuell missbraucht worden war. Das Kölner Urteil war die erste Gerichtsentscheidung dieser Art gewesen.