Welttag Long Covid: Wenn die Kraft nur für zwei Stunden reicht
Die Pandemie ist vorbei - die Langzeitfolgen von Corona verfolgen aber noch einige: In Niedersachsen kämpfen viele Menschen mit Long Covid. Am Freitag war der internationale "Long Covid Awareness Day".
An einem guten Tag sei sie bei dreißig Prozent, erzählt Iris Rautmann-Pollmann. 30 Prozent Kraft im Vergleich zu früher. Die 47-Jährige leidet seit knapp zwei Jahren unter Long Covid. Nach ihrer zweiten Corona-Infektion im vergangenen Herbst konnte sie vier Wochen nicht das Bett verlassen. Inzwischen reicht die Energie für zwei Stunden am Tag. Da muss sie sich ihre Kraft gut einteilen - auch bei den kleinsten Aufgaben: "Den Geschirrspüler nicht komplett ausräumen, sondern das Besteckfach ausräumen, Pause machen. Die Tassen ausräumen, Pause machen. Die Teller ausräumen, aufs Sofa."
Long Covid Betroffene fühlen sich "wütend und ohnmächtig"
Im Landkreis Peine hat sich eine Selbsthilfegruppe für Betroffene und Angehörige gebildet, zu der auch Rautmann-Pollmann gehört. Rund 40 Personen tauschen sich hier aus über Erfahrungen mit Medikamenten und Therapien. Von Jugendlichen bis zu Senioren sind alle Altersgruppen vertreten. Viele sind auf die Hilfe von Angehörigen angewiesen und können nicht mehr in Vollzeit oder gar nicht mehr arbeiten. "Man ist so wütend und so ohnmächtig", erzählt eine Teilnehmerin. "Das kann man sich gar nicht vorstellen."
Experten fordern, die Krankheit ernst zu nehmen
Die Betroffenen der Selbsthilfegruppe wünschen sich mehr Unterstützung von Ärztinnen und Ärzten. Sie klagen auch darüber, dass ihren Symptomen zum Teil psychosomatische Ursachen unterstellt werden. Dr. Susanne Fröhlich beschäftigt sich seit Jahren mit ME/CFS, dem chronischen Erschöpfungssyndrom - das kann eine Langzeitfolge von verschiedenen Infektionen sein. Die Hausärztin hält Long Covid nicht etwa für eine psychisch bedingte Modeerkrankung. Auch Expertinnen und Experten raten dazu, die Krankheit ernst zu nehmen, denn psychische Probleme können eine Folge der langwierigen Beschwerden sein.
Rund 200 mögliche Symptome von Long Covid
Dr. Fröhlich behandelt rund 40 Long-Covid-Patienten. Sie wünscht sich vor allem mehr Zeit für die Patienten, um mögliche Ursachen für die Beschwerden zu finden. Die Diagnose sei schwierig: Schließlich gibt es rund 200 mögliche Symptome und nicht den einen Test, der anzeigt, dass es sich um Long Covid handelt. Weil die Krankheit so vielfältig ist, gibt es auch nicht die eine Therapie, die für alle Betroffenen funktioniert. Es wird viel geforscht, aber es muss auch noch viel passieren, so Dr. Fröhlich.
Long Covid oder Post Covid?
Ursprünglich waren mit Long Covid die Symptome gemeint, die vier Wochen nach der Infektion noch fortbestehen. Wenn die Beschwerden mindestens zwölf Wochen nach der Infektion noch vorhanden sind, wird dies als Post-Covid-Syndrom bezeichnet. Als Oberbegriff für beides hat sich aber Long Covid durchgesetzt. Darunter leiden schätzungsweise etwa zehn Prozent der Menschen, die sich mit Corona infiziert haben, wobei die Dauer und Schwere der Symptome sehr unterschiedlich sein kann. Impfungen senken nachweislich das Risiko, an Long Covid zu erkranken — um welchen Prozentsatz, ist bisher nicht abschließend erforscht.