Was machen Niedersachsens Corona-Forschende heute?
Während der Corona-Pandemie war ein Fernsehabend ohne sie praktisch nicht denkbar. Jeden Abend klärten sie auf: über Inzidenzwerte, den Sinn von Masken und wie sich das Virus verbreitet. Das ist aus bekannten Corona-Forschern geworden.
Viele der Expertinnen und Experten wie Melanie Brinkmann, Michael Meyer-Hermann, Viola Priesemann, Berit Lange und Gérard Krause kamen aus oder forschten in Niedersachsen. Woran arbeiten Sie heute?
Neuartiges Corona-Virus weckt Interesse der Forschenden
Bei Markus Lanz war sie Stammgast. Keine erklärte so engagiert und charmant das Corona-Virus, auch mal mit einem Augenzwinkern. Zuvor hatte sich die Molekularbiologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) vor allem mit Herpes-Viren und deren Auswirkung auf das Immunsystem beschäftigt. Doch das neuartige Corona-Virus weckte sofort ihr Interesse. Innerhalb kürzester Zeit las sie sich ein und wollte es verstehen. Sie beriet die Bundesregierung zum Infektionsgeschehen, berichtete in der Bundespressekonferenz und führte mit ihrem Team eine Studie zur Übertragung des Virus in Innenräumen durch.
Melanie Brinkmann: Zurück zum Fachgebiet Herpes-Viren
Mittlerweile ist sie wieder zu ihrem Ursprungsgebiet zurückgekehrt und lehrt am Institut für Genetik der Technischen Universität Braunschweig. "Herpesviren haben sich in Millionen von Jahren perfekt an uns angepasst und zahlreiche Mechanismen entwickelt, um von unserem Immunsystem unerkannt zu bleiben", erklärt Brinkmann. Sie wolle mit ihrem Team die Mechanismen aufdecken, mit denen Herpesviren Immunsysteme manipulieren. "Nur wenn man das versteht, können neue Therapien und Impfstoffe entwickelt werden", sagt sie.
Viola Priesemann: Ohne Mathematik geht es nicht
Die Physikerin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation forscht nach wie vor an lebenden neuronalen Netzen. Sie will herausfinden, wie sich Milliarden von Neuronen so koordinieren, dass schlussendlich ein zusammenhängender Gedanke entstehen kann. Ihre mathematischen Methoden halfen damals in der Corona-Pandemie das Virus besser zu verstehen. Denn so wie sich in einem neuronalen Netz wie in einem Gehirn Aktivitäten ausbreiten, so kann sich auch ein Virus in einer Gesellschaft verbreiten.
Berit Lange: Neues Mitglied in STIKO
Das Thema "Impfstoffe" beschäftigt auch Berit Lange vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig (HZI). Vor wenigen Wochen ist sie als neues Mitglied in die Ständige Impfkommission beim Robert-Koch-Institut (STIKO) berufen worden. Schon während der Corona-Pandemie führte Berit Lange das Team "Klinische Epidemiologie" am HZI. In dieser Zeit äußerte sie sich zur Wirksamkeit der Lockdown-Maßnahmen, zur Frage der Herdenimmunität und zu Impfdurchbrüchen. Ziel ihrer Forschung ist es heute, Atemwegsinfektionen besser zu verstehen und zu schauen, welche Maßnahmen Krankheiten tatsächlich zuverlässig eindämmen.
Gérard Krause: Von Braunschweig nach Genf zur WHO
Und auch beim Epidemiologe Gérard Krause gibt es berufliche Veränderungen. Er arbeitet mittlerweile bei der WHO in Genf. Während der Pandemie leitete Krause eine Antikörperstudie, um die Entwicklung des Corona-Virus zu beobachten, und er entwickelte digitale Systeme wie "SORMAS", das den öffentlichen Gesundheitsdienst bei der Pandemiebekämpfung unterstützt. Ziel ist es, frühzeitig Ausbrüche zu erkennen. Krause wird bei der WHO in Genf die Leitung der neu eingerichteten Abteilung für "Surveillance Systems" übernehmen. Die Abteilung will den internationalen Austausch fördern und unterschiedliche Frühwarn- und Erhebungssysteme für Infektionskrankheiten schaffen, um künftig besser auf Epidemien vorbereitet zu sein.
Michael Meyer-Hermann: KI im Kampf gegen Krankheiten
Das will auch der Physiker Michael Meyer-Hermann erreichen. Er ist seit 2010 Leiter der Abteilung System Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und entwickelte mathematische Modelle für den Pandemieverlauf. Seit Herbst 2023 ist er zudem Teil des in Niedersachsen neu geschaffenen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz und kausale Methoden in der Medizin (CAIMed). Forschende der Informatik und Medizin aus Hannover, Göttingen und Braunschweig entwickeln darin Methoden und Anwendungen der Künstlichen Intelligenz im medizinischen Bereich.
Forschende kehren zurück ins Labor
Aktuelle und zukünftige Infektionsausbrüche besser voraussagen und kontrollieren zu können, das ist nach wie vor das oberste Ziel der Forscherinnen und Forscher. Dass sie nun nicht mehr jeden Abend im Fernsehen auftreten und erklären müssen, hilft ihnen, sich wieder voll auf ihre Forschung zu konzentrieren. In der Pandemie aber haben sie der Wissenschaft ein Gesicht gegeben.