Stand: 06.03.2016 13:36 Uhr

Hat Winterkorn Diesel-Problem richtig eingeschätzt?

Zum ersten Mal hat sich Volkswagen in der vergangenen Woche ausführlich dazu geäußert, warum der Konzern den eigenen Abgasskandal nicht schon viel früher öffentlich gemacht hat. In einem vier Seiten langen Schreiben erklärt VW, dass es zwar schon im Jahr 2014 Hinweise auf Probleme beim Diesel in den USA gegeben habe. Allerdings habe der Konzern das ganze Ausmaß des Themas damals offensichtlich unterschätzt. Die Angelegenheit wurde - so heißt es wörtlich - als "ein Produktthema unter vielen" eingeschätzt. Das hat sich inzwischen massiv geändert.

VIDEO: Hat VW Aktionäre nicht rechtzeitig informiert? (3 Min)

"BamS": Winterkorn wusste im Mai 2014 definitiv Bescheid

Undurchsichtig bleibt die Rolle von Ex-Chef Martin Winterkorn im Abgasskandal. Volkswagen gibt an, dass Winterkorn bereits im Mai 2014 eine Notiz über stark abweichende Abgas-Werte in den USA bekommen habe. Ob der Ex-Vorstandschef diese auch gelesen hat, sei aber nicht dokumentiert. Die "Bild am Sonntag" (BamS) berichtet nun, dass Winterkorn die Information gelesen haben muss. Denn er habe daraufhin eine technische Einschätzung angefordert. Ihm sei versichert worden, das Problem sei lösbar. Die "BamS" beruft sich dabei auf eine angebliche Aussage Winterkorns bei der Befragung durch die US-Anwälte von Jones Day. Die Kanzlei ermittelt im Auftrag von VW, wie es zu dem Skandal kommen konnte. Volkswagen wollte sich am Sonntag dazu nicht äußern und verwies auf den Zwischenbericht von Jones Day, der für die zweite Aprilhälfte angekündigt ist.

Spätestens im September war Winterkorn konkret informiert

Laut der Darstellung von VW soll Winterkorn im Juli 2015 mit Mitarbeitern über das Diesel-Problem gesprochen haben - ob er die Tragweite des Themas damals verstanden hat, ist aber ebenfalls unklar. Spätestens Anfang September wurde Winterkorn dann konkret über die verbotene Diesel-Software informiert. Allerdings vergingen weitere zweieinhalb Wochen bis Volkswagen sich (unter dem Druck der US-Umweltbehörden) zum Skandal äußerte.

 

Von großem Interesse dürfte inbesondere für die Aktionäre nicht allein Winterkorns Rolle sein. Nach dem "BamS"-Bericht gerät auch der neue Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch unter Druck. Als damaliger Finanzvorstand soll er am 8. September über die Software-Manipulationen informiert worden sein - rund zwei Wochen, bevor VW die Manipulationen öffentlich einräumte. Börsennotierte Unternehmen müssen kursrelevante Informationen qua Gesetz in einer Mitteilung ad hoc veröffentlichen. Dazu habe Pötsch in der Sitzung aber geschwiegen und nicht vor möglichen Folgen gewarnt, berichtete die "BamS".

Video
Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies im Interview. © Screenshot Foto: Screenshot
1 Min

"Werden Aufklärung vorbehaltslos vorantreiben"

Wirtschaftsminister Lies (SPD) äußert sich im NDR Interview zu den aktuellen Entwicklungen in der VW-Abgasaffäre - und zur weiterem Vorgehen nach den Vorwürfen gegen Ex-Vorstandschef Winterkorn. 1 Min

Konzern hatte mit vergleichsweise geringem Bußgeld gerechnet

Volkswagen ging zunächst davon aus, das Diesel-Problem mit einem Rückruf und einem vergleichsweise geringen Bußgeld aus dem Weg räumen zu können. Die Rede ist dabei von einem Vergleichsfall, bei dem ein Unternehmen in einem ähnlichen Fall eine Strafe von 100 Millionen Dollar zahlen musste. Da so etwas nicht ungewöhnlich sei, habe der Fall in der Vorstandsetage keine besondere Aufmerksamkeit erfahren. Mit diesen Argumenten rechtfertigt sich VW nun dafür, die Öffentlichkeit erst im Herbst 2015 über die Manipulationen informiert zu haben. Aktionäre halten das für viel zu spät. Sie verlangen eine Entschädigung, weil die VW-Aktie kurz darauf abstürzte und die Anleger viel Geld verloren.

Weitere Informationen
Das VW Zeichen.
4 Min

VW: Rückgabewelle abgewehrt, aber in der Krise

Das Landgericht Bochum bremst einen VW-Kunden aus. Aber die Krise, in der VW steckt, kommt nun auch bei den Mitarbeitern an. Ein Gespräch mit Thorsten Hapke. 4 Min

Eine VW-Beschäftigte bei der Produktion eines Passat im Werk Emden © dpa Picture Alliance Foto: Nigel Treblin

Leiharbeiter-Aus in Emden für Lies schwerer Schlag

250 Leiharbeiter bei VW in Emden werden demnächst entlassen. Ein Zusammenhang zum Abgasskandal besteht laut VW nicht. Donnerstag will sich Wirtschaftsminister Lies ein Bild vor Ort machen. (02.03.2016) mehr

Ein Volkswagen-Mitarbeiter kontrolliert im VW-Werk in Wolfsburg im Lichttunnel für die Endabnahme ein Fahrzeug vom Typ Tiguan. © dpa-Bildfunk Foto: Jochen Lübke

Landgericht Bochum bremst VW-Kunden aus

Es ist der erste Prozess im Zuge des VW-Skandals - und der Ausgang scheint klar: Für das Landgericht Bochum ist er kein Rückgabe-Grund. Ein Händler will dem Kläger dennoch entgegenkommen. (02.03.2016) mehr

Ein VW Zeichen liegt auf einem Riss auf der Straße. © Christian Ohde Foto: Christian Ohde

Hat VW im Abgas-Skandal die Aktionäre getäuscht?

Einem Medienbericht zufolge hätte Volkswagen die Ermittlungen im Abgas-Skandals deutlich früher öffentlich machen können. Dem Konzern drohen deshalb Klagen von Aktionären. (28.02.2016) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 03.03.2016 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

VW

Mehr Nachrichten aus der Region

Ein Neugeborenes trinkt an der Brust der Mutter © Colourbox Foto: Sergey Novikov

Muttermilch spenden: Ab sofort in Göttingen möglich

Die Muttermilch wird für die Versorgung von Frühchen und Neugeborenen an der Universitätsmedizin Göttingen genutzt. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen