Industrie: Bundesweite Proteste für härtere Strompreisbremse
Die im internationalen Vergleich hohen Strompreise gefährden aus Sicht von Industriegewerkschaften Hunderttausende Jobs. An den Protesten beteiligten sich Arbeiter aus Peine und Georgsmarienhütte.
Mehr als 600 Beschäftigte des Stahlwerks in Georgsmarienhütte und des Osnabrücker Kupferverarbeiters KMW haben nach Gewerkschaftsangaben an der Kundgebung der IG Metall in Georgsmarienhütte teilgenommen. Auch in Peine war Protest geplant. Es brauche einen Industriestrompreis, "der dem europäischen Vergleich standhält, international wettbewerbsfähig ist und langfristige Planbarkeit gewährleistet", teilten die IG Metall, IG BAU und IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) vorab mit. Insbesondere in den energieintensiven Branchen wie der Stahl-, Chemie- oder Baustoffindustrie drohten Stellenabbau und Standortschließungen.
Weil: Benötigen dringend einen günstigen Industriestrompreis
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach auf der Kundgebung in Georgsmarienhütte. "Wir benötigen dringend einen günstigeren Industriestrompreis", sagte er. Deutschland und die EU müssten schnell handeln, so der Ministerpräsident anlässlich des bundesweiten Aktionstages.
Arbeitgeber sehen Bundesregierung in der Pflicht
Die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie reagierten mit Unverständnis auf die Demonstration der IG Metall in Georgsmarienhütte. "In der Sache stehen wir alle auf derselben Seite, aber die Orte des Protests suggerieren, dass der Ball im Spielfeld unserer Unternehmen liegt", sagte Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall. Kein geringerer als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe im vergangenen Wahlkampf einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis angekündigt, so Schmidt. Die Demonstrationen wären also ein ganzes Stück überzeugender gewesen, hätten sie vor dem Bundeskanzleramt stattgefunden, so Schmidt.
Kilowattstunde in Deutschland kostete 40,1 Cent
Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IGBCE, erklärte bereits im Februar: "Wir brauchen jetzt schnell einen staatlich abgesicherten Industriestrompreis - zumindest für eine gewisse Zeit." Nur so könnten energiekostenbedingte Standortnachteile gegenüber anderen Weltregionen kompensiert werden. "Es gibt Länder, da zahlen sie gerade 5 Cent pro Kilowattstunde, hierzulande ist es aktuell ein Vielfaches." Ende Februar kostete die Kilowattstunde für die Industrie in Deutschland 40,1 Cent.
Habeck will Vorschlag zu Industriestrompreis bis zum Sommer 2023 vorlegen
Auch an der Strombörse zog der Preis kräftig an. Zwischen 2020 und 2022 sei der Preis pro Megawattstunde von durchschnittlich 30 auf 235 Euro gestiegen, teilten die Gewerkschaften mit. Diese Zahl fasse das Problem der Industrie in Deutschland gut zusammen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte angekündigt, im ersten Halbjahr Vorschläge für einen staatlich subventionierten Industriestrompreis vorzulegen. Die deutsche Wirtschaft klagt seit langem über im internationalen Vergleich hohe Energiekosten. Zwar gelten inzwischen die staatlichen Preisbremsen, diese dämpften den Anstieg aber nur.
IG Metall warnt vor Stellenabbau und Schließungen
"Die Bundesregierung muss beim Industriestrompreis lenkend eingreifen", forderte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall: "Sonst drohen die Stahlerzeugung, die Aluminiumindustrie und weitere energieintensive Branchen über kurz oder lang aus Deutschland zu verschwinden. Davon wären Hunderttausende Arbeitsplätze direkt und indirekt betroffen."
Vassiliadis: "Der erste Schritt zur Deindustrialisierung Deutschlands"
Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis erklärte, die Chemie- oder Papierbranche hätten einen besonders hohen Energiebedarf. "Gleichzeitig stehen sie am Anfang nahezu aller industriellen Wertschöpfungsprozesse. Wenn sie aufgrund hoher Stromkosten Anlagen schließen und Produktion verlagern, ist das der erste Schritt zur Deindustrialisierung Deutschlands."