Wird alles teurer? Wo die Inflation besonders heftig zuschlägt
Die teuren Lebensmittel haben es 2023 für viele Menschen in Niedersachsen immer schwieriger gemacht, ihren Alltag zu bestreiten. Die Landesarmutskonferenz fordert die Politik zum Handeln auf.
"Es ist alles so wenig geworden, was man sich noch kaufen kann", sagt eine Kundin der Tafel Gieboldehausen und packt eine Handvoll Lebensmittel in ihre Tasche. Früher sei sie Helferin gewesen, erzählt die Frau, die ihren Namen nicht nennen möchte. Nun sei sie selbst auf die Tafel angewiesen. So wie ihr geht es auch den anderen Kundinnen und Kunden der Tafel im Landkreis Göttingen: Sie ächzen unter den Preisen, die an der Kasse im Supermarkt abgerufen werden.
Preise für Lebensmittel: Ende der Teuerung in Sicht?
Ein Blick in den amtlichen Verbraucherpreisindex zeigt: Lebensmittel sind auch in diesem Jahr deutlich teurer geworden. Pandemie und Ukraine-Krieg haben die Preise schon länger nach oben schnellen lassen. Anfang des Jahres mussten niedersächsische Verbraucher bis zu 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum für Nahrungsmittel zahlen. Diese Zeiten scheinen vorerst vorüber. Dennoch lag die Nahrungsmittel-Inflation in Niedersachsen auch im November noch bei 5,6 Prozent - und damit deutlich über Vor-Corona-Niveau.
Verbraucherschützer kritisieren Marktmacht
Unterschiede offenbaren sich bei den verschiedenen Lebensmitteln. So waren Äpfel im November rund sieben Prozent teurer als im Vorjahresmonat, Kartoffeln fast zehn Prozent. Butter hingegen wurde im Schnitt um ein Viertel günstiger - im Vorjahr waren die Preise allerdings auf einem Rekordhoch. Woher diese Unterschiede im Einzelnen kommen, ist nicht immer klar. Verbraucherschützende werfen einigen Herstellern und Händlern den Missbrauch ihrer Marktmacht bei der Preisbildung vor.
Nahrungsmittel sind Preistreiber bei der Inflation
Fakt ist: Die Nahrungsmittel waren Preistreiber, die Teuerungsrate in diesem Bereich lag weit über der allgemeinen Inflation. Bekleidung, Möbel, Freizeitangebote: Auch sie wurden in diesem Jahr teurer, aber nicht so sehr wie die Lebensmittel. Von der nachlassenden Inflation war daher an den Regalen im Supermarkt oft nichts zu spüren. Immerhin gleicht sich der Preisanstieg mittlerweile langsam wieder an.
Experte: Inflation weiterhin zu hoch
Expertinnen und Experten rechnen damit, dass die Inflation im kommenden Jahr vorerst zurückgeht - aber nur langsam. Zufrieden sein könne man damit noch nicht, warnt Stephan Thomsen, Professor für Wirtschaftspolitik an der Leibniz-Universität Hannover: "Die Preisentwicklung bleibt weiter überdurchschnittlich, das muss man feststellen." Das in der Volkswirtschaft geltende Ziel liegt bei zwei Prozent Inflation. Hinzu kommt laut Thomsen, dass die Kaufkraft, die maßgeblich von den Löhnen beeinflusst wird, nicht Schritt hält mit den Preissteigerungen.
Mehr Niedersachsen von Armut bedroht
Die hohen Lebensmittelpreise machen sich auch an anderer Stelle bemerkbar, nämlich bei der Quote der von Armut bedrohten Menschen. Die aktuellen Zahlen des Landesamts für Statistik stammen aus dem Jahr 2022. Im vergangenen Jahr waren demnach 17,1 Prozent der Niedersachsen von Armut bedroht - rund 1,4 Millionen Menschen. Die Zahl steigt seit einigen Jahren kontinuierlich und liegt leicht über dem Bundesdurchschnitt. Armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen monatlichen Haushaltsnettoeinkommens zur Verfügung hat.
Landesarmutskonferenz: Bürgergeld zu niedrig
Für die Landesarmutskonferenz ist das ein unhaltbarer Zustand, demokratiegefährdend gar. "Die Politik müsste vor allem energischer und nachhaltiger die Armut bekämpfen", sagt Geschäftsführer Klaus-Dieter Gleitze dem NDR Niedersachsen. Das Bürgergeld reiche "vorne und hinten nicht". Auf Gleitzes Wunschliste für 2024 steht eine Reihe von Maßnahmen: die Einführung eines sozialen Arbeitsmarktes für Langzeitarbeitslose ebenso wie ein Neun-Euro-Ticket für Mobilität und der Ausbau von Beratungsangeboten in sozialen Brennpunkten.