Weil: Gesellschaft muss "nüchterner und kühler" werden
Der NDR in Niedersachsen bittet die Spitzenpolitiker im Landtag zum Sommerinterview. Martina Thorausch, Leiterin der Redaktion Landespolitik, hat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zum Gespräch getroffen.
Grauer Himmel, bewölkt, regnerisch - es herrscht trübes Wetter, als Stephan Weil ins Landesfunkhaus zum Sommerinterview kommt. Ähnlich nimmt der Ministerpräsident die Stimmung im Land wahr. Die Menschen seien beeindruckt von den "großen Baustellen", die es überall gebe. Weil sieht sich als Krisenmanager. Mehr denn je suchten die Menschen nach Orientierung, da versuche er Antworten zu geben, so Weil.
Stephan Weils Appell an alle Bürger
Den Unmut in der Bevölkerung bekommen Politiker direkt zu spüren. Weil spricht von deutlich rauerer Luft und massiven Störungen im vergangenen Landtagswahlkampf. Die Hemmschwelle sei weiter gesunken, so dass Menschen wirklich ausrasten würden, so der Ministerpräsident. Weil appelliert an die Bürgerinnen und Bürger, gemeinsam mit dem Staat für eine friedlichere Stimmung zu sorgen. Alle Mitglieder der Gesellschaft müssten schauen, "dass man mal ein bisschen nüchterner, ein bisschen kühler wird."
Mehr Kontrollen an der Grenze zu Polen
Ein großes Streitthema in der Bevölkerung ist der Umgang mit Flüchtlingen. Weil fordert mehr Schutz vor "irregulärer Zuwanderung". Grenzkontrollen machten Sinn, aber nicht überall. Die niedersächsische Grenze zu den Niederlanden bezeichnet der Ministerpräsident als sehr friedlich. Dort brauche es keine Kontrollen, an der Grenze zu Polen jedoch schon. "Das ist ein Teil der russischen Kriegsführung, Flüchtlinge über Weißrussland und Polen nach Europa hineinzuschleusen."
Absage an Steuerrabatte für ausländische Fachkräfte
Trotzdem fordert Stephan Weil mehr Möglichkeiten, dass Flüchtlinge kontrolliert und legal nach Deutschland kommen können. Vieles würde in der Gesellschaft nicht funktionieren ohne Zuwanderung. Weil warnt aber davor, falsche Mittel zu wählen. Er kritisiert die Idee der Ampel, ausländischen Fachkräften Steuerrabatte zu gewähren. Er sei kein Freund des Gedankens. Weil glaubt auch, dass die Ampel den Plan verwerfen wird. Er nehme an, dass "im Bundeshaushalt 2025 so etwas nicht drinstehen" werde. Vielmehr sollten Unternehmen ihren Beitrag leisten.
Weil stärkt Kanzler Scholz den Rücken
Das schlechte Europawahl-Ergebnis seiner Partei sei für ihn schwer zu ertragen, so Weil. Die Probleme der Bundesregierung in Berlin sind für ihn der Hauptgrund für die Krise der SPD. Weil wünscht sich mehr Geschlossenheit in der Ampel-Koalition. „Man kann sich gut streiten, aber bitte schön intern.“ Der Ministerpräsident nimmt Olaf Scholz (SPD) in Schutz. Kein Kanzler habe je unter so schwierigen Bedingungen gearbeitet. Diskussionen darum, ob Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius der bessere Kanzler wäre, erteilt Weil eine Absage: "Die Planstelle Bundeskanzler, die ist in der SPD vergeben, das ist Olaf Scholz."
Amtszeit-Ende 2027: "Das habe ich jedenfalls spätestens dann vor."
Die Legislaturperiode von rot-grün dauert noch bis 2027. Immer wieder gibt es auch Spekulationen darüber, ob Weil wirklich bis zur nächsten Landtagswahl Ministerpräsident bleibt. "In der Politik kann man nicht langfristig planen. Es muss alles passen, man muss gesund sein, dann gerne." 2027 soll dann aber Schluss sein, macht Weil klar. Dann sei es allerspätestens Zeit, dass er sich zurückziehe, so Weil. "Das habe ich jedenfalls spätestens dann vor."