Versetzter Polizeichef Lange: Disziplinarverfahren zieht sich
Neun Wochen nach der Versetzung des designierten Präsidenten der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen, Uwe Lange, ist die Unruhe in Teilen der Polizei groß. Das Verfahren kommt offenbar nur schleppend in Gang.
Die Petition mit rund 200 Unterschriften von Kolleginnen und Kollegen Langes ist im Landtag eingegangen. Während die Unterzeichner auf eine zügige Rückkehr von Uwe Lange drängen, sind nach Informationen des NDR Niedersachsen weder er selbst noch von ihm angegebene Zeuginnen im Disziplinarverfahren gehört worden. Innerhalb der Polizeiführung sorgt das plötzliche Umsetzen von Uwe Lange als Chef der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD) an die Polizeiakademie für Irritationen. Dort ist der 57-Jährige nun offiziell Mitarbeiter und soll ein Projekt namens "Digitalisierung in der polizeilichen Bildung" verantworten.
Führungskräfte stellen Fehlerkultur infrage
Der NDR Niedersachsen hat mit zahlreichen Führungskräften vertraulich gesprochen. Hinterfragt wird vor allem, ob die Maßnahme dem vorgehaltenen Vergehen angemessen war, zumal im Strategieziel der Polizei das Wort "neue Fehlerkultur" von zentralem Stellenwert sein sollte. "Aber da hat man uns offenbar etwas vorgemacht", sagt ein Leiter einer Polizeiinspektion dem NDR Niedersachsen hinter vorgehaltener Hand. Offen möchte er sich nicht zitieren lassen, aus Sorge vor Konsequenzen, wie es heißt. "Es brodelt bei uns", heißt es von einer anderen Führungskraft.
Interne Beschwerden über Mitarbeiter
Lange wird im Disziplinarverfahren vorgeworfen, zu spät eingegriffen zu haben, nachdem es interne Beschwerden über einen Mitarbeiter gegeben hatte. Lange bestreitet das. Außerdem soll er eine der Beschwerdeführerinnen in einem Gespräch abgekanzelt haben. Sein Umfeld verweist darauf, dass Uwe Lange über einen längeren Zeitraum nicht nur die Geschäfte seiner erkrankten Vorgängerin übernommen hatte, sondern gleichzeitig auch noch Vizepräsident der ZPD war - eine Polizeidirektion, deren Aufgaben sich über IT-Lösungen, Technik und die Bereitschaftspolizei erstreckt und aufgrund ihrer Themenvielfalt als kompliziert zu führen gilt. Diese Leistungen seien zu würdigen, heißt es aus Polizeikreisen.
Abteilungsleiterin gab den Anstoß
Blicke richten sich auch auf die leitende Polizeidirektorin, die das Verfahren gegen Lange offiziell in Gang setzte - und schon einmal in Niedersachsen Geschichte schrieb, weil sie an anderer Stelle Fehlverhalten anzeigte. Später schrieb sie ein Buch über die Widerstände, die sie damals überwinden musste, um sich Gehör zu verschaffen.
Verein "Gesellschaft für Freiheitsrechte" lobt Anzeige
In einem aktuellen Video auf der Plattform YouTube ermutigt sie Polizisten und Polizistinnen, ebenfalls Fehlverhalten anzuzeigen und "Meldung zu machen". Aus ihrem Umfeld heißt es, man sei erleichtert, dass das Ministerium die Anzeige ernst genommen und gehandelt habe. Rückendeckung bekommt sie von Laura Kuttler vom Verein "Gesellschaft für Freiheitsrechte": "Wir brauchen gerade in der Führungsebene der Polizei Vorbilder, die Mut machen, etwas anzuzeigen, wenn etwas schiefläuft. Wichtig ist, dass andere sehen: Wenn das sogar eine hochrangige Polizistin macht, dann kann ich das auch", sagte Kuttler dem NDR.
Opposition vorerst verstummt
Der Vorgang war auch Thema einer Unterrichtung im Innenausschuss des Landtags. Die Parlamentarier wurden vertraulich unterrichtet, weil es sich um personalpolitische Vorgänge handelt. Nach der Sitzung war die Opposition zurückhaltend mit öffentlicher Kritik an der Umsetzung Uwe Langes. Offenbar war der Vortrag des Innenministeriums überzeugend.