Uwe Lange, abgesetzter designierter Präsident der Zentralen Polizeidirektion (ZPD) Niedersachsen, steht neben Innenministerin Daniela Behrens (SPD). © picture alliance/dpa Foto: Hauke-Christian Dittrich

Versetzter Polizeichef Uwe Lange: Darum geht es

Stand: 12.09.2023 06:22 Uhr

Uwe Lange war bis zu seiner Abberufung kommissarischer Polizeipräsident der Zentralen Polizeidirektion (ZPD) Niedersachsen. Sein Umfeld vermutet eine Intrige. Teile der Polizeiführung sind verunsichert.

von Angelika Henkel und Stefan Schölermann

"Wenn es Vorhaltungen gegen mich gibt, dann müssen die selbstverständlich ermittelt werden", sagte Uwe Lange dem NDR Niedersachsen. Dass er aber seinen Posten räumen musste, hält er für ungerechtfertigt. Die konkreten Inhalte möchte er aufgrund des laufenden Verfahrens derzeit nicht kommentieren. Der NDR hat mit Mitarbeitenden aus der Zentralen Polizeidirektion gesprochen.

Aggressive Äußerungen gegen Mitarbeiterinnen

Konkret geht es nach Informationen des NDR darum, dass Lange gegen offenbar inakzeptables Verhalten eines hochrangigen Beamten in der ZPD weder konsequent noch rechtzeitig genug eingeschritten sei. Über den Beamten hatten sich im Jahr 2022 Mitarbeiterinnen beschwert, weil er wiederholt ausfallend geworden sein soll. Dem NDR liegen Schilderungen vor, wonach der Mann mehrfach Kolleginnen bei offener Bürotür lautstark angebrüllt haben soll. Seine Worte seien auf dem ganzen Flur zu hören gewesen. Berichtet wird außerdem von drohenden Sprüchen wie diesen: Man müsse einem Kollegen "den Kopf abreißen" und "in den Hals sch**ßen". Zudem soll er gesagt haben, wer bei ihm auf der Abschussliste stehe, sei erledigt. Mitarbeiterinnen, die sich über ihn beschwert hatten, sprechen von massiven Einschüchterungen und Distanzverlust. So soll er sich unmittelbar vor ihnen aufgebaut und sie angebrüllt haben.

Ministerium untersucht den Fall

Die Beschwerdeführerinnen hatten sich an Lange gewandt. Ob der dann sofort oder nur verzögert handelte, mit dem Mann gesprochen und Konsequenzen gezogen hatte, das dürfte nun Teil der ministeriellen und später vermutlich auch der verwaltungsgerichtlichen Untersuchung sein. Ein Detail ist dabei interessant: Der betreffende Mitarbeiter wurde trotz seiner Ausfälle aufgrund besonderer Leistungen befördert. Die dafür notwendige positive beamtenrechtliche Beurteilung hatte Uwe Lange als Vorgesetzter verfasst. Die offizielle Auswahl jedoch erfolgte über eine Kommission; bei einem Teil dürften die Vorwürfe gegen den Auserwählten jedenfalls zum Teil aus eigenem Wissen bekannt gewesen sein.

"Neue Fehlerkultur" nur auf dem Papier?

Langes Umfeld vermutet eine Intrige einiger Mitarbeiterinnen hinter seiner Abberufung und verweist darauf, dass der ehemalige Innenminister Boris Pistorius (SPD) in einem anderen Fall in der Vergangenheit eine "neue Fehlerkultur" in der Polizei ausgerufen hatte, von der allerdings wenig zu spüren sei. Aus dem Umfeld der Beschwerdeführerinnen ist jetzt von Erleichterung die Rede, weil man ihnen im Ministerium geglaubt und sofort gehandelt habe.

Verunsicherung bei Führungskräften

In Teilen der Polizeiführung hat die Umsetzung Langes für Verwunderung und Verunsicherung gesorgt. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, vor allem aus der Führungsebene, erscheint die Umsetzung eine zu drastische Maßnahme angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe - deren Detail allerdings bisher kaum bekannt waren. Das Ministerium äußert sich angesichts der laufenden Prüfung nicht konkret.

Keine Hinweise auf politische Hintergründe

Lange gilt als engagierter und kenntnisreicher Polizeiführer, der in den vergangenen Jahren nicht nur als Polizei-Vizepräsident im Einsatz war, sondern auch gleichzeitig die ehemalige Polizeipräsidentin ersetzte. Die war bis zu ihrer Pensionierung längere Zeit erkrankt. Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hatte Uwe Lange erst im März als geschäftsführenden Präsidenten eingesetzt - es galt damit als gesetzt, dass er nun auch offiziell Polizeipräsident werden sollte. Gerüchte, dass bei der Absetzung des CDU-Mitglieds Lange parteipolitische Gründe eine Rolle gespielt haben könnten, erweisen sich daher als abwegig. Lange hat gegen seine Umsetzung zur Polizeiakademie geklagt. Das Verwaltungsgericht Hannover soll nun in einem Eilverfahren zunächst entscheiden, ob Lange auf seinen Posten zurückkehren darf.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 08.09.2023 | 13:00 Uhr

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