Vergleichbares Abitur: Wo Schüler und Lehrer Probleme erwarten
Die Kultusminister der Länder haben sich auf erste Schritte zur Angleichung des Abiturs geeinigt. Während die niedersächsische Ministerin die Reform lobt, üben Schüler- und Lehrervertreter Kritik.
Ist das Abitur in manchen Bundesländern schwieriger und deshalb mehr wert als in anderen? Die Debatte gibt es spätestens seit 2017, als das Bundesverfassungsgericht mehr Chancengleichheit bei der Studienplatzbewerbung angemahnt hat. Denn bisher ist die Spannbreite bei den Abschlussnoten im Bundesländervergleich sehr groß: 2022 schafften etwa in Thüringen laut der Abiturnotenstatistik der Kultusministerkonferenz (KMK) 45,4 Prozent ein Einser-Abi, in Niedersachsen waren es nur 26,1 Prozent - der vorletzte Platz. Nun also gehen die Länder einen ersten Schritt in diese Richtung und wollen bis spätestens 2030 das Abitur in Deutschland vergleichbarer machen.
Bundesweite Vorgaben für Qualifikationsphase
Dabei soll es aber erstmal nicht um die Prüfungen gehen, sondern um die sogenannte Qualifikationsphase davor - deren Leistungen immerhin zu zwei Dritteln in die Abiturnote einfließen. Erstmals wurden für diese zweijährige Phase bundesweite Vorgaben zur Anzahl und Gewichtung von Klausuren aufgestellt. Außerdem wird die mögliche Zahl der Leistungskurse auf höchstens drei begrenzt und eine einheitliche Vorgabe zur Anzahl der zu belegenden Kurse insgesamt festgelegt.
Landesschülerrat fürchtet starres System
Obwohl eine solche Vergleichbarkeit grundsätzlich wünschenswert sei, fürchtet der Landesschülerrat, dass diese neuen Abiturregelungen für die Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen einen Rückschritt bedeuten könnten. "Weniger Auswahl bei den Leistungskursen, mehr Wochenstunden und ein insgesamt starreres System", so der Vorsitzende Malte Kern. "Dabei sollte die allgemeine Hochschulreife auch auf persönliche Interessen abgestimmt sein. Nicht jeder kann chemische Experimente durchführen und interessiert sich gleichzeitig für Musik". Eine solche Vereinheitlichung bedeute immer auch weniger Flexibilität.
Verband der Lehrkräfte: Abwertung des Abiturs möglich
Auch Torsten Neumann, Landesvorsitzender des Verbandes niedersächsischer Lehrkräfte (VNL), ist skeptisch: Er bezweifelt allerdings, dass die versprochene Vereinheitlichung tatsächlich zustande kommt, denn letztendlich blieben diese Entscheidungen Ländersache. "Da dürfte sich jedes Land dann wieder herauspicken, was es will und eigene Sonderregelungen aufstellen. Aber mit einem faulen Kompromiss ist niemandem geholfen." Neumann fürchtet, dass man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt, und dass damit das Abitur noch weiter abgewertet werde.
Willie Hamburg: Keine größere Belastung für Schüler und Lehrkräfte
Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) begrüßt die neue Regelung. Sie sei nicht nur wichtig für einen gleichberechtigten Zugang zu den Hochschulen, sondern erhöhe auch die Mobilität der angehenden Studierenden. Eine größere Belastung für Schülerinnen und Schüler oder Lehrkräfte sieht sie nicht. Für Niedersachsen ändere sich gar nicht viel, die bisherige Ausgestaltung der Oberstufe auf dem Weg zur Abiturprüfung bewege sich im Großen und Ganzen bereits in dem neuen länderverbindlichen Rahmen. Trotzdem: "Bevor wir in die Umsetzung gehen, werden wir die aktuellen Regelungen unserer niedersächsischen gymnasialen Oberstufe genau auswerten und schlussfolgern, an welchen Stellen wir gegebenenfalls Änderungen vornehmen werden", so die Ministerin. Es müsse das Ziel sein, das Abitur stets zeitgemäß und anspruchsvoll zu halten.