Landwirtschaft im Wandel: Das haben die Parteien im Gepäck
Vor einem Jahr haben die Landwirte protestiert. Die Ampel war Monate später Geschichte. Neuwahlen stehen an. Die Bauern hoffen nun auf Planungssicherheit und weniger Regeln.
Ein Schweinemaststall in Reddingen im Heidekreis. Landwirt Christoph Becker kontrolliert seine Tiere. Ein alltäglicher Routinerundgang. Alles in Ordnung mit den Schweinen. Keines ist krank oder verletzt. Becker hat seinen Stall auf Haltungsstufe vier ausgelegt. Die Schweine haben mehr Platz, eine eingestreute Liegefläche und einen Strohauslauf. Solch ein Tierwohlstall kann meist nicht ohne Kredite bezahlt werden. Becker wünscht sich deswegen, dass Regeln und Auflagen sich nicht ständig ändern. "Wir bauen Ställe, die stehen mindestens 20 Jahre. Wie soll ich aber so einen Stall bauen, wenn der nach drei Jahren gesetzlich überholt ist?"
Landwirtschaft: Weniger Bürokratie, mehr Freiräume
Landwirt Becker wünscht sich zudem viel weniger Bürokratie. Unternehmer wie er bräuchten mehr Freiräume. Weniger Regeln, weniger Dokumentationspflichten. Becker fühlt sich davon eingezwängt. Nicht nur in der Schweinehaltung muss er regelmäßig verschiedenste Zahlen und Informationen an die unterschiedlichsten Stellen melden. Auch der Betrieb seiner Biogasanlage löst jede Menge bürokratischen Aufwand aus. Zuviel, findet Becker. "Mehr Grundvertrauen in die Landwirte wäre angebracht, so dass wir freier atmen können."
Landwirte ärgern sich über "Rote Gebiete"
Auch Ackerbauer Christian Tönnies in Wolfenbüttel-Halchter fühlt sich eingezwängt. Ein großer Teil seiner Fläche ist "Rotes Gebiet". Im Grundwasser befindet sich zu viel Nitrat, deswegen gelten für Landwirte dort strengere Düngeregeln. Tönnies findet das ungerecht, er sei nicht für die Werte verantwortlich und dünge nicht zu viel. "Wir arbeiten eng mit der Landwirtschaftskammer zusammen, haben seit 30 Jahren super Bilanzen." Tönnies wünscht sich, wie viele Berufskollegen, ein verursachergerechtes Düngesystem.
Landvolk: Weniger Regeln!
In der Politik mehren sich Stimmen, die weniger Regeln in der Landwirtschaft fordern. Im Streit um ein neues Düngegesetz hatte sich ein Kompromiss angebahnt, der aber im Januar gescheitert war. Auf EU-Ebene hatte es Pläne gegeben, den Pestizid-Einsatz stark einzuschränken. Diese waren aber im November 2023 im EU-Parlament gescheitert. "Wir müssen dafür sorgen, dass der Kurswechsel in Richtung Deregulierung weiter Fahrt aufnimmt", so der Präsident des Niedersächsischen Landvolks Holger Hennies. Bürokratische Hemmnisse müssten weiter abgebaut werden.
Landwirtschaft: Thema in allen Wahlprogrammen
Gerade in einem Agrarland wie Niedersachsen interessiert natürlich, wie sich die Parteien dem Thema stellen. Welche Punkte sind den Parteien besonders wichtig? Was haben sie genau für den ländlichen Raum im Angebot? Hier sind einige Antworten aus den Parteiprogrammen.
SPD: Landwirtschaft "digital und bürokratiearm" machen
Die Sozialdemokraten wollen die Landwirtschaft "digital und bürokratiearm" machen. Die SPD spricht zudem von einer Reform der Agrarförderung. Es sollen vor allem Leistungen honoriert werden, die nachhaltig und ökologisch sind. Konkrete Vorschläge macht die SPD jedoch nicht, auch nicht dazu, wie die Tierhaltung weiter umgebaut oder Düngerecht verändert werden kann.
CDU: "Bürokratie ausmisten"
Die CDU will "bei Bürokratie ausmisten". Weniger Berichtspflichten, weniger Kontrollen, einfacheres Düngerecht. In ihrem Wahlprogramm bekennen sich die Christdemokraten auch zu Pestiziden. Das "Zukunftsprogramm Pflanzenschutz", in dem die Ampel-Regierung Wege aufzeigt, wie der Einsatz von Pestiziden reduziert werden kann, will die CDU wieder kippen. Zudem spricht sich die CDU gegen eine Reduzierung der Nutztierzahlen aus.
Grüne: "Weniger Tiere besser halten!"
In Sachen Tierhaltung gilt für die Grünen: "Weniger Tiere besser halten!" Dafür will die Partei den tiergerechten Ausbau der Ställe massiv fördern. Den Pestizid-Einsatz wollen die Grünen bis 2030 halbieren. Auch Düngemittel sollen möglichst sparsam eingesetzt werden. Den Anteil des Ökolandbaus wollen die Grünen in den nächsten fünf Jahren auf 30 Prozent ausbauen. Zur Bürokratie und Regelungsdichte in der Landwirtschaft äußern sich die Grünen nicht.
FDP: Produktivität und Innovationen
Die FDP will die Förderpolitik stärker auf Produktivität und Innovationen in der Landwirtschaft ausrichten. Auf EU-Ebene soll weniger reguliert werden. Wer digitale Technologien nutze, "wird von Dokumentationspflichten und Auflagen befreit." Zum Düngerecht hat die FDP nichts im Gepäck. Die Partei spricht sich aber für vereinfachte Zulassungsprozesse für Pestizide aus. Um das Tierwohl zu verbessern, möchte die FDP KI-gesteuerte Systeme nutzen.
AfD sieht "EU-Verordnungswahn"
Die AfD steht der europäischen Agrarförderung skeptisch gegenüber, spricht von einem "EU-Verordnungswahn". Bürokratie und Überregulierung sollen abgebaut werden. Gleiches gilt für den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden - damit sollen Landwirte möglichst frei wirtschaften können, findet die AfD. Die Partei will zudem die artgerechte Tierhaltung fördern.
Linke: Einsatz von Pestiziden verringern
Die Linke will den Einsatz von Pestiziden deutlich verringern - um 50 Prozent bis 2030. Tierhalter sollen häufiger unangekündigt kontrolliert werden. Haltungsstandards sollen für alle Tierarten hochgesetzt werden. Verstöße gegen Tierschutz will die Linke härter bestrafen. Bürokratie soll vor allem im Bereich der EU-Förderung abgebaut werden. Das Beantragen von Geldern soll deutlich vereinfacht werden.
BSW: "Unnötige Bürokratie" abbauen
Das BSW will "unnötige Bürokratie" abbauen. Bei Umweltauflagen sollen Kompromisse mit Landwirten angestrebt werden. Pestizide sollen bezahlbar sein. Für deren Genehmigung strebt das BSW ein transparentes Verfahren an. Zum Umbau der Tierhaltung äußert sich die Partei nicht. Das BSW hat auch keine Vorschläge dazu, ob und wie das Düngerecht verändert werden soll.