Landwirte aus Niedersachsen kritisieren EU-Bürokratie
Niedersachsens Landwirtschaft bekommt viel Geld von der EU - gleichzeitig kämpft sie aber mit Regeln und Bürokratie. Landwirte fordern daher weniger bürokratische Hürden und mehr Praxisnähe.
Landwirt Fred Arkenberg treibt seine Rinder aus dem Stall. Gut ein Dutzend trabt langsam rüber zur Weide in Kolenfeld, einem Ortsteil von Wunstorf (Region Hannover). Arkenberg notiert auf einem Klemmbrett die Anzahl der Tiere und das Datum. Es handelt sich um ein Weidetagebuch. "So können wir nachweisen, dass diese Tiere eben nicht im Stall waren."
Mit dem Klemmbrett auf die Weide
Es geht darum, nachzuweisen, warum im Betrieb und in den Ställen wie viel Gülle und Mist anfallen. Eine von vielen Regeln, die rund um das Thema Dünge- und Nährstoffmanagement in der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren dazugekommen sind. Das hat vor allem mit der EU-Nitratrichtlinie zu tun. Die Europäische Kommission verlangt von Deutschland schon lange ein strengeres Düngerecht aufgrund zu schlechter Nitratwerte im Grundwasser. Es folgten viele neue Regeln, wie eben auch das Weidetagebuch.
EU Regeln in der Landwirtschaft: Zu viel Bürokratie
Für Arkenberg sind solche Regeln viel zu bürokratisch. Man könne auch mit jährlichen Durchschnittszahlen arbeiten. "Dann kann sich jeder ausrechnen, wie viel weniger an Gülle im Stall durch die Weidehaltung anfällt." Es brauche mehr gesunden Menschenverstand und weniger Dokumentationspflichten, so Arkenberg. Der Wunsch nach weniger Bürokratie in der Landwirtschaft ist groß. Spätestens nach den Bauernprotesten Anfang des Jahres lenkt die Politik aber ein. Die EU hatte erst kürzlich angekündigt, bürokratische Hürden abbauen zu wollen. Und auch die Bundesregierung will ein Entlastungspaket für Deutschlands Bauern schnüren.
Agrarökonom: Behörden haben Angst, Fehler zu machen
Die Ampel lässt sich dabei von der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL)beraten. Vorsitzender dieses Gremiums ist Achim Spiller, Agrarökonom an der Uni Göttingen. "Es ist wichtig, Transparenz herzustellen. Deswegen geht es nicht ganz ohne Bürokratie." Mit Blick auf die Agrarpolitik wünscht sich Spiller ein klares Ziel der EU. "Nichts stört die Landwirtschaft so sehr, wie ein ständiges Hin und Her und schlechte Planbarkeit." Das zeigt sich für Spiller auch in der Umsetzung der Vorgaben durch deutsche Behörden. Immer neue Regeln der EU sorgten für Angst, Fehler zu machen. "Das bedeutet, die Verwaltung ist sehr vorsichtig bei der Umsetzung und guckt viel zu sehr auf Details anstatt auf die großen Linien."
Komplizierter Antrag für EU-Gelder: Allein nicht zu bewältigen
Christine Heins vom Maschinenring Hannover-Land berät Landwirte bei der Antragsstellung der EU-Gelder. Ein komplexes Verfahren, das viele Landwirte nicht mehr ohne Hilfe schaffen. "Ich würde mir im Antragsverfahren eine Verschlankung wünschen und dass nicht alles bis ins kleinste Detail geregelt ist." Das Beantragen der Gelder läuft mittlerweile digital. Eigentlich eine Verbesserung, aber auch hier gibt es Rückschritte. "In der neuen Software gibt es keinen Plausibilitätscheck." In der alten Version habe das Programm kurz vor Antragsabgabe noch automatisch darauf hingewiesen, wenn an bestimmten Stellen ein Klick fehlte. "Das wurde jetzt nicht miteinprogrammiert", so Heins. Zudem: "Wer keinen digitalen Personalausweis hat, muss den Antrag ausdrucken und in Papierform abgegeben." Per Post oder per Fax an die Bewilligungsstelle senden - oder händisch dort abgegeben.