"Hexenjagd": Wahlmann will härter gegen Cybermobbing vorgehen
Kriminalität verlagert sich immer mehr ins Internet. Das gilt auch für Mobbing. Niedersachsens Justizministerin hat deshalb eine Initiative vorbereitet, die die Strafverfolgung von "Maskengames" erleichtern soll.
Massenhafte Pizzabestellungen, falsche Versicherungsverträge und Polizeibeamte, die zu Unfällen ausrücken, die es gar nicht gibt. Täterinnen und Täter versuchen ihre Opfer mit sogenannten "Maskengames" zu terrorisieren, und treiben sie so im schlimmsten Fall sogar in den Suizid. Meist verabreden sich mehrere Menschen im Netz zu einer Hetzjagd gegen eine einzelne Person. Das Schlimme: Bisher sind den Ermittlerinnen und Ermittlern in solchen Fällen häufig die Hände gebunden. Denn um den Straftatbestand der Nachstellung, umgangssprachlich auch Stalking-Paragraf genannt, zu erfüllen, müssen die Täter die Betroffenen wiederholt belästigen. Doch häufig werden viele einzelne Taten von unterschiedlichen Personen verübt.
Justizministerin: Künftig auch Einzeltaten bestrafen
Wenn es nach der niedersächsischen Landesregierung geht, die in diesem Jahr den Vorsitz für die Justizministerkonferenz übernimmt, soll sich das in Zukunft ändern. Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) legt für das Treffen, das am Mittwoch startet, eine entsprechende Initiative vor. Die soll es möglich machen, dass künftig auch Einzeltaten bestraft werden können. "Maskengames sind eine Form der modernen Hexenjagd und haben - anders als es der Name vermuten lässt - rein gar nichts mit einem Spiel zu tun", sagt sie dem NDR Niedersachsen. "Es ist unglaublich, wie sehr man die Menschenwürde desjenigen, der betroffen ist, mit Füßen tritt."
Telefonüberwachung erleichtern?
Wahlmann will deshalb, dass Strafbarkeitslücken geschlossen werden und appelliert an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP): "Ich wünsche mir, dass der Bund das Problem in den Blick nimmt und dem Ganzen einen Riegel vorschiebt." Der Sozialdemokratin geht es darum, die Taten einzudämmen. Ziel müsse es sein, die Personengruppen, die sich im Internet zu den Taten verabreden, ausfindig zu machen. Dafür müsste es der Polizei beispielsweise auch erleichtert werden, Telefone zu überwachen.
Zahl der Fälle nimmt zu
Der bekannteste Fall der "Maskengames" ist der des YouTubers "Drachenlord", der vor einigen Jahren für Schlagzeilen sorgte. Nachdem er wochenlang über das Internet terrorisiert worden war, bewarf er einen seiner mutmaßlichen Täter mit einem Stein und wurde so selbst straffällig. Mehrere Menschen hatten es sich zuvor zur Aufgabe gemacht, den "Drachenlord" zu beleidigen und zu provozieren. Seine Telefonnummer und seine Privatadresse wurden im Internet veröffentlicht. Daraufhin nahmen die Aktionen der Mobber immer weitere Ausmaße an und gipfelten darin, dass sich Hunderte Menschen vor dem Haus seiner Eltern verabredeten. Die Situation musste von einem Großaufgebot der Polizei aufgelöst werden.
Weißer Ring begrüßt Initiative
Ein Phänomen, das zunimmt und für die Betroffenen gravierende Folgen hat, weiß Lena Weilbacher, stellvertretende Landesvorsitzende des Weißen Rings: "Die Menschen fühlen sich hilflos und sind nicht mal mehr in ihrem Zuhause sicher." All das, was im Internet geschieht, passiert auch im Privaten. Dass der Justiz in diesen Fällen gerade die Hände gebunden sind, habe massive Auswirkungen: "Aus Opferperspektive wirkt es, als könne nicht mal mehr der Staat helfen", sagt Weilbacher. Einige Betroffene sehen aus dieser Situation keinen Ausweg mehr. Weilbacher begrüßt deshalb ein strikteres Vorgehen. Sie kritisiert allerdings, dass diese Verschärfung bei der letzten Novellierung des Stalking-Paragrafen 2021 nicht schon längst ins Gesetz geschrieben wurde.
Richterbund sieht Strafbarkeitslücke
Auch Frank Bornemann, Vorsitzender des Richterbundes in Niedersachsen, sagt: "Es gibt eine Lücke im Strafrecht und die muss geschlossen werden." Bornemann sieht die Strafbarkeit ähnlich wie bei einer Beteiligung an einer Schlägerei auf dem Schützenfest: "Im Prinzip verabreden sich die Menschen jetzt nur zu einer Schlägerei im Internet." Allerdings mahnt der Richter auch an: Das Gesetz müsse auch praktisch funktionieren. Das gehe nur, wenn die Menschen auch wüssten, in welchen Fällen sie sich strafbar machen.