Gewalt an Schulen: Verband fordert Schutz für Lehrkräfte
Der Philologenverband Niedersachsen hat Gymnasial- und Gesamtschullehrkräfte zu Gewalt an Schulen befragt. Angesicht der Ergebnisse fordert der Verband mehr Schutz für Lehrkräfte. Das Kultusministerium wies den Vorwurf zurück, untätig zu sein.
Das Land habe bereits eine Vielzahl von Maßnahmen eingeleitet, um gegen Gewalt an Schulen vorzugehen und Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und alle an Schulen tätigen Personen zu schützen, hieß es am Freitag aus dem Ministerium. Die Gesellschaft erlebe eine allgemeine Verrohung des Miteinanders, Schule spiegele die Situation der Gesellschaft wider. Das Problem müsse deshalb von allen Seiten angegangen werden, zum Beispiel auch zusammen mit der kommunalen Jugendhilfe, sagte Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne). Sie kündigte zudem an, die existierenden Präventionsmaßnahmen verstärken zu wollen - aus ihrem Ministerium hieß es dazu, dass aktuell ein neuer Sicherheits- und Gewaltpräventionserlass aufgesetzt wird, der 2025 in Kraft treten soll.
"Teilweise alarmierende Erlebnisse im Schulalltag"
Der Philologenverband Niedersachsen hatte zuvor die Umfrage veröffentlicht und die Politik zum Handeln aufgefordert. Ein Drittel der 950 befragten Lehrkräfte sagte, den Beruf nicht mehr ergreifen zu wollen. Der Philologenverband sprach von "teilweise alarmierenden Erlebnissen aus ihrem Schulalltag", denen die Lehrerinnen und Lehrer in Niedersachsen ausgesetzt seien. "Es macht uns betroffen zu sehen, dass so viele Kolleginnen und Kollegen bei ihrer Arbeit erschütternde Gewalterfahrungen durchleben müssen", sagte der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen, Christoph Rabbow.
Ein Drittel bedauert Berufswahl
Die Umfrage, an der im Juni und Juli laut Verband 950 aktive Lehrkräfte teilgenommen hatten, habe ergeben:
- Knapp 70 Prozent der Befragten haben verbale Gewalt erfahren.
- Mehr als jede fünfte Lehrkraft soll physischer Gewalt ausgesetzt gewesen sein.
- 60 Prozent sollen in ihrem Umfeld digitale Gewalt erlebt haben.
- 86 Prozent sehen starke bis sehr starke Auswirkungen auf die psychische Gesundheit durch Vorfälle von Gewalt.
- 71 Prozent der Lehrkräfte fühlen sich schutzlos.
- 87 Prozent finden, dass das Kultusministerium nicht ausreichend auf Gewalt gegen Lehrer reagiert.
- Ein Drittel würde den Lehrerberuf nicht noch einmal ergreifen.
"Auch die Lehrkräfte brauchen Schutz"
Der Philologenverband forderte als Konsequenz ein Gesamtkonzept zum Umgang mit Gewalt in Schulen, das alle Beteiligten einbezieht und Lehrkräfte als Schutzbedürftige in Erlasse aufnimmt. "Die bisherigen Erlasse beziehen sich ausschließlich auf den Schutz der Schülerinnen und Schüler. Unsere Umfrage zeigt: Auch die Lehrkräfte brauchen Schutz", sagte Rabbow. Das Ministerium muss laut Rabbow konkrete Regelungen vorgeben, in denen die Konsequenzen von Gewaltdelikten klar definiert sind. Ansonsten drohe der Lehrerberuf weiter an Anziehungskraft zu verlieren.
Opposition fordert härteres Durchgreifen
"Wir sollten prüfen, wie die Zusammenarbeit zwischen den Schulen, der Polizei und der Justiz neu organisiert werden kann", sagte der CDU-Innenpolitiker André Bock mit Blick auf die Umfrage. Die Christdemokraten fordern zudem, dass die Schulen härter durchgreifen - bis hin zu Schulverweisen und Hausverboten. Auch die AfD will, dass härter durchgegriffen wird. "Die Umfrage des Verbands offenbart das Ausmaß der Katastrophe", sagte Harm Rykena, bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. Die Fraktion fordert mehr disziplinarische Möglichkeiten für Lehrkräfte und im Zusammenhang damit einen Sicherheitsdienst an den Schulen. "Wir sehen außerdem spürbare Bußgelder für die Eltern als sinnvoll an", so Rykena.