Gewalt gegen Lehrkräfte: "Schulen müssen durchgreifen dürfen"
Der Philologenverband Niedersachsen beklagt eine zunehmende Gewalt an Lehrkräften. Helfen könnten konkrete Regeln an den Schulen und ein neues Gesamtkonzept, das auch die Lehrkräfte mit einbezieht.
Ein Kommentar von Annette Deutskens
Lehrerinnen, die bei einem Nickerchen auf der Klassenfahrt gefilmt und später lächerlich gemacht werden. Lehrer, die im Unterricht heimlich fotografiert und in sozialen Netzwerken verächtlich gemacht werden. Klassenlehrer, die von Kindern angeschrien oder attackiert werden. Die Formen von Gewalt im Klassenzimmer sind vielfältig.
Eltern drohen mit dem Anwalt
Und als ob das nicht schon genug wäre, kommen noch die Eltern dazu. Eltern, die nur ihr Kind sehen, aber nicht in der Lage sind, die Perspektive der Lehrkräfte einzunehmen. Eltern, denen es mit aller Macht darum geht, das Beste für ihr eigenes Kind zu erreichen - auch wenn das bedeutet, der Lehrerin oder dem Lehrer mit Konsequenzen zu drohen. Das Kind könnte vielleicht das Abitur nicht schaffen? Die Noten sind zu schlecht? Mal sehen, wie der familieneigene Anwalt das einschätzt.
Ein neues Gesamtkonzept ist nötig
Damit Lehrkräfte wieder besser vor verbaler und physischer Gewalt geschützt sind, muss etwas passieren, und zwar schnell. Erstens: Das Land Niedersachsen als Arbeitgeber muss konkrete Regeln schaffen. Der 2023 abgelaufene Erlass zu Sicherheits- und Präventionsmaßnahmen ist zu vage. Der Philologenverband fordert zu Recht ein neues Gesamtkonzept, das sich auf Schüler UND Lehrkräfte bezieht.
Mehr Befugnisse für Schulen - zum Beispiel Handyverbot
Zweitens: Die Schulen müssen mehr Befugnisse erhalten, um durchgreifen und sanktionieren zu können. Vorschlag: Handys werden vor der ersten Stunde eingesammelt, eingeschlossen und erst nach Unterrichtsschluss wieder herausgerückt. Auf Klassenfahrten sind sie ganz verboten. Werden Lehrkräfte beleidigt oder bloßgestellt, direkt oder digital, muss für alle klar sein, welche Konsequenzen das hat. Auch die Eltern sind gefordert: Wenn zu Hause nur schlecht über Lehrer gesprochen wird, ist klar, dass der Respekt vor diesen sinkt - und die Hemmschwelle zur Gewalt ebenso. Und als Eltern muss man auch akzeptieren, dass Lehrkräfte das Kind möglicherweise anders erleben - und anders bewerten als man selbst. Das ist nicht immer schön und manchmal auch ungerecht. Aber in der Regel kein Grund, gleich mit dem Anwalt zu drohen.
Mehr Hilfe durch Sozialpädagogen und Psychologen
Und dann gibt es, drittens, Kinder, die in unserem Schulsystem kaum zu händeln sind. Die mit persönlichen Herausforderungen zu kämpfen haben, die ihnen ein normales Mitschwimmen im Schulalltag unmöglich machen. Und die dann aggressiv werden und aus dem Ruder laufen. Diese Kinder muss unser Schulsystem endlich besser unterstützen. Mit mehr Sozialpädagogen und mehr Psychologen. Die helfen dann nicht nur den Kindern selbst. Sondern allen. Auch den Lehrkräften.