Fünf Jahre Fridays for Future in Niedersachsen: "Wir streiken weiter"
Fridays for Future (FFF) hat in dieser Woche in Niedersachsen Jahrestag gefeiert: Vor fünf Jahren, am 14. Dezember 2018, fanden die ersten Schulstreiks fürs Klima statt. Seitdem ist viel passiert.
Zum Jahrestag hat der NDR Niedersachsen mit Nele Evers gesprochen. Die 19-Jährige lebt in Braunschweig und ist seit 2019 in der dortigen Ortsgruppe von FFF aktiv. Sie hat dieses Jahr ihr Abitur gemacht und absolviert derzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ).
Nachdem anfangs regelmäßig Tausende für das Klima auf die Straße gegangen sind, ist der Protest deutlich kleiner beziehungsweise leiser geworden. Was ist Ihrer Ansicht nach der Grund?
Nele Evers: Wir sind 2019 mit Hunderttausenden Menschen auf die Straßen gegangen, um eine gerechtere Klimapolitik zu erkämpfen. Dann kamen Corona und Kriege. Viele Menschen haben andere Sorgen, Existenzängste. Das zeigt sich auch heute noch. Was wir gezeigt haben ist, dass auch nach fünf Jahren Klimastreik so viel Kraft in dieser Bewegung steckt. Niemand hatte uns zugetraut, einen Sommer zu überstehen - fünf Jahre später sind wir immer noch da und haben im September wieder mit Hunderttausenden bundesweit und vielen weiteren weltweit gestreikt.
Wie aktiv ist FFF denn noch im Hintergrund - auch wenn gerade nicht auf den Straßen demonstriert wird?
Evers: Wir waren von Anfang an eine dezentral organisierte Bewegung. Unser wichtigster Bestandteil sind die Ortsgruppen. Sie organisieren regelmäßige Streiks, Podiumsdiskussionen, bringen sich in der Lokalpolitik ein und führen Gespräche mit Abgeordneten. Der Aufwand davon ist nicht zu unterschätzen und genau das, was uns erfolgreich macht.
Was hat FFF bisher erreicht?
Evers: Seit wir vor fünf Jahren zum ersten Mal gestreikt haben, haben wir viel bewegt. Wir haben den Kohleausstieg und das Klimaschutzgesetz erkämpft, letzteres sogar vor dem Bundesverfassungsgericht nachschärfen lassen. Es ist spürbar, dass alle übers Klima sprechen und der Diskurs oftmals das "Wie" anstatt das "Ob" behandelt. Wir haben mit Hunderttausenden Menschen gestreikt. Dennoch sehen wir aktuell politische Rückschritte, das Klimaschutzgesetz soll abgeschwächt werden und aus dem Bundeshaushalt 2024 wurden wichtige Teile der Klimaschutzfinanzierung gestrichen. Bundesweit und auch in Niedersachsen werden wichtige Projekte für etwa die Verkehrswende blockiert. Wir streiken weiter, weil wir gesehen haben, wie viel unser Protest bewegen kann - und weil er es weiter tun wird.
Was sagen Sie zum Ergebnis der Weltklimakonferenz?
Evers: Wir blicken jeder Klimakonferenz mit Hoffnung und Angst zugleich entgegen. Hoffnung, weil so viel Potenzial da ist, und Angst, weil wir wissen, wie die Realität auf den Konferenzen aussieht. Dass die COP28 es acht Jahre nach dem historischen Ergebnis von Paris geschafft hat, ein Ende fossiler Energien ohne genaues Ende festzuhalten, klingt erst mal gut - aber ein wirklicher Erfolg ist es nicht. Es braucht international ambitionierte Klimapolitik, um die Klimakrise einzudämmen und das Pariser Abkommen einzuhalten.
Die Aktionen der "Letzten Generation" wurden oft scharf kritisiert. Wie stehen Sie dazu?
Evers: Die Klimagerechtigkeitsbewegung ist schon immer breit aufgestellt und in ihren Aktionsformen verschieden. Als Schüler*innenbewegung ist es uns wichtig, einen möglichst niedrigschwelligen Einstieg zu bieten. Darüber hinaus war für uns schon immer klar, dass unsere Aktionen gewaltfrei sind. Unsere Streiks spiegeln genau das wieder. Viele Menschen können sich anschließen, und gemeinsam können wir viel erreichen. Dennoch verstehen wir die Frustration, die viele Menschen spüren - denn auch wir sind frustriert. Nach fünf Jahren Klimastreik ist viel passiert, aber lange nicht genug.
Haben diese Aktionen der "Letzten Generation" möglicherweise dazu geführt, dass es nicht mehr so viel Aufmerksamkeit für FFF gibt?
Evers: Fridays for Future und die "Letzte Generation" sind beide Teil einer breiten Klimabewegung, deren Stärke ist es, dass sie so divers ist. Es gibt strategische Differenzen, aber am Ende kämpfen wir für die gleiche Sache: Klimagerechtigkeit.
Greta Thunberg steht seit ihren Äußerungen zum Nahostkonflikt in der Kritik. Hat sie FFF damit geschadet?
Evers: Fridays for Future Deutschland hat sich von diesen Aussagen klar distanziert. Wir sind solidarisch mit den Opfern der Gewalt der Hamas und verurteilen den Terror. Wir sind uneingeschränkt solidarisch mit Jüdinnen und Juden, die weltweit und auch hier antisemitische Gewalt erleben.
Was denken Sie, wie es in Zukunft mit FFF weitergehen wird?
Evers: Nach fünf Jahren Klimastreik sehen wir, wie viel wir erreicht haben. Gleichzeitig sehen wir die Wissenschaft und die Prognosen für eine Klimaerhitzung von drei Grad oder mehr. Wir sehen, wie viel zu wenig politisch passiert und wie viel wir bewegen können. Deshalb schmieden wir zum Beispiel Bündnisse mit Beschäftigten im ÖPNV und gehen als "Wir fahren Zusammen" gemeinsam auf die Straße. Auch die EU-Wahl kommendes Jahr beschäftigt uns bereits jetzt. In Niedersachsen geht es außerdem nach wie vor um das Klimaschutzgesetz und seine Umsetzung sowie um die Verkehrswende, die etwa einen Neubau von Bahnstrecken bedeutet.
Das Interview führten Birte Olig und Sabine Reimers, NDR