Debatte um Industriestrompreis: "Kanzler auf Kurs bringen"
SPD, Grüne und CDU haben sich im niedersächsischen Landtag unisono für den Industriestrompreis ausgesprochen. Jedoch werfen sich die Parteien vor, die eigenen Leute auf Bundesebene nicht hinter sich zu bekommen.
Für die SPD in Niedersachsen, allen voran Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies, gibt es im Moment kaum ein wichtigeres Thema als den Industriestrompreis. Seit Monaten werben sie landauf, landab für ihr Konzept für staatlich subventionierten Strom für Industriezweige, die besonders viel Energie verbrauchen. Dazu zählen unter anderem Branchen wie Chemie, Glas, Zement, Papier und Stahl, aber auch Teile der Lebensmittel- und Futterindustrie. Sie alle ächzten unter hohen Energiekosten - und müssten daher dringend mit einem billigen Strompreis entlastet werden, so der erneute Appell am Mittwoch im niedersächsischen Landtag. Einzig die AfD-Fraktion ist gegen einen solchen Strompreis und hält ihn für ein "planwirtschaftliches" Instrument.
Uneinigkeit über Industriestrompreis in der Bundesregierung
Während die Fraktionen in Niedersachsen geschlossen hinter dem Konzept für billigen Industriestrom stehen, ist die Lage im Bund deutlich vertrackter. Die SPD-Fraktion ist dafür - SPD-Kanzler Olaf Scholz dagegen. Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist dagegen, hält aber Erleichterungen bei der Stromsteuer für denkbar. Die CDU-Fraktion im Bund befürwortet den Industriestrompreis ebenfalls grundsätzlich, Friedrich Merz allerdings ist dagegen.
Hitzige Debatte im niedersächsischen Landtag
Angesichts dieser Risse quer durch die Parteien wurde die Debatte im niedersächsischen Landtag am Mittwoch dann doch noch hitzig. Der gegenseitige Vorwurf von SPD und CDU: Die eigenen Leute nicht hinter sich zu bekommen. "Sorgen wir doch jeder im eigenen Laden dafür, dass die Reihen geschlossen werden, dann können wir den Brückenstrompreis auch schnell umsetzen", so SPD-Fraktionschef Grant Hendrik Tonne. Den Kanzler treibe noch die Frage um, wie der Mittelstand und das Handwerk entlastet werden könnten, wenn die Industrie mit billigem Strom versorgt werde, so Wirtschaftsminister Olaf Lies. Es gehe darum, eine Lösung zu finden, "die die Wirtschaft eint".
Günstiger Strom: Bäckereien wollen auch profitieren
Tatsächlich sind auch Teile der niedersächsischen Wirtschaft gegen einen Industriestrompreis in dieser Form - unter anderem Handwerksbetriebe wie Bäcker, die sich benachteiligt fühlen. Sie würden von dem billigen Strom nicht profitieren, haben aber auch hohe Energiekosten. Lies will sich für eine Entlastung bei den Netzentgelten stark machen, die sich mit 20 Prozent bei den Energiekosten bemerkbar mache. "Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung, aber es reicht nicht", sagt Bäckerei-Inhaberin Caterina Künne. Sie bleibt dabei: Wenn die Großindustrie subventionierten Strom bekomme, müssten die Bäckereien diesen auch erhalten. Je nach Konzept soll der Industriestrompreis bei fünf bis sieben Cent pro Kilowattstunde liegen, aktuell zahlen die meisten Betriebe mindestens das doppelte.
IG Metall: SPD muss "Kanzler auf Kurs bringen"
Der Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall und die Gewerkschaft IG Metall forderten die Landesregierung erneut zu schnellem Handeln auf - die Unternehmen bräuchten Planungssicherheit, viele investierten aufgrund der hohen Energiekosten schon jetzt nicht mehr. Die Vorstöße der rot-grünen Landesregierung seien gut, aber: Die SPD muss "ihren Kanzler auf Kurs bringen", so die IG Metall.
Wirtschaftsweisen halten Industriestrompreis für falsch
Führende Ökonomen in Deutschland sehen den Industriestrompreis nach wie vor kritisch. So halten ihn vier der fünf Wirtschaftsweisen, die die Bundesregierung beraten, für das falsche Instrument. Die Kosten betragen voraussichtlich fünf Milliarden Euro jährlich - und das für fünf bis zehn Jahre.