Debatte um Industriestrompreis: "Kanzler auf Kurs bringen"

Stand: 13.09.2023 20:14 Uhr

SPD, Grüne und CDU haben sich im niedersächsischen Landtag unisono für den Industriestrompreis ausgesprochen. Jedoch werfen sich die Parteien vor, die eigenen Leute auf Bundesebene nicht hinter sich zu bekommen.

von Annette Deutskens

Für die SPD in Niedersachsen, allen voran Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies, gibt es im Moment kaum ein wichtigeres Thema als den Industriestrompreis. Seit Monaten werben sie landauf, landab für ihr Konzept für staatlich subventionierten Strom für Industriezweige, die besonders viel Energie verbrauchen. Dazu zählen unter anderem Branchen wie Chemie, Glas, Zement, Papier und Stahl, aber auch Teile der Lebensmittel- und Futterindustrie. Sie alle ächzten unter hohen Energiekosten - und müssten daher dringend mit einem billigen Strompreis entlastet werden, so der erneute Appell am Mittwoch im niedersächsischen Landtag. Einzig die AfD-Fraktion ist gegen einen solchen Strompreis und hält ihn für ein "planwirtschaftliches" Instrument.

Ministerpräsident Stephan Weil im Interview mit dem NDR. © NDR
AUDIO: Weil zu Industriestrompreis: "Es besteht großer Zeitdruck" (08.09.2023) (5 Min)

Uneinigkeit über Industriestrompreis in der Bundesregierung

Während die Fraktionen in Niedersachsen geschlossen hinter dem Konzept für billigen Industriestrom stehen, ist die Lage im Bund deutlich vertrackter. Die SPD-Fraktion ist dafür - SPD-Kanzler Olaf Scholz dagegen. Auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist dagegen, hält aber Erleichterungen bei der Stromsteuer für denkbar. Die CDU-Fraktion im Bund befürwortet den Industriestrompreis ebenfalls grundsätzlich, Friedrich Merz allerdings ist dagegen.

Hitzige Debatte im niedersächsischen Landtag

Angesichts dieser Risse quer durch die Parteien wurde die Debatte im niedersächsischen Landtag am Mittwoch dann doch noch hitzig. Der gegenseitige Vorwurf von SPD und CDU: Die eigenen Leute nicht hinter sich zu bekommen. "Sorgen wir doch jeder im eigenen Laden dafür, dass die Reihen geschlossen werden, dann können wir den Brückenstrompreis auch schnell umsetzen", so SPD-Fraktionschef Grant Hendrik Tonne. Den Kanzler treibe noch die Frage um, wie der Mittelstand und das Handwerk entlastet werden könnten, wenn die Industrie mit billigem Strom versorgt werde, so Wirtschaftsminister Olaf Lies. Es gehe darum, eine Lösung zu finden, "die die Wirtschaft eint".

Weitere Informationen
Plenum im niedersächsischen Landtag in Hannover. © NDR Foto: Alexander Kröger

Mehr Stellen für Lehrer in Niedersachsen: Landtag erhöht Haushalt

Auch über Konsequenzen wegen der Korruptionsvorwürfe gegen einen Staatsanwalt aus Hannover debattierten die Abgeordneten. mehr

Günstiger Strom: Bäckereien wollen auch profitieren

Tatsächlich sind auch Teile der niedersächsischen Wirtschaft gegen einen Industriestrompreis in dieser Form - unter anderem Handwerksbetriebe wie Bäcker, die sich benachteiligt fühlen. Sie würden von dem billigen Strom nicht profitieren, haben aber auch hohe Energiekosten. Lies will sich für eine Entlastung bei den Netzentgelten stark machen, die sich mit 20 Prozent bei den Energiekosten bemerkbar mache. "Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung, aber es reicht nicht", sagt Bäckerei-Inhaberin Caterina Künne. Sie bleibt dabei: Wenn die Großindustrie subventionierten Strom bekomme, müssten die Bäckereien diesen auch erhalten. Je nach Konzept soll der Industriestrompreis bei fünf bis sieben Cent pro Kilowattstunde liegen, aktuell zahlen die meisten Betriebe mindestens das doppelte.

IG Metall: SPD muss "Kanzler auf Kurs bringen"

Der Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall und die Gewerkschaft IG Metall forderten die Landesregierung erneut zu schnellem Handeln auf - die Unternehmen bräuchten Planungssicherheit, viele investierten aufgrund der hohen Energiekosten schon jetzt nicht mehr. Die Vorstöße der rot-grünen Landesregierung seien gut, aber: Die SPD muss "ihren Kanzler auf Kurs bringen", so die IG Metall.

Wirtschaftsweisen halten Industriestrompreis für falsch

Führende Ökonomen in Deutschland sehen den Industriestrompreis nach wie vor kritisch. So halten ihn vier der fünf Wirtschaftsweisen, die die Bundesregierung beraten, für das falsche Instrument. Die Kosten betragen voraussichtlich fünf Milliarden Euro jährlich - und das für fünf bis zehn Jahre.

Weitere Informationen
Der Bedarf an Kupfer steigt jährlich. Bei Aurubis in Hamburg wird er verarbeitet. © NDR/HTTV Produktion/Michael Höft

Industriestrompreis: Sinnvoll oder überteuerte Subvention?

Die Wirtschaft beklagt zu hohe Strompreise, die Regierung streitet über Subventionen. Aber ist der Strom in Deutschland wirklich so teuer? (18.08.2023) mehr

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßt die Geschäftsführerin der Herzensbäckerei Künne Caterina Künne. © dpa Foto: Julian Stratenschulte

Bundeskanzler Olaf Scholz besucht Niedersachsen

Eine Station des SPD-Politikers war eine Bäckerei in Hannover. Zudem nahm er an der VW-Betriebsversammlung teil. (16.02.2023) mehr

Andreas Philippi (SPD) spricht bei einer Sitzung im Deutschen Bundestag. © picture alliance/Flashpic/Jens Krick Foto: Jens Krick

Finanzielle Not: Philippi sieht Akuthilfe für Kliniken kritisch

Niedersachsen wird laut dem Gesundheitsminister keine Akuthilfe anbieten - diese würde die Insolvenz allenfalls verzögern. (13.09.2023) mehr

Die Abgeordneten sitzen im Niedersächsischen Landtag. © picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte Foto: Julian Stratenschulte

Haushalt: Regierung will investieren - CDU kritisiert "Stillstand"

Für das Jahr 2024 stehen 42,3 Milliarden Euro bereit. Lehrer bekommen mehr Geld, der Wohnungsbau soll gefördert werden. (13.09.2023) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 13.09.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Landtag Niedersachsen

SPD

CDU

Grüne

Energiekrise

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen

Einsatzkräfte von Rettungsdiensten sind im Einsatz auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Auf dem Weihnachtsmarkt ist ein Autofahrer in eine Menschengruppe gefahren. © Dörthe Hein/dpa-Zentralbild/dpa

Neunjähriger aus Niedersachsen stirbt bei Anschlag in Magdeburg

Das Kind kam nach NDR Informationen aus Warle im Landkreis Wolfenbüttel. Der jüngere Bruder des Jungen wurde leicht verletzt. mehr