Cannabis-Legalisierung: Zwischen "Irrweg" und "Murks"

Stand: 19.02.2024 09:15 Uhr

Das Gesetz für einen legalen Cannabis-Konsum in Deutschland soll zum 1. April in Kraft treten, doch es hagelt Kritik. Gleich mehrere niedersächsische Ministerien sind mit den Plänen unzufrieden.

Kaum haben sich die Parteien der Ampel-Koalition auf die genauen Regelungen für eine Legalisierung zum Anbau und Konsum von Cannabis geeinigt, wird der Gesetzesentwurf von mehreren Seiten kritisiert. Unter anderem von der niedersächsischen Innenministerin Daniela Behrens (SPD): Sie zweifelt im Gespräch mit der Deutschen-Presse-Agentur die Umsetzbarkeit des Gesetzes zur Cannabis-Legalisierung an.

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Cannabis in einem Plastiktütchen und auf einer Holzfläche. © Colourbox Foto: Nils Weymann

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Behrens: Ein Neustart wäre notwendig

Alle bisherige Kritik - auch von Kinder- und Jugendärzten sowie von der Polizei und den Suchtberatungsstellen - sei von der Bundesregierung fast vollständig ignoriert worden, so Behrens. "Der nun vorliegende Entwurf ist Murks, denn es ist ein schlechter Kompromiss", sagte die Ministerin. Sie fordere daher einen Neustart. "Das Gesetz ist so nicht praxistauglich. Das eigentliche Ziel, mit einer gesteuerten Abgabe zahlreiche Verbesserungen und Entlastungen zu erreichen, wird in der Praxis fehlschlagen." Die geplanten Vorschriften seien sehr komplex und für die Polizei überhaupt nicht praktikabel, so Behrens. So sei unklar, wie die sogenannten Cannabis-Social-Clubs kontrolliert werden sollen oder wie demnächst mit Cannabis-Konsumenten bei Verstößen im Straßenverkehr zu verfahren sei.

Kritik von vielen Seiten

Bestärkt wird Behrens in ihrer Kritik auch von ihrer Kabinettskollegin Kathrin Wahlmann (SPD). Die niedersächsische Justizministerin sagte dem Evangelischen-Presse-Dienst, sie sehe das Gesetz vor allem wegen seiner Rückwirkung als problematisch an. Demnach müssten zum 1. April alle Verfahren gegen Cannabis-Verstöße eingestellt, sämtliche Geldstrafen deswegen fallen gelassen und sogar Verurteilte aus der Haft entlassen werden. Da diese Verstöße jedoch nur allgemein als "Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz" erfasst seien, müssten allein in Niedersachsen 16.000 Vorgänge einzeln überprüft werden.

Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) bei einer Pressekonferenz auf einem Podium. © picture alliance/dpa Foto: Julian Stratenschulte
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) kritisiert den Entwurf der Bundesregierung. (Archivbild)
Ärztekammer Niedersachsen befürchtet mehr Suchtkranke

Auch die Präsidentin der niedersächsischen Ärztekammer, Martina Wenker, schließt sich der Kritik an. Sie attestierte der Bundesregierung, gesundheitspolitisch "auf dem Irrweg" zu sein. Wenker befürchtet nach eigenen Angaben durch das neue Gesetz sogar mehr Suchtkranke. Rückenwind erhält sie aus dem zuständigen Ministerium: Niedersachsens Gesundheitsminister Andres Philippi (SPD) warnt vor den Folgen einer Cannabis-Legalisierung für Kinder und Jugendliche: "Wir wissen alle, dass ein zu früher Konsum insbesondere bei Jugendlichen deutliche Probleme hervorrufen kann.“ Er spricht sich für eine höhere Altersbeschränkung aus.

Nicht an Details aufhalten

"Natürlich ist Cannabis auch eine Droge, aber das jahrzehntelange Verbot ist völlig gescheitert", hält der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im niedersächsischen Landtag, Detlev Schulz-Hendel, dagegen. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, wie man hauptsächlich aufgrund von eher technischen Details das ganze Gesetz ablehne. Derzeit würden viele Menschen durch die Gesetzeslage kriminalisiert.

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Schon in der kommenden Woche soll im Bundestag über den Entwurf abgestimmt werden. Da es sich bei dem Gesetz um ein sogenanntes Einspruchsgesetz handelt, bedarf es keiner Zustimmung der Länder durch den Bundesrat. Zwar könnten diese Einspruch erheben, aber letztlich könnte auch dieser mit einer entsprechenden Mehrheit im Bundestag überstimmt werden. Das heißt, die Bundesregierung kann das Gesetz trotz der Kritik aus Niedersachsen beschließen.

Freigabe und Anbau in mehreren Schritten geplant

Sollte das Gesetz wie geplant kommen, wird Cannabis zum 1. April von der Liste der verbotenen Stoffe aus dem Betäubungsmittelgesetz gestrichen. Aktuell vorgesehen ist, dass dann der Eigenanbau und der Besitz einer bestimmten Menge von Cannabis legal wird. Einzige Voraussetzung ist die Volljährigkeit. Die Gründung von sogenannten Social-Clubs, die den gemeinsamen Anbau von Cannabis auch in größeren Mengen ermöglichen sollen, könnte dann bereits zum 1. Juli erlaubt werden.

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