Aus der Richterin wird die Ministerin: Kathrin Wahlmann
Kathrin Wahlmann kennt die Justiz von innen, war Richterin am Landgericht Osnabrück. Als Ministerin will sie diese Erfahrung nutzen und der dritten Gewalt im Staat zu mehr Geld und Personal verhelfen.
Eine kurze Umarmung, ein freundliches Hallo: Im Landgericht Osnabrück ist zu spüren, dass Kathrin Wahlmann hier noch bis zum Herbst Kollegin war, Zeugen anhörte und Urteile sprach - gegen Rocker, Einbrecherbanden, andere Kriminelle. Sie hat den Baulärm vor der Tür ertragen und Personalengpässe in den Geschäftsstellen erlebt. Nun lenkt sie die Geschicke der Justiz. "Ich komme aus der Justiz und weiß genau, wo Stellen fehlen oder wo man noch Dinge verbessern kann", sagt die 45-Jährige selbstbewusst im Interview mit dem NDR in Niedersachsen. "Mein Antrieb ist die Gerechtigkeit. Wenn ich Missstände sehe, will ich sie verändern."
"Das Land muss sich eine starke Justiz leisten"
Kathrin Wahlmann will Parlament und Finanzminister mit breiter Brust gegenübertreten, wenn es darum geht, Geld für ihr Ressort klarzumachen. In Osnabrück wird zwar ein neues Justizzentrum gebaut, aber anderswo müssen Gebäude dringend saniert werden. "Ich finde, dass die Justiz ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen soll. Wir sind die dritte Staatsgewalt, wir sorgen für Gerechtigkeit, für Rechtsfrieden. Das Land muss sich eine starke Justiz leisten", sagt Wahlmann.
Mehr Personal im Kampf gegen Hass im Netz
Kathrin Wahlmann kündigt an, den Kampf gegen Hass im Netz verstärken zu wollen - etwa durch mehr Personal für die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Göttingen. Als Richterin verhandelte sie gegen Täter, die Automaten in die Luft sprengen, nun will sie Banken notfalls rechtlich dazu verpflichten, diese Taten technisch zu erschweren.
Eine Revolution in der Justiz: digitale Akten
Am Ende der Legislatur will sie die Ministerin sein, die das derzeitige Mammutprojekt in der Justiz vollbracht hat: die Digitalisierung. Bis Ende 2025 sollen alle Akten bei Staatsanwaltschaften und Gerichten komplett digital sein. Das soll für schnellere Abläufe und unkomplizierteres Arbeiten sorgen - für die manchmal etwas schwerfällige Justiz eine Revolution im Alltag. Justizpolitisch verortet sich Wahlmann "in der Mitte" der SPD, nicht im linken Flügel der Partei. Der Legalisierung von Cannabis etwa steht sie skeptisch gegenüber.
Ehrgeiz beim Sport mit Familie
Privat spielt die 45-Jährige Tennis, das hat sie schon als Kind getan und jetzt auch ihre zwei Kinder und ihren Mann dafür begeistert. Carsten Wahlmann ist ebenfalls Richter. Beim Kennenlernen in der Kantine merkten beide schnell, dass sie ähnlich ticken, was den Blick auf die Welt und den Charakter betrifft. "Es ist alles schon wohl durchdacht, was sie macht, aber der Bauch schwingt auch noch immer mit", sagt er dem NDR in Niedersachsen.
"Nüchtern und mit scharfem Verstand"
In die SPD trat Kathrin Wahlmann mit 19 Jahren ein. Damals kandidierte sie gleich für den Stadtrat - mehr als 25 Jahre ist sie nun schon dabei. Damals war sie das Küken, heute ist sie ein Urgestein. Fünf Jahre hat sie als Landtagsabgeordnete politische Erfahrung gesammelt. "Nüchtern und mit scharfem Verstand" - so beschreiben sie Wegbegleiter aus dem Ortsverband in Hasbergen bei Osnabrück, während sie Stühle herbeischleppt, damit alle einen Sitzplatz bekommen. Zum Lachen bringt Kathrin Wahlmann ihre Genossen, als sie gut aufgelegt davon erzählt, wie sie der wichtige Anruf des Ministerpräsidenten auf dem falschen Fuß erwischte - beim Transport eines schweren Klaviers. Für die Zusage, Justizministerin zu werden, brauchte sie dann aber nur 45 Sekunden.