Die neuen Minister: Gerald Heere - Ein Mann der leisen Töne
Gerald Heere ist Niedersachsens erster grüner Finanzminister, hat einen Schuldenberg geerbt und muss Problemen wie der Inflation trotzen. Dabei pflegt er einen anderen Politikstil als seine Vorgänger.
Heere ist erst seit acht Wochen Finanzminister. Aber der eine oder andere im Ministerium hat schon gemerkt: Der Neue ist anders als seine Vorgänger. Die vielen Papier-Aktenmappen mit Unterlagen, die seit Generationen zum Lesen und Unterzeichnen durchs Haus getragen werden, möchte Heere gerne abschaffen. Das geht auch digital, sagt der 43-Jährige. Und auch beim Thema Familienfreundlichkeit geht der Grünen-Politiker neue Wege: Gerald Heere nimmt sich mehr Zeit fürs Private. Seinen dreijährigen Sohn bringt er morgens selbst in die Kita. "Das mache ich jeden Morgen, das ist wichtig", sagt Heere. "Danach machen wir eine Morgenlage, entweder im Büro oder per Videokonferenz."
Zu Not auch mal ohne Minister
Auch bei Terminen am Abend tritt der 43-Jährige auf die Bremse. Während seine Vorgänger viel im Land unterwegs waren, versucht Heere nach seinem Minister-Tag so oft wie möglich zu Hause in Hannover-Bothfeld zu sein - denn neben dem Dreijährigen wartet da noch ein Baby, gerade erst drei Monate alt. Die Termin-Jonglage sei zwar anstrengend, aber machbar. "Man kann so ein Amt auch gut ausführen, wenn man kleine Kinder hat", sagt Heere. "Das ist auch ein wichtiges Signal, das ich senden will: Man kann solche Jobs mit Familie machen. Politik muss familienfreundlich möglich sein." Und das heißt: Es muss dann auch mal ohne den Minister gehen.
Anderer Typ Politiker
Gerald Heere ist der erste grüne Finanzminister in Niedersachsen. Und ein anderer Typ Politiker als manch Vorgänger. Heere ist ein Mann der leisen Töne. Einer, der oft lächelt und sich im Hintergrund hält. Ecken und Kanten sucht man bei ihm vergeblich. "Wenn manche mich vielleicht am Anfang unterschätzen, werden sie irgendwann merken, dass sie mich falsch unterschätzt haben", schmunzelt Heere. "Man kann auch zurückhaltend sein, ruhig - und doch an der richtigen Stelle die richtigen Sachen sagen."
Zahlenmensch und Statistikfreund
Gerald Heere wächst in Cuxhaven auf, in Braunschweig studiert er Politik. Seinen Abschluss macht er mit Auszeichnung. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an der Universität. Sein Schwerpunkt ist unter anderem die internationale Finanz- und Wirtschaftspolitik. Weitere Stationen seiner Karriere: Landtagsabgeordneter in Niedersachsen und Büroleiter des Bremer Finanzsenators - und nun eben Finanzminister. Er ist ein Zahlenmensch und Freund von Statistiken, wie er sagt.
Solarzellen auf Landesdächern
Die Aufgaben sind riesig: Über Jahrzehnte haben Vorgänger einen Schuldenberg von rund 67 Milliarden Euro angehäuft. In der aktuellen Krise musste Heere sofort nach Amtsantritt einen Milliarden-Nachtragshaushalt inklusive Hilfspaket organisieren. Heeres finanzieller Spielraum ist begrenzt, und doch will er als Finanzminister politische Akzente setzen. Der 43-Jährige will aus dem Finanzministerium die Energiewende vorantreiben - mit Solarzellen auf Landesdächern und der energetischen Sanierung alter oder maroder Liegenschaften.
Schuldenbremse? Am liebsten lockern
"Wir haben geerbt, dass die letzten Jahrzehnte zu wenig Geld und zu wenig Kapazität da war, um ausreichend sanieren zu können", erläutert der Minister. "Insofern müssen wir jetzt unser Engagement erhöhen." Dafür würde er sich am liebsten mehr Geld von den Banken leihen, als es die Schuldenbremse derzeit erlaubt. Für Investitionen in Gebäude oder Infrastruktur würde Heere die strengen Regeln gerne lockern. "Da gibt es Wege, und da werden wir noch dran arbeiten müssen."