Facebook: Wo bleibt die Verantwortung?
Facebook wird auch gerne der "blaue Planet" genannt - mit bald zwei Milliarden Nutzern weltweit, davon gut 25 Millionen allein in Deutschland. Für sie ist Facebook eine einzigartige Kommunikationsplattform. Doch so genial das Angebot auch sein mag: Viele Bewohner dieses "blauen Planeten" beschleicht auch ein Unbehagen. Darunter auch Bundesjustizminister Heiko Maas.
"Bei dem, was da so über mich geschrieben wird - von einer kleinen, aber sehr lauten Minderheit -, weiß ich nicht, ob ich das irgendwie mit Wohlfühlen bezeichnen sollte", sagt Maas gegenüber ZAPP. Seit gut einem Jahr versucht der SPD-Politiker das soziale Netzwerk dazu zu bringen, dass es der Verantwortung gerecht wird, die der Aufbau einer so gigantischen digitalen Infrastruktur mit sich bringt. Doch noch immer stellt Maas fest: "Facebook nimmt seine eigenen Nutzer nicht ernst genug."
Löschpraxis bleibt undurchsichtig
In seiner "Task-Force gegen Hasskriminalität im Internet" kontrolliert der Minister zusammen mit Netz-Organisationen wie "jugendschutz.net", wie zuverlässig Facebook Inhalte löscht, die Nutzer melden, weil sie - nach ihrem Empfinden - klar gegen alle Standards verstoßen. Meldeten seine Partnerorganisationen Inhalte, dann würden sie "fast vollständig" gelöscht. Anders sei das mit Inhalten, die Nutzer dem Netzwerk direkt meldeten. Facebook sei besser geworden, trotzdem müsse beim Beschwerdemanagement noch einiges geschehen".
Außerdem vermisst Maas Transparenz. So hätten bislang noch nicht mal seine Leute die Gelegenheit gehabt, sich von der Arbeitsweise der mehreren hundert Mitarbeiter überzeugen können, die Facebook - nach eigenen Angaben - beim Dienstleister Arvato beschäftigt, damit sie gemeldete Inhalte aus Deutschland sichten. "Facebook ist da sehr restriktiv", sagt Maas. "Das ist auch in der Task-Force nicht viel anders."
Ihre eigenen Erfahrungen mit Facebook hat die grüne Bundestagsabgeordnete Reante Künast gemacht: Sie stellte Strafanzeige gegen die Macher der Facebook-Seite "Widerstand Deutscher Patrioten" gestellt - bislang ohne Erfolg - und ohne Unterstützung von Seiten des Unternehmens. Sie kritisiert Mass: "Das Unternehmen ignoriert die Abmachung", so Künast, "und Minister Maas wartet weiter geduldig ab, statt konkrete Zielvorgaben und zeitnahe Fristen zu nennen. Sanktionen bei Nichteinhaltung sind längst überfällig."
Facebook antwortet nur schriftlich
ZAPP hätte auch gerne nicht nur über, sondern auch mit Facebook gesprochen. Der Konzern erklärt allerdings nur schriftlich, dass er seine Mitarbeiter schützen will. Man suche aber "nach einer Möglichkeit, dem Interesse für einen Besuch bei Arvato nachzukommen" - eine kleine Kursänderung, weg vom absoluten Tabu.
Kritik am Unternehmen wächst
Der Berliner Netzaktivist Matthias Spielkamp hat das Portal "Algorithm Watch" gegründet, um Konzernen wie Facebook auf die Finger zu schauen. Er wüsste gerne, wie der Algorithmus genau arbeitet, der auf Facebook für jeden Nutzer vorsortiert, was er überhaupt zu sehen bekommt - Stichwort "Filterblase". Für Spielkamp ist das, was bei Facebook passiert, "relevant für eine Meinungsbildung der Öffentlichkeit". Deshalb könne die Öffentlichkeit auch verlangen, "dass sich die private Firma, die sie eigentlich ist, einer gewissen Auskunft verpflichtet fühlt". Doch auch beim Thema Algorithmus und damit Steuerung der Inhalte gebe Facebook nur sehr allgemein Auskunft. Spielkamp: "Sie müssen eigentlich immer gezwungen werden - durch öffentlichen Druck."
Zuletzt haben sich zudem in Berlin auf einem Gedenksymposium für den einstigen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher Autoren und Wissenschaftler mit der Frage beschäftigt, welchen Einfluss die Digitalisierung auf die Demokratie hat. Das Stichwort hier wiederum: "Fake-News", die sich wie Hass und Populismus ebenfalls auf Facebook verbreiten. Digital-Unternehmerin Yvonne Hofstetter sieht Anbieter wie Facebook selbst in der Pflicht, gegen vorsätzliche Falschinformationen vorzugehen. Constanze Kurz vom Chaos Computer Club ist dagegen überzeugt, dass dies dem Konzern noch mehr Macht verleihen würde. Technisch wäre - mit entsprechendem Engagement - indes mehr möglich, als Facebook bislang unternimmt.
Technisch wäre mehr möglich
Ein diskutierter Lösungsvorschlag, um diesem Dilemma zu entgehen: das sogenannte "Flagging", also das Markieren solcher Beiträge als Falschmeldung. Dafür sprach sich unter anderem der Softwareentwickler und Autor Daniel Suarez aus. Löschen hält er für kontraproduktiv, da damit auch die Belege für "Fake-News" vernichtet würden. Außerdem hätten die, die über angebliche Zensur klagten, neue Argumente.
Anfang nächstes Jahres will Maas die endgültigen Ergebnisse seines Task-Force-Monitorings vorlegen. Dann will der Justizminister auch über rechtliche Maßnahmen entscheiden. Denkbar seien strengere Transparenzvorschriften. Telemedienanbieter mit Hauptsitz außerhalb Deutschlands - wie es Facebook womöglich inzwischen sei - könnten zudem verpflichtet werden, einen "Zustellungsbevollmächtigen" in Deutschland zu installieren, etwa einen Geschäftsführer, "damit nicht gleich internationale Rechtshilfeersuchen in Gang gesetzt werden müssen, die extrem kompliziert und langwierig sind", sagte Maas gegenüber ZAPP. "Es wäre kein großes Problem, dafür im Bundestag eine Mehrheit zu bekommen."
Korrektur: In der zuerst gesendeten Fassung hieß es, der O-Ton von Mathias Döpfner sei bei der Jahresbilanzpressekonferenz von Axel Springer in Berlin gefallen. Tatsächlich ist er im Rahmen eines Pressegesprächs bei der Axel Springer SE in Berlin gefallen.