Spitzenkandidat der Linken: "Europa vor den Reichen retten"
Er sollte die Linke retten. Vor zwei Jahren übernahm Martin Schirdewan den Co-Vorsitz der Bundespartei, doch die kämpft weiter um ihr Überleben. Jetzt kämpft Schirdewan noch dazu um den Wiedereinzug ins EU-Parlament.
Für die einen ist Martin Schirdewan (Die Linke) ein aufbrausender Idealist, für die anderen der letzte wirkliche Linke. Auf jeden Fall ist er immer schwarz gekleidet, sogar als Stilikone wurde er schon bezeichnet. Martin Schirdewan sitzt seit gut sieben Jahren im Europäischen Parlament und leitet dort die bunt zusammengewürfelte Linksfraktion. Zum Wahlkampfauftakt der Linken in Mecklenburg-Vorpommern auf dem Schweriner Markt kommt er gut gelaunt, schüttelt Hände und verteilt Bussis. Einen eigenen Kandidaten aus Mecklenburg-Vorpommern zur Europawahl hat die Partei nicht aufgestellt, deshalb muss Schirdewan den Job gleich noch miterledigen.
Schirdewan stellt die soziale Frage in den Mittelpunkt
Doch wie will er die Interessen Mecklenburg-Vorpommerns in Brüssel vertreten? Andere Kandidaten fordern eine bessere Anbindung des Landes an das europäische Schienen- und Straßennetz oder wollen sich gegen eine Kürzung der EU-Fördergelder für die Region einsetzen. Dagegen bleiben Schirdewans Ziele abstrakter: "Es geht vor allem darum, dass die Frage der sozialen Gerechtigkeit in Europa, in Deutschland und damit auch in Mecklenburg-Vorpommern wieder eine viel größere Rolle spielt." Die Ungleichheit im Land habe riesig zugenommen. Schirdewan spricht die Inflation an und die gestiegenen Energiekosten. "Die Reichen sind immer reicher geworden und die Armen müssen darum kämpfen, überhaupt noch ihre Rechnungen zahlen zu können."
Back to basics
"Ich trete zur Europawahl an, weil wir Europa den Reichen und Konzernen nehmen müssen", so erklärt Schirdewan auf Instagram seine Motivation. Seine ganze Politik ist auf die Rückkehr zu den linken Kernthemen ausgerichtet – plus Friedenspolitik, Klimaschutz und Einsatz für Minderheiten. Die Linke wolle eine bessere grüne Partei sein, so hat das ein Zeitungskommentator mal zusammengefasst. Das wirkt manchmal etwas stereotyp und wenig überraschend. Doch bei einer Partei, die um ihr politisches Überleben kämpft, will Schirdewan zumindest die eigene Basis bei der Stange halten.
BSW und Kanzler setzen der Linken zu
Und dann ist da ja noch die Konkurrenz mit der neuen Wagenknecht-Partei. Den Namen BSW nimmt der Linken-Chef nicht in den Mund. "Wir konzentrieren uns natürlich auf uns, das ist ja klar. Wir stärken unseren Markenkern als Partei der sozialen Gerechtigkeit", so Schirdewan. Seine Partei scheue keine Konflikte, etwa wenn es um bessere Löhne gehe. Doch ausgerechnet in diesem Punkt hat Bundeskanzler Olaf Scholz gerade erst mit seinem Vorschlag, den Mindestlohn bis auf fünfzehn Euro anzuheben, der Linken das Thema geklaut.
Kampf gegen Sparpolitik
"Wir müssen endlich wieder genug Geld in die Hand nehmen für eine anständige Gesundheitsversorgung, für eine anständige Pflege, für eine anständige Bildung, für alle in diesem Land“, fordert der 48-jährige Parteichef bei seiner Rede auf dem Schweriner Markt. Hier bekommt er Applaus von gut zweihundert Zuschauern. Doch beim breiten Publikum dringt Martin Schirdewan nicht durch, jedenfalls sehen die Meinungsforscher die Linke derzeit nur bei drei bis vier Prozent. Gut für die Partei, dass es keine Fünfprozenthürde am 9. Juni gibt. Nach der Europawahl wollen die gewählten Abgeordneten dann auch endgültig klären, wer von ihnen die Interessen Mecklenburg-Vorpommerns in Europa vertreten soll.