Zickzack-Kurs der SPD bei Wahlwerbung in Kitas in MV
Die SPD fährt in der Frage, ob Parteiwerbung an Kitas erlaubt ist, keine klare Linie. Die Landesvorsitzende Manuela Schwesig hat ihre Süßigkeiten-Verteilaktion an Kitas in Schwerin vehement verteidigen lassen. Vor einigen Jahren kritisierten SPD-Spitzenpolitiker ein vergleichbares Vorgehen der AfD.
Hat sich die SPD da möglicherweise ein Ei ins Nest gelegt? Die Kritik an der Oster-Hasen-Verteilaktion der SPD-Landesvorsitzenden, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, fiel heftig aus. "Unanständig" nannte sie CDU-Generalsekretär Daniel Peters. Die AfD-Fraktion kritisierte eine "politische Einflussnahme" auf die ganz Kleinen. Dabei startete die AfD vor einiger Zeit eine ähnliche Aktion. Im Frühjahr 2018 warb der damalige AfD-Landtagsabgeordnete Jürgen Strohschein mit Gummibärchen und AfD-Parteiaufklebern bei den Kindern in der Kita in Stolzenburg bei Pasewalk.
Gummibärchen von der AfD
Die parteipolitisch "eingefärbten" Süßigkeiten lösten seinerzeit eine Welle der Empörung aus, immerhin lag die Kita in Strohscheins Wahlkreis. Die Vermutung, der AfD-Mann wolle sich vor allem bei den Eltern Sympathien erwerben, war nicht von der Hand zu weisen. Anders als jetzt spielte die AfD damals die Angelegenheit herunter. Die Sache werde zur "Staatsaffäre" aufgebauscht, hieß es aus Parteikreisen, Strohschein habe den Kindern "eine kleine Freude bereiten" wollen. Warum für diese Freude der AfD-Aufkleber nötig war, blieb offen.
SPD-Politiker fanden AfD-Aktion "moralisch bedenklich"
Für die politischen Gegner war Strohscheins Parteiwerbung eine Steilvorlage. Spitzenpolitiker der SPD verurteilten die Aktion. Nikolaus Voss (SPD), damals Staatssekretär im Sozialministerium, meinte, politische Werbung habe mit dem Förder- und Bildungsauftrag nichts zu tun. Das Verteilen von AfD-Süßigkeiten an Kinder sei besonders geschmacklos und moralisch bedenklich. Der damalige Vorpommern-Staatssekretär Patrick Dahlemann äußerte sich ebenfalls kritisch. Er meinte, gerade mit Blick auf Kleinkinder müsse Politik "ein besonderes Fingerspitzengefühl an den Tag legen". Sozialdemokrat Dahlemann gehört als Staatskanzleichef in Schwerin mittlerweile zu den engsten Vertrauten von Ministerpräsidentin Schwesig.
700 Packungen mit Schoko-Hasen verteilt
Was 2018 bei einer anderen Partei noch verabscheuungswürdig war, das scheint bei der eigenen Süßigkeiten-Aktion der SPD jetzt in Ordnung: Vor einer Woche - am Gründonnerstag - überraschten Schwesigs Wahlkreismitarbeiter die Kinder in gleich neun Einrichtungen der städtischen Kita GmbH. Sie verteilten rund 700 Packungen mit Schoko-Hasen und Schoko-Eiern an die Kleinen - versehen mit SPD-Logo und einem Aufkleber, der die lächelnde Ministerpräsidentin Schwesig und ihre Bundestagskollegin Reem Alabali-Radowan zeigt. Alle neun Kitas liegen in Schwesigs Landtagswahlkreis. Die mehr als 2.000 Kinder in den anderen Einrichtungen der Schweriner Kita GmbH gingen leer aus.
Oberbürgermeister: "Kein Abstinenzgebot"
Der Leiter des Wahlkreisbüros von Schwesig, Benjamin Gienke, tat die Kritik an der Oster-Gruß-Aktion als "daneben" und "künstliche Aufregung" ab. Er legte außerdem Wert auf die Feststellung, dass es eine ähnliche Schoko-Hasen-Verteilung an den Kitas in Schwerin schon im vergangenen Jahr gegeben habe. Die SPD-Wahlwerbung bei den Kleinen im Wahlkreis ist also kein Einzelfall. Schwerins Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) sieht dennoch keinen Grund zum Handeln. Die Stadt werde jetzt nicht aktionistisch werden, sagte Badenschier. "Das Neutralitätsgebot ist kein Abstinenzgebot", erklärte der OB. Er meinte damit, Parteien sollten in Kitas schon auf sich aufmerksam machen dürfen. User der Facebook- und Instagram-Angebote des NDR sehen es mehrheitlich anders. Bei ihnen lautet der Tenor: "Schokolade ist okay, aber ohne Parteienwerbung, die hat in der Kita nichts zu suchen."
Thüringen hat Wahlwerbung in Kitas verboten
In Thüringen wird diese Linie umgesetzt. Erst im vergangenen Juli erneuerte das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport eine Aufforderung an die Kommunen als Kita-Träger und machte per Rundschreiben eine klare Ansage: "Wahlwerbung einschließlich des Verteilens von 'Geschenken' mit eindeutigem Bezug zum Wahlkampf beziehungsweise einer Partei ist nicht mit dem Förderungsauftrag (...) vereinbar." Geleitet wird das Ministerium von einem, der in Mecklenburg-Vorpommern gut bekannt ist: Bildungsminister in Erfurt ist seit August 2017 der ehemalige Linksfraktionschef in Mecklenburg-Vorpommerns Landtag, Helmut Holter.