AfD-Mann verteilt Wahlwerbung in Kita
von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV
Der AfD-Landtagsabgeordnete Jürgen Strohschein hat in einer Kita bei Pasewalk Wahlwerbung der AfD an Kinder verteilen lassen. Die Jungen und Mädchen bekamen die verpackten Süßigkeiten mit AfD-Aufdruck nach NDR-Informationen offenbar auch als Belohnung bei Wettbewerben. Strohschein war bis vor kurzem Vorsitzender des privaten Kita-Trägervereins "Pittiplatsch". Der Kindergarten in Stolzenburg liegt in seinem Wahlkreis.
"Besonders geschmacklos und moralisch bedenklich"
Der 70-jährige hat mit der besonderen Wahlwerbung in eigener Sache offenbar kein Problem. Im Schweriner Sozialministerium sieht man das ganz anders. Kitas seien Orte der frühkindlichen Bildung, so Staatssekretär Nikolaus Voss (SPD). Politische Werbung habe mit dem Förder- und Bildungsauftrag nichts zu tun. Das Verteilen von AfD-Süßigkeiten an Kinder sei besonders geschmacklos und moralisch bedenklich.
Kein ausdrückliches Verbot
Der zuständige Landkreis Vorpommern-Greifswald erklärte auf Anfrage, es lägen in der Sache zwar keine Elternbeschwerden vor, allerdings gebe es mehrere Hinweise in der Angelegenheit. Wahlwerbung bei den Kleinsten mit Hilfe von Süßigkeiten habe im wahrsten Sinne des Wortes immer ein "Geschmäckle", so ein Sprecher auf Anfrage. Im Kita-Gesetz finde sich jedoch keine Vorschrift, die Wahlwerbung ausdrücklich verbiete. Außerdem gehe es in dem Fall um eine private und nicht um eine kommunale Kita. Für kommunale Kitas würde das Neutralitätsgebot greifen, das Parteienwerbung in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Rathäuser untersage.
In Schulen gilt Neutralitätsgebot
Vorpommern-Staatssekretär Patrick Dahlemann (SPD) schüttelt den Kopf über die Verteilaktion. Gerade in Bezug auf Kleinkinder und Schüler müsse man "ein besonderes Fingerspitzengefühl an den Tag legen". Ein Sprecher des Bildungsministeriums in Schwerin erklärte auf Anfrage, das Neutralitätsgebot an Schulen und damit das Verbot von Parteienwerbung gelte für alle Einrichtungen, für staatliche und für private Schulen. Kitas gehören jedoch nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bildungsministeriums. Dafür ist das Sozialministerium verantwortlich.
AfD verharmlost Vorfall
Die AfD-Fraktion, die Fehlverhalten anderer Parteien in der Regel anprangert, versucht den Vorfall herunter zu spielen. Hier solle eine "Staatsaffäre" konstruiert werden, so ein Sprecher. Wahrscheinlich habe Jürgen Strohschein "den Lütten mit ein paar Gummibärchen lediglich eine kleine Freude bereiten wollen". Der AfD-Abgeordnete Strohschein sagte auf Anfrage, er könne sich an die Verteilaktion nicht mehr erinnern. Strohschein hat den Vorsitz in seinem Kita-Verein "Pittiplatsch" nach gut 20 Jahren jüngst abgegeben: Laut einem Bericht des Nordkurier nannte er die zeitlichen Belastung im Landtag als Grund.
Hinweis der Redaktion: In einer ersten Fassung des Beitrags war davon die Rede, dass Jürgen Strohschein bisher keine Anfrage an die Landesregierung gestellt habe. Richtig ist, dass derzeit keine Anfrage des Abgeordneten im laufenden Verfahren ist. Insgesamt hat Strohschein seit November 2016 teilweise gemeimsam mit anderen Abgeordneten 16 Anfragen gestellt.