Windjammer: Die alten Ladys der Traditionsschifffahrt in schwerer See
Coronafolgen, steigende Preise, Nachwuchssorgen und auch die deutsche Bürokratie machen den Betreibern von Traditionsschiffen das Leben schwer. Doch die Flotte behauptet sich. Das auch Dank der vielen ehrenamtlichen Seemänner und Seefrauen.
Seit 2019 könnten in Deutschland die Betreiber von 20 bis 30 Traditionsschiffen aufgegeben haben, schätzt der Dachverband der deutschen Traditionsschiffe in Fahrt. Demnach seien europaweit noch etwa 5.000 Traditionsschiffe unterwegs. In Deutschland sind es wohl nur noch 100. Die meisten werden von ehrenamtlichen Vereinen betrieben und die kümmern sich nicht nur um ihre in die Jahre gekommenen Schmuckstücke, sondern ebenso darum, dass gerade junge Leute an Bord das traditionelle seemännische Handwerk lernen. Die aktuelle Folge vom Podcast Dorf Stadt Kreis steht ganz im Zeichen der aktuellen Herausforderungen in Sachen Traditionsschiffe.
Kapitän im Ehrenamt
Nikolaus Kern ist 70 Jahre jung. Ein gestandener Mann, berufstätig und ehrenamtlicher Skipper auf der "Johann Smidt". Seit den 1990er Jahren macht er das. Der 36 Meter lange Gaffelschoner ist einer von vier Traditionsseglern des gemeinnützigen Vereins Clipper, dem Deutschen Jugendwerk zur See mit Sitz in Bremerhaven. Im Rostocker Stadthafen hat die „Johann Smidt“ festgemacht, um Schülerinnen und Schüler einer 11. Klasse aus Berlin an Bord zu nehmen. Einerseits freut sich Nikolaus Kern alias Käpt´n Nikolaus auf den Törn mit den Jugendlichen durch die Dänische Südsee, andererseits sieht er mit Blick auf die Szene dunkle Wolken aufziehen. "Wir haben Windstärke 8 und die Flotte kämpft in schwerer See", meint er. Die bürokratische Auslegung der neuen Schiffssicherheitsrichtlinien, geleerte Bordkassen, die Coronafolgen, hohe Kosten bei der Instandsetzung, und nicht zuletzt auch die Frage, wer das Steuer übernehmen wird, wenn die „Alten“ von Bord gehen, darüber machen sich die Crews Gedanken. Doch an Aufgeben mag bei ihm an Bord keiner denken.
Silberstreif am Horizont
Das „Sail Training auf Traditionssegelschiffen“ ist von der Deutschen UNESCO-Kommission und der Kultusministerkonferenz (KMK) gerade erst im März 2023 als „Beispiel Guter Praxis der Erhaltung Immateriellen Kulturerbes“ anerkannt worden. Nach Ansicht der UNESCO-Kommission fördert das traditionelle Segeln auf den Traditionsschiffen Kameradschaft, Toleranz und Einsatzbereitschaft. „Zudem lehrt, fordert und fördert das Leben an Bord Teamwork, Selbsteinschätzung, Selbstdisziplin und soziales Verhalten“, hieß es in der Begründung. Diese Beurteilung von den „Landratten“ freut die Praktiker im Ehrenamt und gibt Rückenwind, wenn es gilt, junge Mitsegler und neue Crewmitglieder zu „schanghaien“ wie Kapitän Kern es schmunzelnd nennt.
Große Schiffe, kleine Schiffe
In Rostock-Schmarl, auf der historischen Bootswerft des Schifffahrtsmuseums wird Traditionspflege auch "im Kleinen" versucht: Kaum sieben Meter ist sie lang, die alte Warnemünder Jolle, die zwei Rostocker Bootsbauer ohne Baupläne aber mit viel Elan und ehrenamtlichen Helfern nachgebaut haben. Seit dem Mittelalter waren die Warnemünder Fischer mit den „ollen“ Jollen auf Fang, Anfang des 20. Jahrhunderts waren sie vom Horizont verschwunden. Dank des Nachbaus können die Museumspädagogen heute wieder zeigen, wie hart die Fischer ihr Brot verdienen mussten.
Schaulaufen unter Segel
Die 32. Hanse Sail, die am 10. August in Rostock beginnt, hofft auf bis zu 150 teilnehmende Traditionsschiffe aus sieben Ländern. Ein harter Job für die Ehrenamtler vom Hanse-Sail-Verein erzählt der Vorsitzende Gisbert Ruhnke: 80 Freiwillige werden wie in jedem Jahr die landseitige Betreuung der Crews übernehmen. Insgesamt werden wohl mehr als 200 Ehrenamtler bei der Sail am Start sein. Zwar freut sich Ruhnke über die Gorch Fock und die Bima Suci, die Schulschiffe der deutschen und der indonesischen Marine als Flaggschiffe in diesem Jahr, aber er gibt auch zu, dass er darauf hofft, dass die großen „Russen“ bald wieder nach Rostock kommen können. Die Viermastbark Sedow ist mit ihren 117 Metern Länge nun einmal das größte heute noch segelnde Traditionssegelschiff der Welt, sagt Ruhnke.
Segeln auf die Ohren
Im Gespräch mit Mirja Freye geht es letztendlich darum, wie aus hinlänglich bekannten Risiken, neue Chancen werden können für das Überleben der Flotte „alter Ladies der See". Zu Wort kommen „alte Salzbuckel“, Schiffsjungen und -mädchen nach dem ersten Törn und auch der Amtsschimmel wiehert hörbar auf hoher See in der neuen Podcast-Folge von Dorf Stadt Kreis.