Wechsel zu Sahra Wagenknecht: Staatssekretär bei vollen Bezügen kaltgestellt
Der Wechsel ins Oppositionslager zum BSW hat für Justizstaatssekretär Friedrich Straetmanns erste Konsequenzen. Der 63-Jährige ist im Justizministerium weitgehend kaltgestellt und an Entscheidungsprozessen offenbar nicht mehr beteiligt.
"Es wird Zeit, dass er geht", empört sich Linken-Landeschef Hennis Herbst über seinen Ex-Genossen Straetmanns. Der Justizstaatssekretär hatte Ende August überraschend seinen Austritt aus der Partei Die Linke erklärt und seinen Wechsel in das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) angekündigt. Mittlerweile ist der gebürtige Bielefelder auch ordentliches Mitglied, das hat das BSW in Berlin bestätigt. Seit seinem Überlaufen vom Regierungs- ins Oppositionslager gilt Straetmanns als politisch untragbar. Seine Chefin, Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Die Linke), wollte zunächst für seine Entlassung sorgen. Darauf wollte sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) allerdings nicht einlassen. Schwesig legte ihr Veto auch mit Hinweis auf die finanziellen Folgen ein.
Entlassung käme Straetmanns zugute
Straetmanns hätte bei einer Entlassung über drei Monate seine vollen Bezüge in der Besoldungsgruppe B 9 bekommen - monatlich rund 12.000 Euro. Anschließend hätte er über drei Jahre rund 71 Prozent der Summe erhalten und wäre dann mit ähnlich hohem Verdienst in Pension gegangen. Diese "Vergoldung des Verrats" wollten sie ihm bei der Linken und auch in der Staatskanzlei nicht gönnen. Jetzt heißt das Stichwort "Aussitzen". Bernhardt wartet darauf, dass Straetmanns aus eigenem Antrieb geht und in Thüringen oder Sachsen einen Posten in einer Landesregierung mit BSW-Beteiligung übernimmt. Dann läge er dem Land nicht mehr auf der Tasche.
Straetmanns von wichtigen Aufgaben entbunden
Bis es soweit ist, wird Straetmanns am politischen Seitenstreifen abgestellt. Er soll sich im Ministerium um Bürokratieabbau kümmern. Aus den Entscheidungsprozessen ist er weitgehend raus genommen. An der wichtigen Runde der Staatssekretäre, die das Regierungshandeln auf höchster Ebene abstimmen, nimmt er nicht mehr teil. Offenbar ist außerdem an die Vorsitzenden der Gerichte die dringende Bitte gegangen, sich in relevanten Fragen nicht mehr an Straetmanns zu wenden, sondern seinen Stellvertreter, den Leiter der Abteilung 1, Otmar Fandel, einzuschalten. Ein Spitzenbeamter erklärte, Straetmanns sei in der Vergangenheit ohnehin kaum wahrnehmbar gewesen, dass er jetzt isoliert werde, mache kaum einen Unterschied.
Verhältnis zu Bernhardt unterkühlt
Das Verhältnis zur Ministerin ist inzwischen eisig. Beide sind vom Genossen-Du zum formellen "Sie" übergegangen. Straetmanns bekommt am Montag um 8 Uhr seine Aufgaben im Ministerium zugewiesen, freitags um 14 Uhr wird dann besprochen, wie der Erledigungsstand ist. Offen ist, ob Straetmanns damit amtsangemessen beschäftigt ist oder ob ihm bedeutendere Aufgaben zugewiesen werden müssen.
Noetzel über Straetmanns: "moralisch flexibel"
Straetmanns war telefonisch für NDR MV zunächst nicht zu erreichen. In seiner ehemaligen Partei, für die er auch im Bundestag saß, wächst der Zorn. Einige waschen auch ordentlich schmutzige Wäsche: Es sei inkonsequent und zeuge nicht gerade von Charakterstärke, dass der Staatssekretär bis heute nicht um seine Entlassung gebeten habe, kritisierte Michael Noetzel, Rechtsexperte der Linksfraktion. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Straetmanns sei nicht mehr möglich. Dass Straetmanns nicht von sich aus gehen wolle, um offenbar nicht auf "das gewohnt üppige Gehalt zu verzichten" zeigt nach Ansicht Noetzels nur, "welche moralisch flexiblen Persönlichkeiten beim handverlesenen Zirkel des BSW willkommen sind".
CDU: Justiz im Land vor großen Herausforderungen
Die CDU-Fraktion kommt zu anderen Ableitungen: Es dränge sich der Eindruck auf, dass hier ein Staatssekretär nur noch einem Halbtagsjob nachgehe, "während er volle Bezüge erhält und gleichzeitig ein Abteilungsleiter womöglich unbezahlte Mehrarbeit leistet", so der Abgeordnete Sebastian Ehlers. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) müsse sich der Sache annehmen und die Frage klären, wer künftig den Posten Staatssekretär übernehme. Die Justiz im Land, meinte Ehlers, stehe vor großen Herausforderungen.