Wasser halt! - Führerscheinsorgen bei den Feuerwehren in MV

Stand: 12.09.2024 06:10 Uhr

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte bei ihrem Besuch in Mecklenburg-Vorpommern die Freiwilligen Feuerwehren "einen wichtigen Bestandteil unserer Sicherheitsarchitektur". Geld haben Bund und Land aber nicht, um den Gemeinden bei der Finanzierung der Lkw-Führerscheine zu helfen.

von Thomas Köhler

Den Freiwilligen Feuerwehren in Mecklenburg-Vorpommern droht als größter Hilfsorganisation des Landes das vermutlich existenzgefährdendste Handicap der jüngsten Geschichte. Die Feuerwehrleute, die einen Lkw fahren dürfen, werden immer weniger. Inzwischen ist dadurch das Risiko, nicht ausrücken zu können, in der Realität angekommen. "Ja, es gab erste Fälle. Zum Beispiel in Eichhorst-Genzkow. Da konnten die Kameraden nicht losfahren, weil kein Fahrer da war", bestätigte Stephan Drews, Kreiswehrführer der Mecklenburgischen Seenplatte.

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AUDIO: Immer mehr Führerscheinsorgen bei den Feuerwehren (31 Min)

Jedes zweite Fahrzeug des Landkreises sei ein mehr als 7,5 Tonner, der nur mit dem Lkw-Führerschein gefahren werden dürfe. Jedoch hätten immer weniger Menschen diesen. Zum einen, weil die Führerscheinklassen neu sortiert wurden, zum anderen, weil immer mehr Feuerwehrleute, die den Schein noch besitzen, nach und nach in den Ruhestand gingen. Zudem kostet der Schein laut Statistischem Bundesamt jährlich bis zu 10 Prozent mehr. Mit rund 5.000 Euro müssten Interessenten derzeit rechnen.

Auch Unternehmen suchen händeringend Lkw-Fahrer

Der Mangel an Menschen mit Lkw-Führerschein und das mangelnde Interesse daran spiegelt sich auch in den Zahlen der Agentur für Arbeit in Neubrandenburg wieder. Dort waren im August 2024 145 freie Stellen in der Branche Verkehr und Logistik registriert. Mit 53 entfiel mehr als ein Drittel davon auf Lkw-Fahrer. Der Beruf sei nicht attraktiv, sagt Agentur-Chef Andreas Wegner und verweist darauf, dass die Ausbildung auf dem Lkw in der Lehrzeit kaum eine Rolle spiele. Denn die Berechtigung gelte erst ab Vollendung des 21. Lebensjahres. Das sei ein entscheidender Grund, warum kaum ein Logistik-Unternehmen seinen Azubis den Lkw-Führerschein bezahlen würde.

Land MV fördert Löschfahrzeuge und Gerätehäuser

Den ersten großen Engpass konnte 2018 und 2019 das Innenministerium noch ablindern, indem es 573.000 Euro bereitstellte, um Mitglieder der Freiwilligen Wehren den Führerschein zu bezahlen. "Das waren nicht verbrauchte Haushaltsmittel, die wir im Strategiefond zur Verfügung gestellt haben", erklärt Innenminister Christian Pegel (SPD). Eine Wiederholung schließt er aus. Das Land habe mit dem 50-Millonen-Euro Programm für neue Löschfahrzeuge und der aktuellen Förderung neuer Gerätehäuser einen großen Anteil, die Einsatzbereitschaft in den Kommunen zu sichern. Das Thema Führerscheine bleibe die Aufgabe, die kommunal vor Ort erledigt werden muss. Die Gemeinden, die kein Geld haben, könnten im Zweifel Kredite aufnehmen, heißt es.

Löcher in kommunalen Haushalten werden immer größer

Die Zahl der Gemeinden, die nicht mehr leistungsfähig sind, steigt jährlich. In der Mecklenburgischen Seenplatte sind es nach Darstellung der Kreisverwaltung rund zwei Drittel. Und der Kreis selbst könne auch nicht einspringen, weil ihm in seinem Haushalt ein so enormes Loch in Millionenhöhe drohe, wie es dieses seit Gründung des Kreises noch nie gegeben habe. Keine Fahrer-Not gibt es in der Kleinstadt Wesenberg bei Neustrelitz. Dort hat jeder Zweite der Feuerwehrleute einen Lkw-Führerschein. Auch weil hier seit mehreren Jahren diese aus dem Haushalt der Stadt bezahlt werden. Zuletzt seien das 9.000 Euro für zwei Kameraden gewesen, bestätigt Wesenbergs Bürgermeister Steffen Rißmann (CDU). Das könne schon mal weh tun, vor allem in jenen Gemeinden, die finanziell schwächer aufgestellt seien, wenn man sich zwischen Lkw-Führerschein für die Feuerwehr und einem Kinderspielplatz entscheiden müsse, so Rißmann.

Lkw-Fahrerlaubnis als Teil der Feuerwehrausbildung? 

Wie das Problem generell gelöst werden könnte, ist derzeit unklar. Die Idee des Landesfeuerwehrverbandes, den Führerschein für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen in die Feuerwehr-Ausbildung zu integrieren, hält Innenminister Christian Pegel für nicht realisierbar. Hingegen sieht Kreiswehrführer Stephan Drews darin die einzige realistische Alternative angesichts der finanziellen Probleme vieler Gemeinden. Zudem müssten alle Feuerwehrleute, die ein Löschfahrzeug fahren, ohnehin zur Ausbildung. Denn jeder Fahrer sei zugleich Maschinist. Das sei der entscheidende Job, ob die Kameraden vorne genug Wasser hätten oder nicht, so Wesenbergs Hauptfeuerwehrmann Christian Degner, der Maschinist und Fahrer ist.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 12.09.2024 | 06:00 Uhr

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Landkreis Mecklenburgische Seenplatte

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