Was wäre wenn? Mecklenburg-Vorpommern ohne Windkraft

Stand: 21.02.2025 15:17 Uhr

Was wäre, wenn Deutschland die Energiegewinnung aus Windkraft wieder abschaffen würde, so wie es einige Parteien im Wahlkampf verlauten lassen? Für die Verbraucher und die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern hätte das massive Folgen.

Aussagen wie: "Windkraftwerke abreißen", "nieder mit den Windrädern der Schande" oder es drohe "eine Verspargelung der Landschaft", waren in den vergangenen Wochen beim Bundestagswahlkampf von einigen Politikern zu hören. Die Branche in Mecklenburg-Vorpommern zählt zahlreiche Gründe auf, dies besser nicht zu tun.

Abriss würde Arbeitsplätze kosten

Enertrag ist ein international agierendes Energieunternehmen, das seit 1999 auch in Rostock ansässig ist. Es plant, baut und betreibt unter anderem Windparks. Robert Vogt, Regionalleiter von Enertrag, sagt: "Wenn diese Forderungen, alle Windräder tatsächlich abzureißen, umgesetzt würden, dann gäbe es für uns schlicht und ergreifend hier in Mecklenburg-Vorpommern nichts mehr zu tun."

Aber es gäbe 200 Arbeitslose mehr, prophezeit Vogt, denn so viele Menschen seien in Rostock bei Enertrag beschäftigt. Die Firma wolle die nächste Phase der Energiewende mitgestalten, deshalb, so Vogt, werde das Energieunternehmen weitere Arbeitsplätze in der Region schaffen: "2020 haben etwas mehr als 100 Menschen bei uns gearbeitet, die in Mecklenburg-Vorpommern wohnen. Und jetzt sind wir bei etwas mehr als 190 Mitarbeitern. Wir gehen davon aus, dass diese Entwicklung auch tatsächlich in den nächsten Jahren noch ungefähr so weitergehen wird."

VORSCHAU: Was wäre, wenn es in MV keine Windkraft mehr gäbe? (7 Min)

Zahlen und Fakten aus MV

Wie viele Menschen insgesamt im Land in der Windenergie-Branche tätig sind, darüber gibt es keine genauen Zahlen. Schätzungen gehen von 6.000 bis 9.000 Arbeitsplätzen aus, die direkt mit der Windkraft zusammenhängen. Laut Landesverband WindEnergie drehen sich aktuell etwas mehr als 2.100 Windkraftanlagen in MV.

Windkraftanlagen und Energieleistung 2024 in MV:

  • 1.845 Windkraftanlagen an Land
  • Energieleistung an Land: 3.797 Megawatt
  • 5 Offshore-Windparks mit 258 Windkraftanlagen in der Ostsee
  • Energieleistung Offshore: 1.352 Megawatt

(Quelle: Landesverband WindEnergie und Statista)

Im vergangenen Jahr betrug die Windenergieleistung in MV insgesamt knapp 5.150 Megawatt. Allein im Offshore-Bereich haben die 258 Windräder zirka 3,8 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Das allein entspräche rechnerisch einer Versorgung von rund 1,2 Millionen Haushalten im Jahr, so der Landesverband WindEnergie auf seiner Internetseite.

Rückbau müsste teuer bezahlt werden

Der vollständige Rückbau würde, vorsichtig geschätzt, etwa 200 Millionen Euro kosten. Dann wäre zwar die Landschaft wieder frei - aber zu einem hohen Preis. Johann-Georg Jäger vom Landesverband Erneuerbare Energien MV sagt: "Wir hätten erhebliche Ausfälle an Gewerbesteuerzahlungen. Wir schätzen etwa 25 Millionen Euro pro Jahr, die an die Gemeinden in MV gezahlt werden. Die 0,2-Cent-Regelung, also 0,2 Cent pro Kilowattstunde würde entfallen. Wir schätzen, dass etwa 70 Prozent der Windmühlen daran beteiligt sind: Sieben Millionen Euro sind dann auch noch weg", so Jäger. Auch die ganzen Pachten würden entfallen, das Rückgrat zum Beispiel der Argrofarm Lüssow. Das ist ein Milchviehbetrieb im Landkreis Rostock. Das sei ein Spitzenbetrieb, "aber ohne die Windkraftanlagen, also ohne die Pachtverträge würde es bei denen wirtschaftlich sehr viel schlechter aussehen, also es hat dramatische Auswirkungen", mahnt Jäger.

Stromerzeugung: Zurück zu fossilen Brennstoffen

Dramatische Auswirkungen vom Ausstieg aus der Produktion von Windenergie gäbe es auch auf die Stromversorgung im Land. In den vergangenen Jahren ist die installierte Leistung der Windkraftanlagen in MV auf mehr als 5.000 Megawatt angestiegen. Ohne Windräder stünde auch ein Drittel weniger Strom zur Verfügung. Johann-Georg Jäger vom Landesverband Erneuerbare Energien MV sagt: "Wir müssen dann natürlich klären, wie wir alternativ diesen Strom erzeugen. Das bedeutet einen höheren Verbrauch von Kohle oder Erdgas, um das hinzubekommen".

Weitere Industrieunternehmen hätten keine Perspektive

Der Abbau von Windrädern würde weitere Unternehmen die wirtschaftliche Zukunft nehmen. Stichwort: Industrielle Zukunftsperspektiven. In Rostock sollen demnächst Konverterplattformen für Offshore-Windparks gebaut werden. Schon seit Jahren werden im Rostocker Überseehafen sogenannte Monopiles, also die Fundamente für Windräder auf See hergestellt. Allein hier sind derzeit knapp 1.000 Menschen beschäftigt.

In der Ostsee vor Mecklenburg-Vorpommern drehen sich aktuell knapp 260 Windräder in fünf Offshore-Windparks. Und es sollen mehr werden. Allein mit der Planung eines solchen Projektes sind mehr als 100 Leute über mehrere Jahre beschäftigt. Andree Iffländer vom WindEnergy Network e.V.: "All die Komponenten müssen gefertigt werden, Rotorblätter, Türme, Fundamente, und sie haben natürlich bei der Umsetzung die Transport- und Installationsschiffe, also Schiffspersonal und das Serviceteam nachher. Und dann kommt ja noch die Netzanbindung dazu also Sie haben beim Netzbetreiber nochmal die gleiche Planung für die Netzanbindung", also es seien sehr viele Arbeitsplätze, die an der Entwicklung und an dem Betrieb hingen, erläutert Iffländer.

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Nach Jahren mit geringem Zubau an Windrädern in Mecklenburg-Vorpommern erwartet Umweltminister Till Backhaus (SPD) einen neuen Aufschwung beim Bau von Windparks und dem Ersetzen alter Anlagen. Grund für diese Prognose ist die steigende Zahl von Baugenehmigungen. "Wir sind auf einem sehr guten Weg", zeigt sich Backhaus zuversichtlich. Er räumt aber ein, dass der Berg unerledigter Anträge im Land noch immer groß ist. Im Jahr 2024 seien im Rahmen von 88 Verfahren Genehmigungen für 198 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 1.000 Megawatt erteilt worden. Das damit verbundene Investitionsvolumen beziffert Backhaus mit nahezu 1,8 Milliarden Euro.

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Nordmagazin | 20.02.2025 | 19:30 Uhr

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