Stand: 04.07.2014 10:54 Uhr

Waldeck: Der Schlachter und der Staatsdiener

von Thomas Ammann, Anke Jahns, Nordmagazin
Wilhelm Burke (l.) und Siegfried Kludt
Wilhelm Burke (l.) und Siegfried Kludt sind Schlüsselfiguren im Skandal um den Bau der JVA Waldeck.

Siegfried Kludt, einer der Investoren der JVA Waldeck, hat im Nordmagazin schwere Geschütze aufgefahren. Er behauptet, dass ihm sein früherer Freund Wilhelm Burke als Finanzstaatssekretär den Gefängnisbau-Auftrag zugeschanzt und dafür die Hand aufgehalten hat. Beide kennen sich lange. Man feierte, fuhr zusammen mit Lebenspartnern in den Urlaub - und machte Geschäfte. Im Jahr 2007 gründeten sie sogar eine gemeinsame Firma: Die SKG Immobilien GmbH gehörte beiden Partnern zu gleichen Teilen.

Ein verhängnisvoller Streit

Doch dann gerieten die Freunde in Streit: Man konnte sich nicht über den Preis einer Eigentumswohnung im noblen Hamburger Stadtteil Blankenese verständigen, die Kludt um diese Zeit an Burke verkauft hatte. Burke wurde verklagt, es kam zum Verfahren vor der Zivilkammer 29 des Landgerichts Hamburg.(Az. 329 O 267/11).  Am 7. Dezember 2012 gaben dort Kludt und Burke Auskunft über ihre geschäftlichen und persönlichen Beziehungen, festgehalten im Verhandlungsprotokoll. Gefängnis-Investor Kludt schilderte ausführlich, wie mit Burke ein "wirklich vertrautes Verhältnis" entstanden sei.

Ein Essen, 50.000 D-Mark und eine Rolex-Uhr

In den 1970er-Jahren sei er (Kludt) an einer Gesellschaft beteiligt gewesen, die Eigentumswohnungen gebaut habe. In der damaligen Hochzins-Periode seien große Verluste entstanden, die das Finanzamt Hamburg-Schlump nicht habe anerkennen wollen. Schließlich sei er selbst zum Finanzamt gegangen und habe nach dem Vorgesetzten verlangt. So habe er Burke kennengelernt. Kludt: "Ich habe ihm das Problem geschildert und er sagte, wir könnten zusammen Essen gehen, um das zu besprechen." Im weiteren Verlauf der Gespräche habe Burke dann angeboten, "etwas zu schreiben, was so beim Finanzamt eingereicht" werden könne. "Auf diese Art und Weise habe ich etwa zwei Millionen D-Mark durch seine Hilfe vom Finanzamt zurückbekommen", so Kludt laut Verhandlungsprotokoll. "Ich fragte Herrn Burke im Anschluss, was ich ihm schuldig sei und er sagte, ich könnte ihm 50.000 D-Mark geben, dann sei es gut." Bei der Übergabe des Bargeldes habe er Burke noch "eine Rolex-Uhr" geschenkt, behauptet Kludt. "Wir haben damals noch gelacht, weil das Armband nicht passte. Wir sind dann auch weiter in Kontakt geblieben."

Autoren
NDR Redakteurin Anke Jahns © NDR

Anke Jahns

Als Reporterin jagt sie gerne Verbrechern nach - Mafiosi, Stasi-Spitzel und kriminelle Rocker mögen sie gar nicht. Beim Korruptionsfall Waldeck arbeitete sie mit Thomas Ammann zusammen. mehr

Autor Thomas Ammann © agenda media

Thomas Ammann

Die Verantwortlichen mauern, viele Beteiligte verfolgen eigene Interessen: Dennoch machte sich Thomas Ammann an die schwierige Recherche über die JVA Waldeck. mehr

Ein gelernter Schlachter in der feinen Gesellschaft

Bei der Rückzahlung des Finanzamts in Höhe von zwei Millionen D-Mark sei es um eine gemeinsame Veranlagung mit seiner früheren Ehefrau gegangen, die seinerzeit hohe Gewinne erwirtschaftet hatte, gab Kludt vor dem Hamburger Landgericht zu Protokoll. In den 1970er-Jahren war Kludt zeitweilig mit einer Milliarden-Erbin aus einer der reichsten Hamburger Familien verheiratet gewesen. Die Eheschließung hatte in der feinen Hamburger Gesellschaft für einige Irritationen gesorgt, denn der gelernte Schlachter Siegfried Kludt galt keineswegs als standesgemäß. Sein erstes Vermögen hatte er einige Jahre zuvor im deutsch-deutschen Fleischgroßhandel gemacht. Ein legales Geschäft, mit dem die DDR damals jährlich rund eine halbe Milliarde D-Mark für den Verkauf von Schweinehälften an den Klassenfeind im Westen einnahm. Kludt allerdings, der damals in West-Berlin wohnte, prahlt damit, wie man mit den Kollegen von den Schlachthöfen im Osten gemeinsame Sache machen und dabei noch etwas Schwarzgeld abzweigen konnte.

Mit dem Hubschrauber zum Parade-Wallach

Nach der Übersiedlung nach Hamburg begann Kludt, sein Vermögen aus den Schweine-Geschäften in Immobilien zu investieren. Er wählte mit Bedacht besonders anlagesichere Objekte: Mietshäuser in der Herbertstraße, der berühmt-berüchtigten Hamburger Bordellstraße. Ein Geschäft, das sich als krisensicher und lukrativ erwies, weshalb Kludt noch in weitere einschlägige Etablissements in Norddeutschland mit Namen wie "Funny Club" oder "Venus Club" investierte. Auch außerhalb des Rotlichtbezirks warfen seine Immobiliengeschäfte prächtige Gewinne ab. Der einstige Schlachtergeselle kam zu großem Wohlstand und hatte nicht das geringste Problem damit, das auch zu zeigen. Er ließ sich in einer Mercedes-Staatskarosse herumchauffieren, die zuvor Bankmanager Hermann Josef Abs gehört hatte. Als Pferdenarr und erfolgreicher Springreiter war er in der deutschen Reitsportszene eine bekannte Figur. Legendär war noch 2006 seine Angewohnheit, mit dem Hubschrauber von Hamburg ins 190 Kilometer entfernte mecklenburgische Gut Groß Viegeln zu fliegen, nur um seinem wertvollen Wallach "Clausen" den Kopf zu tätscheln.

Ein lukrativer Nebenjob

Die Ehe mit der Hamburger Milliardärin war da schon seit vielen Jahren geschieden. Kludt war längst anderweitig liiert, seinen Immobiliengeschäften blieb er treu. Und auch der Kontakt zum hilfsbereiten Finanzbeamten Burke war nicht abgerissen. Wie sich die Geschäftsbeziehung nach der ersten Begegnung entwickelt habe, schilderte Kludt im Dezember 2012 vor dem Hamburger Landgericht: Anfang der 1980er-Jahre habe ihn Wilhelm Burke nach einer Möglichkeit gefragt, Geld nebenbei zu verdienen. "Ich sagte ihm, das sei nicht einfach, weil er keine Rechnungen stellen könne", so Kludt weiter, "ich brachte ihn so mit vier von mir auch namentlich zu benennenden Herren zusammen, die Bordelle betrieben. Er machte für diese Betriebe die steuerliche Überwachung und erhielt dafür monatlich 3.000 D-Mark - und zwar 20 Jahre lang. Zum Teil wurden diese Beträge von ihm in den Läden abgeholt, teilweise wurden die Beträge auch in der Herbertstraße Nr. 3 deponiert, wo er sie dann abgeholt hat."

Großer Deal nach der Wende

Dann sei die Wende gekommen, so Kludt laut Protokoll, und Burke habe irgendwann gesagt, er sei jetzt Staatssekretär. Kludt: "Wir haben natürlich gratuliert und er äußerte, jetzt sei richtig Geld zu verdienen. Zum Beispiel sagte er einmal uns, das heißt der Wegner- und Kludt-Gesellschaft, dass man in Mecklenburg-Vorpommern eine Justizvollzugsanstalt bauen und diese an das Land für 30 Jahre vermieten könne." Dafür habe er die 600.000 D-Mark gefordert, gab Kludt vor Gericht an, "und zwar 100.000 gleich, weil er noch jemand anderem etwas geben müsste, 250.000 D-Mark, wenn der Vertrag fest sei und weitere 250.000, wenn der Bau fertiggestellt sei. Dies ist auch so abgewickelt worden." Eine Selbstbezichtigung und ein schwerer Korruptionsvorwurf, aktenkundig in einem deutschen Zivilgerichtsverfahren, ohne dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde. Erst nach Fernsehberichten drei Jahre später begann die Schweriner Staatsanwaltschaft zu ermitteln.

Eine florierende Geschäftsbeziehung

Wilhelm Burke wiederum gab in der Verhandlung immerhin zu, dass eine Geschäftsbeziehung bestanden hatte: "Ich muss dazu erklären", so Burke, "dass ich für die Gruppe Kludt und Wegner seit Jahren tätig war. Ich habe in diesem Zusammenhang ein monatliches Pauschalhonorar bezogen in Höhe von 10.000 Euro. Darüber hinaus gab es auch Erfolgshonorare." Das seien, berichtete Burke weiter, "vielleicht mal 20.000, 30.000 oder vielleicht auch einmal 50.000 Euro" gewesen. "Richtig große Geschäfte gab es dann erst Ende 2005 und 2006." Das war dann auch die Zeit, in der es, wie so oft unter Freunden, zum Streit über das Geld kam.

Weitere Informationen
Luftbild der JVA Waldeck © picture-alliance Foto: Jens Büttner

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 04.07.2014 | 05:00 Uhr

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Haushaltspolitik

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