MV-Wahlumfrage: "AfD schafft es, andere Parteien unter Druck zu setzen"
Die AfD gewinnt an Zuspruch in Mecklenburg-Vorpommern, die etablierten Parteien hingegen verlieren in der Gunst der Wähler. Das hat eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des NDR in MV ergeben. Die Reaktionen über die Zustimmungswerte reichen von Erklärungsversuchen bis Besorgnis.
Die Spitzen mehrerer Landtags-Parteien haben besorgt auf die hohen Umfrage-Werte für die AfD reagiert. Nach dem MV-Trend im Auftrag des NDR käme die AfD bei der "Sonntagsfrage" in Mecklenburg-Vorpommern auf 31 Prozent. Migration sei das Thema, mit dem sich die AfD eigentlich schon immer stark profiliert habe, die spannende Frage aus ihrer Sicht sei aber, warum es im aktuellen Wahlkampf eine so besondere Bedeutung hat, sagt die Politikwissenschaftlerin Corinna Kröber von der Uni Greifswald.
In ihren Augen klingt beim Themenkomplex um Geflüchtete, Einwanderung, Asylpolitik und Integration auch immer das Thema "innere Sicherheit" mit, so Kröber. Auch das Thema Fachkräftemangel würde da hineingehören, aber derzeit wenig diskutiert. "Die AfD schafft es, dieses Thema immer wieder auf die Agenda zu setzen und die anderen Parteien unter Druck zu setzen und sich zu diesem Thema zu profilieren", so Kröber. Dadurch steige dann die Bedeutung, die dieses Thema für die Öffentlichkeit hat.
Thema Migration: Andere Parteien "reagieren"
Nach Ansicht Kröbers positionieren sich zwar auch die "etablierten Parteien" zum Thema Migration, dies wirke "aber oft wie eine Reaktion auf die AfD", die von der Bevölkerung als diejenige Partei wahrgenommen werde, die bei diesem Thema ein klares Profil zeige. "Die verspricht sehr einfache Lösung für ein Set an sehr komplexen Problemen, die unter diesem Migrationslabel zusammengefasst werden." Andere Parteien würde es nicht in diesem Maß gelingen, ihre Lösungswege verständlich aufzuzeigen. "Und dadurch wird dann die AfD mit Problemösungsfähigkeit im Bereich Migration identifiziert." Das könne man in an den aktuellen Umfragen gut ablesen. Aktuelle Gewalttaten wie die in Magdeburg und Aschaffenburg würden dieses Thema im Wahlkampf noch zusätzlich beflügeln.
Landes-AfD spürt "Rückenwind"
AfD-Landeschef Leif-Erik Holm, der die AfD bei der Bundestagswahl zur stärksten Kraft in Mecklenburg-Vorpommern machen will, sieht den Kurs seiner Partei mit der Meinungsumfrage bestätigt. "Die neuesten Zahlen geben uns im Wahlkampf nochmals kräftig Rückenwind. Unser Ziel lautet stärkste Kraft mit 30 Prozent + X", so Holm. Seiner Meinung nach wollen "die Bürger in MV" einen "politischen Wechsel" und würden der Partei zutrauen, "die wirklichen Probleme" anzupacken und zu lösen. "Nur mit der AfD werden die Asylzahlen spürbar zurückgehen", so Holm, der eine "echte Migrationswende" nur mit seiner Partei möglich sieht.
CDU: Umfrage zeige "hohe Frustration"
Für Daniel Peters, Chef der Landespartei und CDU-Landtagsfraktion in MV, steht die Meinungsumfrage "unter dem Eindruck einer hohen Frustration". Die Politik hat seiner Ansicht nach "vor allem in den letzten drei Jahren massiv Vertrauen verspielt." Umfragen seien zwar Momentaufnahmen, im Vergleich zum Wahlergebnis 2021 stehe die CDU mit 21 Prozent "jetzt aber besser da" als bei der letzten Bundestagswahl. Bei der letzten Umfrage im Herbst kam die CDU in MV jedoch noch auf Zustimmungswerte von 25 Prozent - der Trend zeigt also nach unten. Im Wahljahr 2026 - gemeint ist die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern - will Peters mit seiner Landes-CDU noch einmal "deutlich zulegen."
SPD: Müssen "noch zulegen"
SPD-Generalsekretär Julian Barlen räumte ein, die SPD müsse bis zur Wahl "noch zulegen". Seiner Meinung nach gehe es für die Sozialdemokraten jetzt darum, die Wirtschaft anzukurbeln, Jobs zu sichern und für eine verlässliche Rente zu sorgen. Mit Blick auf die Umfragewerte für die AfD sprach Barlen davon, die SPD sei "das Bollwerk gegen die AfD."
Migration als dringlichstes Problem an der Spitze der Umfrage
Wichtigster Themenkomplex bleibt der Umfrage zufolge für die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern Zuwanderung, Integration und Asylpolitik. Allerdings ist der prozentuale Anteil derjenigen, denen das Thema auf den Nägeln brennt, seit der letzten Umfrage im Herbst 2024 um fünf Punkte auf 26 Prozent gesunken. Nur knapp dahinter liegt mit 24 Prozent der Themenkomplex Bildung, Schule und Ausbildung, den immer mehr als Problem ansehen, gefolgt von der Wirtschaft.
Grüne und Linke in vorsichtiger "Aufbruchstimmung"
Der Landesvorsitzende der Linken, Hennis Herbst, zeigte sich besorgt. Zwar sind die Zustimmungswerte der Linken wie auch die der Grünen im jüngsten MV-Trend leicht gestiegen, aber es zeige sich, "dass die Diskursverschiebung nach rechts, wie sie gerade vom Kanzlerkandidaten der Union betrieben wird, nur dem rechten Original nützt", so Herbst. Er rief die "demokratischen Kräfte" dazu auf, "gemeinsam mit sozialer, humanitärer und gerechter Politik auf die Alltagssorgen der Menschen zu reagieren" anstatt "auf die rassistische Debatte" aufzuspringen. Nun gelte es für die Linke, die "Aufbruchstimmung" in Wahlergebnisse zu übersetzen.
Auch die Grünen in MV, die nun nach der Herbstumfrage wieder über der Fünf-Prozenthürde stehen, sehen sich mit der Ausrichtung ihrer Politik auf Natur, Klima und ein bezahlbares Leben für alle Menschen bestätigt. Die Landesvorsitzende Katharina Horn sprach von einer "Momentaufnahme" in einer politisch sehr dynamischen Lage.
FDP gibt sich selbstbewusst
René Domke, Fraktionschef der FDP, die in der aktuellen Umfrage erneut deutlich unter der Fünf-Prozenthürde bleibt, sagte, Deutschland brauche eine politische Neuausrichtung, dazu brauche es eine starke FDP. "Ich bin überzeugt, dass sich das vielleicht noch nicht in Umfragen, aber dann an den Wahlurnen ausdrücken wird", so Domke.
BSW bezweifelt Umfrage und unterstellt NDR "eigene Interessen"
Friedrich Straetmanns, Spitzenkandidat des BSW und Staatssekretär im links geführten Justizministerium in MV, zweifelt die Aussagekraft der repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap an. Seiner Ansicht nach ist der Wahltrend durch seine "hohe Zahl an Online-Ergebnissen" nur "begrenzt aussagekräftig". Dem NDR, der die Umfrage bei dem Meinungsforschungsinstitut in Auftrag gegeben hat, unterstellt Straetmanns "eigene Interessen". "Daher handelt es sich nicht um wissenschaftliche, objektive Ergebnisse", so Straetmanns knappe Argumentation. Das BSW verspüre im Straßenwahlkampf Zuspruch und Rückenwind für BSW-Positionen, so Straetmanns.