Thomas Tweer (parteilos) im Interview mit dem NDR. © NDR Screenshots Foto: NDR Screenshots

Thomas Tweer: "Mehr Dynamik nach Schwerin bekommen"

Stand: 15.05.2023 06:00 Uhr

Thomas Tweer (54) sieht sich als Kandidat der bürgerlichen Mitte. Er ist parteilos und wird von der CDU, FDP und den Unabhängigen Bürgern in der Oberbürgermeisterwahl unterstützt. Seine Pläne für die Wirtschaft in Schwerin verrät er im Interview mit dem NDR.

Thomas Tweer: Hallo.

Grüß Sie - wo soll es für Sie denn hingehen?

Tweer: Ja, wir fahren erstmal Richtung Fernsehturm. Wir sind ja in Mueßer Holz. Das ist ja der größte Stadtteil, den wir überhaupt haben. Insgesamt mit den beiden anderen hat der Große Dreesch ja knapp 25.000 Einwohner. Ein Viertel der Bevölkerung. Das ist schon enorm viel. Und hier haben wir knapp 12.000 Bewohnerinnen und Bewohner. Das ist enorm. Auch viele dann mit Migrationshintergrund.

Linksrum?

Tweer: Nee zum Fernsehturm müssen wir jetzt rechts fahren.

Ich dachte wir fahren jetzt Crivitzer Chaussee.

Tweer: Nee Fernsehturm wollten wir einmal. Mir ist wichtig zwei Themen hier zu besprechen einmal. Zum einen habe ich die Idee, die ganzen Wohnhäuser, die wir hier sehen, die ja zum Großteil der städtischen Wohnungsgesellschaft WGS gehören, und auch andere Gebäude mit sogenannten Flächenkraftwerken auszustatten. Also PV-Anlagen. Jetzt rechts. Das heißt, dass wir oben drauf diese Flächenkraftwerke setzen. Dass wir so auf Freiflächen, das sind tausende von Quadratmeter, regenerativ, nachhaltig Strom erzeugen.

Also Photovoltaikanlagen.

Tweer: Genau, ich nenne sie Flächenkraftwerke. Mir ist ganz, ganz wichtig, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Häuser, wo die Flächenkraftwerke drauf sind, davon wirtschaftlich profitieren. Das muss man prüfen, wie das genau gehen kann. Ob die weniger Miete zahlen oder weniger für den Strom bezahlen oder sich in irgendeiner Form daran beteiligen können. Das ist wichtig. Also nachhaltige Energieerzeugung. Und die Menschen, die da wohnen müssen davon profitieren. Das ist, finde ich, operativ, praktische Nachhaltigkeit. Nicht ideologisch diskutiert sondern ganz praktisch, handfest. Und vor allem auch sozial verträglich. Es bringt nichts, wenn wir irgendwelche anderen Investoren haben, die daran Geld verdienen. Sondern wir brauchen dafür lokale Investoren. Vielleicht Stadtwerke und andere lokale, die das dann machen. Und die Bewohnerinnen und Bewohner müssen davon also auch was spüren. Wir würden jetzt rechtsfahren gleich.

Rechts?

Tweer: Genau, Richtung Crivitzer Chaussee. Weiteres Thema ist, auch hier weiteren Wohnraum zu schaffen. Nicht nur hier, aber auch an anderen Stellen für Menschen mit Behinderungen. Das mache ich im Hauptberuf, ich bin Diakonie-Chef. Man hat eh schon Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Umso mehr haben Menschen mit Behinderungen dann diese Schwierigkeiten. Und das dritte Thema, da gibt es ja die große Diskussion der sogenannten Segregation. Dass wir also eine Trennung haben von Menschen, die viel Geld haben und die wenig Geld haben. In der Wohnsituation.

Genau, die leben immer mehr zusammen.

Tweer: Getrennt - also die sind sehr getrennt in Schwerin. Da sind wir leider auf einem Spitzenplatz.

Was denken Sie woran liegt das?

Tweer: Was hilft ist das Entscheidende. Was hilft sind zwei Aspekte. Bildung und Arbeit. Nichts anderes. Und das ist ein Marathon. Das geht nicht von heute auf morgen. Da braucht man ganz, ganz viel Geduld. Da reicht auch eine Amtsperiode von sieben Jahren definitiv nicht aus. Was man kurzfristig machen kann, das geschieht zum Teil auch, sind Programme die man aufsetzt mit Fördermitteln. Um dann halt Kindern Bildung zukommen zu lassen und Arbeit für die Eltern zu haben. Und da muss man sicherlich hier und da auch mit ein bisschen Nachdruck drangehen, dass Menschen, die arbeitsfähig sind, tatsächlich dann auch arbeiten. Und alle Programme, die wir da machen, müssen sich meiner festen Überzeugung nach an den beiden Begriffen Bildung und Arbeit orientieren.

Was meinen sie mit Nachdruck?

Tweer: Wir haben ja auch Leute, die durchaus arbeitsfähig sind und einfach nicht arbeiten. Und wir haben einen riesigen Fachkräfte- und Hilfskräftemangel. Und es kann doch nicht sein, dass wir Dienstleistungen zum Beispiel in Form von Rasenmähen, Gartenpflege, Winterdienst, Reinigungsarbeiten und andere Dinge nicht ausführen können, weil wir keine Leute haben und auf der anderen Seite mit knapp neun Prozent Arbeitslosigkeit noch eine relativ große Arbeitslosigkeit haben. Da muss man mehr Druck erzeugen. Bildung bei Kindern ist wichtig. Das Leben ist so spannend. Wir sind doch hier in einer wunderschönen Stadt. In einer wunderschönen Lage. Und da kann man soviel interessante Dinge mit Kindern machen. Und Bildung ist dort einfach der entscheidende Punkt. Man muss Kinder interessieren.

Also heißt das, dass man Kinder auch aus den Schulen rausnimmt und einfach zeigt, was es gibt.

Tweer: Genau, man hat einen Erziehungsauftrag als Eltern. Und den muss man auch wahrnehmen. Und da muss man sicher auch Eltern ein Stück weit begleiten. Wenn ich jetzt einmal, wir fahren gerade am Zoo vorbei. Links haben wir ein großes städtisches Grundstück. Das ist jetzt ein Themenwechsel. Weil das dann doch relativ schnell geht hier. Ich habe ja die Vorstellung, wenige Autos in der Innenstadt zu haben. Und da ist eine der Ideen intelligente, smarte Park-and-Ride-Systeme zu installieren. Also für die Leute, die von außerhalb zum Arbeiten nach Schwerin reinfahren. Dass wir es erschweren, dass die in Schwerin reinkommen. Dort Parkplätze kriegen, sondern die müssen wir außen vor lassen. Und dafür diese intelligenten Park-and-Ride-Systeme. Das stelle ich mir so vor, dass wir auch wieder PV-Anlagen überdachte Parkplätze schaffen, wo Menschen, die ein Elektro-Auto haben, ihr Auto dort laden können. Die Menschen, die konventionellen Antrieb haben, können dann dort parken. Und dann entweder mit dem öffentlichen Personennahverkehr oder bei schönem Wetter, wie heute, auch mit einem E-Bike oder Fahrrad dann weiterfahren, dort wo sie dann hinmüssen. Und das ist meine Vorstellung, dass wir dann auch so Parkboxen für Fahrräder, E-Bikes und so weiter dort vorhalten. Auch die Möglichkeit, dort für einen kleinen Euro sich was zu leihen an Fahrrädern. Und so auf jeden Fall den Verkehr, der durch die Arbeit nach Schwerin kommt und abends wieder rausfährt, außen vorlassen aus Schwerin.

Da würde ich jetzt kurz mal einhaken. Ich gehöre auch zu den Pendlern, die täglich reinkommen. Und wenn ich mir das vorstelle, ich habe einen guten Acht-Stunden-Tag. Komme morgens irgendwie rein, hab schon ne Stunde im Auto. Ist das wirklich realistisch, dass die Leute dann noch ihr Auto abstellen? Ich habe noch einen konventionellen Wagen - altes Dieselfahrzeug. Und dann aufs E-Bike umsteigen. Glauben Sie, dass man die Menschen da überzeugen kann?

Tweer: Es ist, glaube ich, auch ein Stück Gewöhnung und man wird dort auch sicher ein Stück Überzeugungsarbeit und auch Druck leisten müssen. Was ist in den letzten vier Jahren nicht alles passiert, was wir uns nicht haben vorstellen können. Wir haben uns an Masken und alles Mögliche gewöhnt. Ich glaube, man kann sich auch an Dinge gewöhnen. Wir müssen das aber begleiten auch durch einen Nachdruck, dass wir sie - sorry - also auch solche Menschen, die zum Arbeiten nach Schwerin reinkommen, das halt ein Stück schwerer machen, in Schwerin einen Parkplatz zu finden, sondern attraktive Angebote machen außerhalb dessen. Und es hängt natürlich auch mit der Taktung des öffentlichen Personennahverkehrs zusammen. Das ist ein Gesamtkonzept, was wir entwickeln müssen. Aber es geht in anderen Städten auch, warum soll das in Schwerin nicht funktionieren.

Jetzt werden wir mal ein bisschen persönlicher. Sie sind gelernter Krankenpfleger.

Tweer: Nein.

Sind sie nicht.

Tweer: Ich bin Altenpfleger.

Sie sind gelernter Altenpfleger. Und waren jetzt letztendlich Geschäftsführer bei der Diakonie. Welche Voraussetzungen oder Eigenschaften oder vielleicht auch Vorteile bringen sie mit für dieses Amt?

Tweer: Vielleicht kann ich das noch ein bisschen ergänzen. Ich habe mal vor langer Zeit katholische Theologie studiert, abgeschlossen. Und durch ein Praktikum in einem Sterbehospiz - wir haben so Sozialpraktika zu absolvieren gehabt. Den Zugang zur Sozialbranche bekommen. Und hab gedacht, das kann ich mir beruflich vorstellen in dem Bereich. Und hab von der Piecke auf mein Fach gelernt. Wir fahren jetzt rechts zum Schloss.

Wir wollten aber Obotritenring fahren.

Tweer: Dann fahren Sie Obotritenring - dann will ich aber gleich noch erzählen, was ich zum Schloss erzählen wollte. Ich hab berufsbegleitend hinterher noch Betriebswirtschaftslehre studiert. Bin also auch Diplomkaufmann. Ich glaube, dass zum einen die Vielfältigkeit der Ausbildung schonmal eine hervorragende Voraussetzung ist. Ich bin einer von zwei Geschäftsführern der Diakonie Westmecklenburg-Schwerin. Das ist ein großes Sozialunternehmen. Wir haben auch viele Einrichtungen in Schwerin. Von Kitas, Schulen, Behinderten- und Altenhilfe. Und bilden einfach die gesamte Bandbreite der Bevölkerung ab. Und ich mag einfach Menschen. Und ich glaube einfach, dass diese Berufserfahrung, Führungskompetenz, aber auch Sozial- und Wirtschaftskompetenz in der Verbindung hervorragend sind, um ein solches Amt dann auch auszuführen.

Sie sind auf der "Mehr zuhören Tour" - was bekommen Sie von den Schwerinerinnen und Schwerinern so zu hören? Beziehungsweise, was überrascht Sie auch?

Tweer: Zunächst mal ist es interessant. Man lebt ja so in seiner Welt und man lernt Schwerin nochmal ganzheitlicher oder in der gesamten Breite kennen. Also ich erlebe viele, viele tolle Menschen. Ich erlebe aber auch viel, viel Frustration. Genau, dass das von einigen Politikern nicht gemacht wird. Dass die mal zuhören und auch dort hingehen, wo es denn auch mal weh tut. Oder wo auch Leute sagen, Mensch ihr nehmt mich mit euren Sorgen schlicht und ergreifend nicht ernst. Ich gehe bewusst auch in Unternehmen, Vereine, sonstige Institutionen. Oder treffe mich so auch mit Leuten, die unzufrieden sind. Um das aufzunehmen. Und auch zu sagen, ich kann dir hier nichts versprechen, was ich hinterher nicht einhalten kann. Aber ich höre wenigstens mal zu und ich versuche auch, dort wo es vielleicht geht, durch eine Vermittlung von Kontakten helfen. Oder zu sagen, man kümmert sich hinterher auch drum. Wenn ich denn Oberbürgermeister bin, um die Sache. Aber ohne falsche Versprechungen zu machen. Man kommt auf Themen, die im Großen vielleicht klein und unbedeutend sein mögen.

Das Thema Sicherheit ist ein Thema. Wir haben in Mueß, aber auch in Lankow zum Beispiel an einer Haltestelle eine schwierige Beleuchtungssituation. Das haben mir so zwei, drei ältere Damen gesagt, da gab es einen Baumschnitt. Aber offenbar ist dort, wo die Laternen sind, die Straßenlaternen, da sind die Bäume nicht zurückgeschnitten worden. So dass sie zwar leuchten, aber nicht die Leuchtkraft auf den Boden bringen. Und da ein Stück weit natürlich auch Unsicherheit erfolgt.

Mir begegnet auch viel Frustration, dass es auch viele Demonstrationen hier gab. In Schwerin mit viereinhalbtausend Leuten und mehr. Also ich bin nun weiß Gott kein Anhänger oder kann auch die Position des Anmelders dieser Demonstration nicht nachvollziehen. Ich kenne aber doch dutzende von Leuten, die da mitgelaufen sind. Und das sind keine radikalen Leute. Die sind weder links- noch rechtsradikal. Das sind mal Linke, mal konservative Leute. Leute die einfach mit dieser Demonstration zum Ausdruck bringen wollten, ihre Unzufriedenheit. Und ich habe da gesagt und das würde ich auch tun. Wenn ich Oberbürgermeister werde und hier viereinhalbtausend Leute demonstrieren. Die kommen nicht alle aus Schwerin aber ein Großteil kommt aus Schwerin. Da muss man mit den Menschen sprechen. Es kann nicht sein, dass wir sagen, spiel nicht mit den Schmuddelkindern, viereinhalbtausend Leute - und wenn da zweitausend aus Schwerin dabei sind, sind das immer noch zwei Prozent der Bevölkerung - dass man mit den Menschen nicht spricht. Das muss man tun und das hat viel, viel Frustration erzeugt. Dass man dort in eine Ecke gestellt worden ist, durch Teile der Politik, in die man nun wirklich nicht gehört. Das sind so zwei, drei Punkte, die mir immer mal wieder begegnen. Beleuchtung jetzt nicht so oft. Aber für einzelne Menschen ist das ein großes Problem. Mehr bin ich doch auf das zweite Thema, die Demonstrationen angesprochen worden.

Wo denken Sie hat Schwerin ein Sicherheitsproblem. Oder wie bekommt man auch die steigenden Gewaltdelikte in den Griff? Hat man da eine Handhabe?

Tweer: Man muss die Brennpunkte lokalisieren. Und das Thema Sicherheit ist ja zum Beispiel auf dem Marienplatz doch ein Thema, wo sich viele Menschen unsicher fühlen. Wenn ich mit gestandenen Geschäftsfrauen rede und die sagen, sie trauen sich abends nicht mehr über den Marienplatz zu gehen. Dann muss ich das doch ernst nehmen das Thema. Insofern spreche ich mich ausdrücklich für die - was wir auch haben - die Kamera-Überwachung dort aus. Ich hab auch aus den Gesprächen mehrfach gehört, zum Beispiel vom Leiter eines Jugendclubs, das war auch interessant, dass sich da auch junge Mädchen aber auch junge Jungs oder auch andere gestandene Persönlichkeiten kaum trauen, abends durch den Tunnel in der Lübecker Straße zu gehen. Und da würde ich mich für Beleuchtung aber auch für Kamera-Überwachung dort aussprechen. Ausdrücklich. Weil das Thema Sicherheit ernst zu nehmen ist. Das ist ein Gefühl immer, klar. Es ist nicht nur ein Gefühl, das ist auch objektiv so. Ich habe einen Einzelhändler auf dem Marienplatz besucht. Und der hat mir auch Bilder von seinem Laden gezeigt, den er blutverschmiert durch eine Messerstecherei wieder aufgefunden hat. Und das sind ja keine virtuellen Geschichten. Auch das ist kein radikaler Mensch. Das ist einfach ein großes Problem, welches wir da haben.

Bekommt man das allein durch Video-Überwachung geregelt?

Tweer: Ja, das wollte ich gerade weiter sagen. Wir müssen natürlich auch das Thema Polizeipräsenz bespielen. Das kann man als Oberbürgermeister nicht tun. Man kann sich aber zumindestens an den entscheidenen Stellen dort mal in Kontakt setzen und sagen, dass wir dort das auch mehr brauchen. Das weitere große Thema ist in dem Bereich auch das Thema der Prävention. Wir brauchen - da haben wir auch hervorragende Streetworker zum Beispiel - wir brauchen da die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Wir müssen in den Schulen dort auch viel Überzeugungsarbeit machen. Das geht auch alles nicht von heute auf morgen. Wie das Thema Bildung halt auch. Man muss dann auch deutlich weitermachen, dort wo es gut läuft. Oder wo nichts geschehen ist anfangen. Das Thema ist immer fordern und fördern. Man darf das Fordern von Menschen aber auch nicht vergessen.

Mir ist wichtig zum Thema Migration auch nochmal eine Haltung rüberzubringen. Es ist ein komplexes Thema und der eine oder andere hat dort einfache Antworten. Die habe ich definitiv nicht. Ich sehe das sehr differenziert. Wir haben Menschen, die ich aus meinem beruflichen, aus meinem privaten Umfeld kenne, die geflüchtet sind aus grausamsten Situationen, die alles geben, um sich hier zu integrieren. Ich habe auch da ein bisschen helfen können. In der Firma haben wir ein Projekt, wo wir Leute unterstützen. Und die einen hervorragenden Job hier machen. Wir brauchen dringend Leute, die hier arbeiten. Weil wir in vielen Bereichen Fach- aber auch Hilfskräftemangel haben. Und da gibt es wie gesagt berührende Geschichten, hervorragende Beispiele von Menschen, die aus Flüchtlingssituationen kommen und sich hier integrieren in Form, dass sie deutsch lernen, dass sie unsere Wertevorstellung - Frauenbild und so weiter - akzeptieren. Da braucht man ein bisschen Geduld, da brauchen die Menschen Begleitung. Das würde uns nicht anders gehen, wenn wir uns in die Lage versetzen, dass wir auf einmal nach Syrien flüchten müssten oder nach Afghanistan flüchten müssten. Und dort uns heimisch fühlen sollten. Das ist nicht ganz einfach. Aber solche Geschichten gibt es. Es gibt aber auch Menschen, die einfach deutliche Probleme machen. Und das muss man einfach auch sehr, sehr klar sagen. Und wir haben auch ein Problem mit Menschen, die hier keinen dauerhaften, kein dauerhaftes Bleiberecht haben. Und mit denen müssen wir auch schon sehr, sehr deutlich reden, dass die dann auch zurückreisen. Weil wir ein Rechtsstaat sind. Also wenn jemand die Voraussetzung für ein dauerhaftes Bleiberecht nicht erfüllt, müssen wir dann auch konsequent handeln. Und zunächst mal mit den Menschen reden und sie bitten, zurückzureisen. Wenn das nicht geht, dann auch mit einem deutlichen Nachdruck das einfordern.

Also abschieben.

Tweer: Ich rede von Rückreisen. Es handelt sich nicht um Stückgut. Wir reden über Menschen. Das ist ganz, ganz wichtig. Aber wir reden auch über Menschen, die hier sind, immer schon hier sind. Insofern ist das meine differenzierte Sichtweise. Also Menschen herzlich willkommen. Die bereit sind hier zu arbeiten. Die Deutsch lernen wollen. Und da bin ich auch gerne bereit, zu helfen. Wie gesagt, das mache ich im privaten und beruflichen Umfeld auch. Aber Leute, die das nicht wollen. Da müssen wir dann auch konsequent sein - in beide Richtungen.

Sie ärgern sich über die abends verwaiste Innenstadt, so früh Küchenschluss. Dann sprechen Sie auch - ich sage es mal in meinen Worten - von redundanten Veranstaltungen. Oder ohne jeglichen Wiedererkennungseffekt. Was würden Sie da ändern wollen?

Tweer: Ich würde zum Beispiel das Altstadtfest mal ansprechen wollen. Das Altstadtfest hat meiner Meinung nach keinen Bezug zu Schwerin. Meine Vorstellung wäre, dass wir zum Beispiel ein Fest des Welterbes durchdenken zum Beispiel. Oder wir haben sieben Partnerstädte. Wie wäre es denn, wenn wir eine Legislatur eines Oberbürgermeisters, das dauert ja auch sieben Jahre, jedes Jahr ein Fest machen mit einer Partnerstadt. Dass wir die rüberholen zum Beispiel und, dass wir im Bereich kulinarischer Versorgung, dass wir im Bereich Kultur, Musik - ein bisschen was geschieht da schon - aber im Bereich Wirtschaft und anderer Dinge mehr eine Verbindung aufbauen können zu den Partnerstädten. Und als ein Beispiel solche Feste dann auch in Schwerin auch kreieren. Mir ist es wichtig, und das höre ich aus meinen Gesprächen auch immer wieder, dass wir dort mit allen Beteiligten auch zusammen mal reden. Also auch mit dem Einzelhandel, mit den Gastronomien, mit den Cafés und anderen mehr und ein Gesamtkonzept daraus machen. Ich höre viel Unzufriedenheit dort, weil man sich nicht einbezogen fühlt. Und wir müssen das auf Augenhöhe gestalten. Und das sind so zwei Ideen, die man gut umsetzen könnte. Ich will ein Klima -

Hier müssen wir jetzt lang.

Tweer: - ein Klima kreieren, wo wir schlicht und ergreifend mehr Dynamik nach Schwerin reinbekommen. Das ist ganz, ganz wichtig. Wir müssen das Thema Belebung der Innenstadt deutlich thematisieren. All das was ich anhabe, habe ich in Schwerin gekauft. Trotzdem muss man ja ehrlich sein - der Einzelhandel wird aufgrund von Amazon und Co einfach zurückgehen. Das ist so. Da müssen wir jetzt reagieren. Und wie wäre es denn, wenn wir beispielsweise mal mit den beiden Innenstadtcentern sprechen und sagen, könnt ihr euch nicht vorstellen, zum Beispiel ein Kongresszentrum in die oberste Etage dann zu bauen. Einzelhandel geht zurück. Wir haben da in der Perspektive erwartbar größere Leerstände und wir müssen jetzt Ideen entwickeln, wie man diesen Leerständen begegnen kann, aber wie man auch Leben nach Schwerin in die Innenstadt bekommt. Wir sind Landeshauptstadt. Wir sind in Vielem als Landeshauptstadt nicht erkenntlich. Wir haben nicht die Möglichkeit einen Bundesparteitag oder so durchzuführen oder einen internationalen Ärztekongress.

Also ihnen fehlt die Sichtbarkeit zum Beispiel.

Tweer: Die Sichtbarkeit fehlt mir, die Dynamik fehlt mir. Auch das Thema Hochschule ist ein Riesenthema, das ich auch mit ins Spiel gebracht habe. Wir sind die einzige Landeshauptstadt in Deutschland ohne staatliche Hochschule. Wir sind so eine grandiose Stadt. Die ganzen Seen, Hamburg ist erreichbar.  Die Ostsee ist erreichbar. Berlin ist nicht unerreichbar. Grandiose Voraussetzungen. Aber die einzige Hauptstadt, die keine Hochschule hat. Das nutzen wir zu wenig, das ganze Pozenzial. Wir sind auch die Landeshauptstadt mit der ältesten Durchschnittsbevölkerung. Und beim Thema Hochschule bespiele ich im Wesentlichen zwei Aspekte.

Zum einen, mehr Leben in die Bude nach Schwerin zu bekommen. Junge Menschen bringen Leben rein. Bringen nochmal eine andere Form der Kultur nach Schwerin. Wir haben wunderbare kulturelle Veranstaltungen hier, überhaupt gar keine Frage. Das will ich auch in keinster Weise kleinreden. Aber wir brauchen das, was man mehr so Subkultur nennt. Zimmertheater, Wasserturm Neumühle oder solche Dinge mehr. Da brauchen wir viel mehr Leben. Und ich kriege von Kneipen beispielsweise oder von Easy-Jump, das ist eine Indoor-Jump-Halle, auch Rückmeldungen, die sagen: Mensch Thomas, wir brauchen diese Hochschule, um Arbeitskräfte eben auch zu bekommen. Wir brauchen dort sehr, sehr viel mehr Leben in Schwerin - das geht auch mit jungen Leuten. Unsere Söhne werden unsere Region irgendwann einmal sicherlich verlassen. Und das ist auch völlig in Ordnung. Wir haben dem nicht wirklich etwas entgegenzusetzen. Man kommt mit 19, 20, 21 nicht nach Schwerin. Deshalb sind wir auch die Landeshauptstadt mit der ältesten Bevölkerung.

Thema Wirtschaft - ich habe gesagt, dass ich das Thema Wirtschaft zur Chefsache machen möchte. Und eine staatliche Hochschule hat natürlich für die Wirtschaft zwei ganz existenziell wichtige Aspekte. Das Thema Personalmangel ist ein existenzielles Problem für ganz, ganz viele Firmen. Wir brauchen eine staatliche Hochschule auch mit Wirtschafts- und Technikaffinität, um das Thema Forschung nach Schwerin zu bekommen. Zahlreiche Firmen sagen mir, dass sie Studenten haben im Rahmen des dualen Studiums. Die Studenten müssen sie dann aber wegschicken. Und die kommen dann möglicherweise auch nicht wieder. Und deshalb ist das ein Aspekt, die Gewinnung von Fachkräften. Wir brauchen aber auch das, was man Wissenstransfer nennt zwischen technischen Hochschulen und Firmen, die sich im Bereich Digitalisierung und in anderen technischen Bereichen dort bewegen. Um halt branchentechnische Innovation zu ermöglichen, um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Und es gibt Studien, die ganz klar belegen, dass kleine und mittelgroße Städte mit Hochschule sehr viel mehr Dynamik haben und sehr viel mehr auch langfristige, wirtschaftliche Schlagkraft haben.

Was glauben Sie was passiert mit Schwerin wenn das alles nicht kommt?

Tweer: Ja wir sind, wie gesagt, die älteste Landeshauptstadt Deutschlands. Das wird dadurch nicht besser. Wir stehen in knallharter Konkurrenz zu anderen Städten. Und andere Städte entwickeln sich natürlich auch. Und da fallen wir halt deutlich weiter zurück. Wir haben uns entwickelt, aber nicht schnell genug entwickelt. Andere Städte schlafen nicht. Und gerade um das Thema Fachkräfte nochmal zu bemühen - dann sind die Firmen hier nicht entwicklungsfähig. Dann würden möglicherweise Firmen auch wieder abwandern. Zumindest an anderen Standorten ihre Produktion oder ihre Forschung richten, wenn das nicht geschieht. Also das ist dramatisch und man sieht die Dramatik insbesondere, wenn man mit den Firmen dann so spricht.

Was wären die großen Konkurrenzstädte?

Tweer: Man kann natürlich Hamburg oder auch Rostock natürlich nennen. Aber manchmal kommen auch Firmen aus Süddeutschland oder wo auch immer auf uns zu, weil wir hier so tolle Rahmenbedingungen schlicht und ergreifend haben. Aber in letzter Konsequenz kommen sie nicht, weil wir keine Forschung haben. Ich will nochmal einen Satz auch zum Thema Intel sagen. Ich will nicht groß drüber reden ob das jetzt gut oder schlecht war, dass Intel nicht gekommen ist. Man muss aber knallhart analysieren, warum sie nicht gekommen sind. Das Thema Grundwasser war letztendlich kein Problem. Ich hab mit der WAG gesprochen. Das hätte man - mit großem Aufwand sicherlich - man hätte es aber hinbekommen. Das Thema war, dass wir keine Forschung haben. Und da muss man Konsequenzen draus ziehen. Da muss man wirklich mit Kraft auch gegenüber der Landesregierung, mit Hilfe der IHK, mit Hilfe des Fördervereins, auch mit dem Vorstand, mit Hilfe von Pro Schwerin, mit Hilfe von Firmen einfach Druck auf die Landesregierung machen, hier Hochschulstrukturen reinzukriegen. Das heißt, wenn in Wismar, wenn in Stralsund, Neubrandenburg, wo auch immer, Greifswald neue Forschungsbereiche zum Beispiel aufgebaut werden, dann muss ein Oberbürgermeister sich gegenüber der Landesregierung und auch gegenüber den anderen Playern massiv dafür einsetzen, dass wir hier in Schwerin was davon abkriegen. Und das sind erste Schritte Richtung einer staatlichen Hochschule.

Herr Tweer, warum kommen wir hier nochmal zusammen?

Tweer: Wir haben ja hier ein Thema, wenn wir Fachkräfte nach Schwerin locken wollen und da in Konkurrenz zu anderen Städten und anderen Regionen stehen, müssen wir das Thema wohnen bedienen. Wir haben hier den Kirschdorfer Weg. Da sind noch acht, neun, zehn Bauplätze frei. Das ist eine Situation, die wir lange nicht hatten, dass wir in Schwerin Bauland ausweisen, das nicht sofort weg ist. Wir haben aber dahinter, das ist in dieser Richtung ungefähr das große Warnitzer Feld. Dort ist die Idee, die ich hervorragend finde, dass wir dort Wohnraum schaffen in unterschiedlicher Form. Vom Einfamilienhaus bis zum Fünfgeschösser und da möglicherweise noch Arbeit und Wohnen verbinden können. Das ist ganz hervorragend. Da ist meine Idee aber, da muss die Stadt das ganz direkt an die Häuslebauer vermarkten. Um die Baupreise einigemaßen im Griff zu haben. Dann sehen wir da hinten, oder ahnen, die Gleise, die da sind. Ich bin ja dafür, dass wir das Straßenbahnnetz ausbauen. Und wir haben hier ja Gleise, wo die ODEG fährt. Eine private Eisenbahngesellschaft. Diese Verträge laufen in den nächsten vier, fünf Jahren aus. Und es besteht die Möglichkeit, mit sogenannten zwei oder mehr Systemfahrzeugen diese Fahrzeuge auf die Straßenbahnschienen zu setzen und auch auf solche Eisenbahnschienen. Und das ist die Idee, dass wir das Straßenbahnnetz in einem ersten Schritt derart ausbauen und dann hier mit einer Straßenbahn fahren können, direkt nach Schwerin. Und man nicht von einer Bahn in die Straßenbahn umsteigen muss, um weiterfahren zu können.

Und darüber hinaus habe ich die Idee, zum Beispiel nach Friedrichstal, die Straßenbahn in der Perspektive auszubauen. Dafür gibt es Bundesmittel, Fördermittel. Und das ist in den letzten drei, vier Jahren auch schonmal angegangen worden. Das ist leider nicht schnell genug weiter gegangen, das ganze Thema. Da würde ich mich intensiv für einsetzen. Weil wir, wie wir es hier erleben, Wohnen, Mobilität im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs, aber auch Einkaufsmöglichkeiten und andere Möglichkeiten verbinden müssen. Leben, ich bin Familienvater, leben muss funktionieren. Und wenn wir irgendwo Wohngebiete hinsetzen, wo wir nicht für eine Infrastruktur sorgen, erzeugen wir mehr Mobilität. Das ist ganz zwangsläufig. Weil man für jeden Liter Milch fünf Kilometer fahren muss. Dann ist mehr Mobilität nötig, als das beispielsweise hier notwendig wäre.

Herr Tweer ich danke Ihnen für das Gespräch.

Tweer: Ich danke Ihnen!

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NDR 1 Niedersachsen | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 15.05.2023 | 06:00 Uhr

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