Studie zeigt: Hechte im Bodden werden weniger und offenbar schlauer
Der Bestand an Hechten rund um Rügen sinkt. Eine Studie zeigt nun, dass ein Grund dafür auch die Freizeit-Angler sind. Forscher empfehlen Einschränkungen. Die Untersuchung zeigt auch: Boddenhechte haben offenbar gelernt, dass von Ködern Gefahr ausgeht.
Angel-Guide Jörg Schütt startet den Motor des Bootes. Zusammen mit seinem Gast aus Magdeburg fährt er auf den Barther Bodden raus. Sie wollen Hecht angeln. Doch so große Fische wie noch vor ein paar Jahren fangen Angler hier nicht mehr so leicht, sagt Jörg Schütt. Dieses Gefühl, das Angler haben, bestätigt nun auch eine wissenschaftliche Studie.
Drei- bis viermal mehr Hechte in Schutzgebieten
Forscher vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei und der Berliner Humboldt-Universität haben untersucht, wie sich die Fänge in Schutzgebieten und Angelrevieren unterscheiden. Angler wie Jörg Schütt haben sie dabei unterstützt. Die Ergebnisse zeigen einen Effekt des Angelns in den vorpommerschen Boddengewässern. "In den Schutzgebieten haben wir drei- bis viermal mehr Hechte gefangen als in den Bereichen, in denen geangelt wird", sagt Robert Arlinghaus, Professor für Integratives Fischereimanagement an der Humboldt-Universität Berlin.
Die Fische werden offenbar schlauer
In den Schutzgebieten sind den Forschern außerdem mehr von den ganz großen Fischen an die Angel gegangen, die einen Meter und länger sind. Ob das daran liegt, dass in den Angelrevieren so viele große Hechte entnommen wurden, oder ob diese Tiere besonders clever sind, das können die Forscher aber nicht sicher sagen. Sie haben aber Indizien dafür, dass die Hechte in den Gebieten, in denen geangelt wird, dazugelernt haben. Diesen Eindruck hat auch Angel-Guide Jörg Schütt. Er angelt seit ein paar Jahren fast nur noch im flachen Wasser, dicht am Schilf. "Die Hechte stehen fast nur noch im Schilf", sagt er. So fährt er auch heute mit seinem Gast nicht weit raus, sondern bleibt dicht am Ufer. Sie wollen einen Hecht rauslocken, werfen ihre Angeln mit den Kunstködern aus und ziehen sie durchs Wasser.
Interessieren sich zwar für den Köder, beißen aber nicht an
In den Angelrevieren in den Bodden um Rügen scheinen die Hechte das aber teilweise zu durchschauen. "Wir haben beobachtet, dass die Hechte den Ködern in den befischten Gebieten nachschwimmen, aber nicht anbeißen", berichtet Professor Robert Arlinghaus. In den Schutzgebieten hingegen haben die Fische den Köder öfter auch wirklich genommen. Dass Hechte so etwas erlernen können, sei im Labor schon öfter nachgewiesen worden, in freier Wildbahn im Rahmen der Boddenhecht-Studie aber erstmals.
Empfehlung: Auch große Hechte sollen zurück ins Wasser
Jörg Schütt hat an diesem Tag Glück. Er fängt ein Hecht-Weibchen von 1,09 Metern Länge. Für ihn steht sofort fest: Diesen Fisch setzt er wieder ins Wasser. Denn im März beginnt die Laichzeit und das Weibchen kann für Zuwachs im Bestand sorgen. Genau das empfehlen auch die Wissenschaftler nach der Studie. Hechte kleiner als 60 und größer als 90 Zentimeter sollten zurückgesetzt werden. Bisher gilt lediglich ein Mindestmaß von 50 Zentimetern. Viele kleine Schutzgebiete, in denen Angeln und Fischen verboten ist, könnten nach Meinung der Experten auch helfen, damit sich der Hechtbestand in den Bodden erholt. Wenn sie nicht starr festgelegt sind, sondern rotieren, könnten die Angler auch wieder bessere Chancen haben, einen Hecht zu fangen.
Viele Faktoren wirken negativ auf den Boddenhecht
Doch die Maßnahmen in Bezug auf die Angler sind nur ein kleiner Teil. Im Rahmen des Boddenhechtprojektes wurden in einem mehr als dreijährigen intensiven Beteiligungsprozess mit Interessengruppen aus Berufsfischerei, Angelfischerei, Tourismus und Naturschutz abgestimmte Empfehlungen erarbeitet und dem zuständigen Landwirtschaftsministerium vorgelegt. Denn die Freizeitfischerei allein ist nicht für den starken Rückgang des Boddenhechts verantwortlich.
Viele Arbeitsplätze hängen am Angeltourismus
Sie hat aber ein starkes Interesse daran, dass diese Entwicklung gestoppt wird. Das Hecht-Angeln im Bodden ist nämlich ein Wirtschaftsfaktor in der Region. Rund 35.000 Touristen kommen jedes Jahr hauptsächlich wegen des Hechts. Etwa 200 Arbeitsplätze hängen mittelbar oder unmittelbar an dem Geschäft mit dem Boddenhecht. Jörg Schütt berichtet, dass viele seiner Kunden nicht mehr zum Angeln nach Vorpommern kommen. Reviere wie in den Niederlanden seien attraktiver geworden.