Neubrandenburg: Kommunist und Nationalsozialist auf Denkmal-Liste
Die Grabsteine des ersten Nazi-Bürgermeisters Ernst Retzlaff und des gesuchten Verbrechers Arno Hans Eckelmann stehen auf dem Neuen Friedhof in Neubrandenburg unter Denkmalschutz: "Wie kann das sein?", fragt Autor Helmut Borth in seinem neuen Buch "Stadtbekannt".
"Interessiert sich denn hier niemand für Heimatgeschichte?", fragt Helmut Borth bei der Vorstellung seines neuen Buches "Stadtbekannt". Es beginnt mit der Geschichte von Arno Hans Eckelmann, der in den 1920er-Jahren als gesuchter Verbrecher in Neubrandenburg erschossen wurde.
Arno Hans Eckelmann oder "Harry der rote Soldat"
Zu DDR-Zeiten wurde er als "Harry der rote Soldat" verehrt. Davon zeugt noch heute eine Gedenktafel in der Innenstadt. Die Schule in Sponholz trug seinen Namen, der Platz neben dem Rathaus, auf dem heute das "Hotel am Ring" steht, ebenfalls. Nach Borths Recherchen verdächtigte ihn die Staatsanwaltschaft Schwerin 1924, dass er an dem Mord an einem Vater von neun Kindern in Hagenow beteiligt war. Der Ermordete hatte der KPD den Rücken gekehrt. Bei Eckelmanns Verhaftung in Neubrandenburg wurde er angeschossen und verstarb wenige Tage später.
SS-Sturmführer Retzlaff war 1933/34 das Oberhaupt der Stadt
Mit Ernst Retzlaff wurde 1933 ein SS-Sturmführer Bürgermeister in Neubrandenburg. Schon ein Jahr später verstarb er nach einem Theaterbesuch in Neustrelitz an Nierenversagen. Sein Vermächtnis beschreibt Borth so: "Der Grundstein für die Zerstörung der Vier-Tore-Stadt zehn Jahre später war unter der Ägide Retzlaffs gelegt worden."
Mehr als 60 Grabsteine stehen unter Denkmalschutz
Die Grabsteine Eckelmanns und Retzlaffs stehen auf dem Neuen Friedhof in Neubrandenburg. Sie gehören zu mehr als 60, die seit 1999 auf der Denkmal-Liste der Stadt Neubrandenburg stehen. Die Hintergründe zu jedem einzelnen Stein seien nicht mehr nachvollziehbar, auch nicht, warum sie damals auf die Denkmal-Liste kamen, informierte ein Sprecher der Stadtverwaltung. Auf alle Fälle sei es in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege erfolgt.
Debatte zu Denkmalschutz und -würdigkeit steht an
Die Denkmal-Liste der Stadt wird ein Tagesordnungspunkt in der Sitzung des Kulturausschusses der Stadt Neubrandenburg im Januar sein. Historiker sollen dann über die Hintergründe von Eckelmann und Retzlaff informieren. Denkmalschutz gelte ausschließlich für Objekte, nicht für die damit verbundenen Geschichten, so Karsten Heilmann, der für den Denkmalschutz in der Vier-Tore-Stadt zuständig ist. Die Neubrandenburger Ratsfrauen und -herren gehen das Thema derzeit sehr verhalten an. Zum einen, weil bei dem Stadtbrand 1945 viele historische Unterlagen vernichtet wurden, zum anderen, weil Denkmalschutz eine Verwaltungsangelegenheit sei, erklärte Diana Kukh (Bürger für Neubrandenburg). Wichtig sei es trotzdem darüber zu reden, meinte der Vorsitzende des Kulturausschusses Robert Schnell (AfD).
Diese und andere Denkmäler sind auch Thema in der neuen Folge unseres Podcasts Dorf Stadt Kreis.