Stand: 09.03.2015 15:59 Uhr

Sorge über neue Seenotrettungs-Pläne

von Kaveh Kooroshy & Anne Ruprecht

Die Seenotrettung an Nord- und Ostseeküste ist kaum noch gewährleistet. Das legen vertrauliche Dokumente nahe, über die Panorama 3 bereits Ende Januar berichtet hatte. Das Bundesverkehrsministerium sollte darum erklären, wie es sich die Such- und Rettungseinsätze an Nord- und Ostsee künftig vorstellt. Im Kern geht es darum, ob die Hubschrauber das gesamte deutsche Gebiet in Nord- und Ostsee innerhalb einer Stunde nach dem Abheben erreichen können. Denn für Verletzte bestehen innerhalb der ersten Stunde die größten Überlebenschancen. Treffen die Hubschrauber bei einem Schiffsunglück erst nach der so genannte "Golden Hour of Trauma" ein, sinken die Chancen rapide.

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Ministerium beruft sich auf veraltete Faktenlage

Doch der Vorschlag des Ministeriums verblüfft. Denn das vertrauliche Schreiben, das Panorama 3 ebenfalls vorliegt, ignoriert offensichtlich die Faktenlage und geht von veralteten Voraussetzungen aus: Staatssekretär Enak Ferlemann erklärte Ende Februar, er wolle "aus einem Bestand der Bundespolizei von 40 Transporthubschraubern" zwei für "die Zwecke des Havariekommandos" umrüsten.

Enak Ferlemann
Staatssekretär Enak Ferlemann will aus dem Bestand der Bundespolizei zwei Transporthubschrauber für "die Zwecke des Havariekommandos" umrüsten.

Allerdings hatte das Innenministerium bereits im September erklärt, dass nur noch 38 Hubschrauber zur Verfügung stünden. Denn bei einem tragischen Unfall am Olympiastadion seien zwei Transporthubschrauber zerstört worden "und stehen für die Aufgabenerfüllung derzeit nicht mehr zur Verfügung", so Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in einem Brief an den Rechnungsprüfungsausschuss. Das Angebot, dem Verkehrsministerium für die Seenotrettung zwei Hubschrauber zu überlassen, sei daher "polizeitaktisch und sicherheitspolitisch nicht zu vertreten".

Probleme bei der Marine

Enak Ferlemann betont, von einem Rückzieher de Maizières nichts zu wissen: "Das Angebot, das das Bundesinnenministerium uns übermittelt hat, steht und gilt auch. Die Frage, wie es mit seinen sonstigen Hubschrauberkapazitäten klar kommt, ist eine Frage, die uns nicht betrifft."

"Dieses Angebot basiert von Anfang an auf einer Ausstattung der Bundespolizei mit Transporthubschraubern, wie sie vor dem Unfall am Olympiastadion bestand und nach dem Ersatz der beiden verunfallten Transporthubschrauber bestehen wird", so das Innenministerium gegenüber Panorama 3. Wann diese Hubschrauber ersetzt werden, ist derzeit jedoch noch nicht absehbar. Dass das Verkehrsministerium rund ein halbes Jahr später immer noch auf das auf Eis gelegte Angebot des Innenministeriums verweist, ist kaum nachvollziehbar, so Bettina Hagedorn (SPD), Vorsitzende des Rechungsprüfungsausschusses. "Als das Angebot offiziell zurückgezogen wurde, waren Herr Ferlemann, die Staatssekretärin des Innenministeriums, der Bundesrechnungshof und das Finanzministerium dabei."

Das sogenannte Winchen, also Befördern von Personen oder Material per Seilwinde, gehört zum Standardverfahren der Marine-Hubschrauber. Hier
trainiert ein Westland Mk.41 "Sea King" die Zusammenarbeit mit einem Schnellboot. © Bundeswehr Foto: Bundeswehr
Der Ostseestandort Warnemünde 2014 war insgesamt weniger als 31 Tage besetzt, für 2015 sei eine Stationierung eines Such- und Rettungshubschraubers gar nicht mehr vorgesehen.

Doch neben den Hubschrauber-Abstürzen ignoriert das Verkehrsministerium auch Probleme bei der Marine. Nach Panorama 3 Recherchen war der Ostseestandort Warnemünde 2014 insgesamt weniger als 31 Tage besetzt, für 2015 sei eine Stationierung eines Such- und Rettungshubschraubers auf Warnemünde gar nicht mehr vorgesehen. Grund hierfür seien die Probleme mit den veralteten "Sea King"- Hubschraubern.

Staatssekretär Ferlemann geht jedoch darauf nicht ein und erklärte in seinem Bericht an den Rechnungsprüfungsausschuss, dass die Marine mit "jeweils einem Hubschrauber für die Bereiche von Nord- und Ostsee" ausgestattet sei. Auf Nachfrage von Panorama 3 spielt Ferlemann diese Ungenauigkeiten herunter: "Wir brauchen für die Aufgabe einen einsatzfähigen Hubschrauber, den die Marine immer zur Verfügung stellt. Wir haben drei Standorte - auf Helgoland, Nordholz und Warnemünde - und die können die Maschine dort hinstellen, wo die Bundeswehr die Maschine braucht. Sie muss nur für unsere Zwecke verfügbar sein."

Unrealistische Einschätzung

Experten wie Oberstleutnant Reinhard Schlepphorst, selber Pilot und Vorsitzender der Interessengemeinschaft des fliegenden und Luftfahrttechnischen Personals der Bundeswehr, schätzen die Aussagen von Ferlemann als nicht realistisch ein: "Der Rand des abzudeckenden Gebietes in der Ostsee liegt etwa 180 nautische Meilen (rund 330 Kilometer, Anm. d. Red.) von Nordholz entfernt. Der Hubschrauber müsste also mindestens 180 Knoten (rund 333 Kilometer pro Stunde, Anm. d. Red.) ohne Gegenwind fliegen, um das in einer Stunde zu schaffen. Der Standort Helgoland ist sogar 198 nautische Meilen (etwa 366 Kilometer, Anm. d. Red.) entfernt." Nach Ferlemanns eigenen Angaben geht er von einer Maximalgeschwindigkeit der "Sea King"-Hubschrauber von 112 Knoten aus, die Strecke wäre also selbst bei starkem Rückenwind kaum zu schaffen. Eine Rettung innerhalb der "Golden Hour of Trauma" ist also mehr als unwahrscheinlich.

Weitere Informationen
Seenotrettung © dpa Foto: Stefan Sauer

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 10.03.2015 | 21:15 Uhr

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