Solarparks: Den Gemeinden in MV dauert es zu lange
Vor drei Jahren hat Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Backhaus ein Sonderprogramm für mehr Sonnenenergie im Land zugesagt. Auf mindestens 5.000 Hektar sollten Gemeinden leicht und unbürokratisch Solarparks errichten. Doch die Behörden sind angesichts der Antragsflut überfordert.
"Mehr Photovoltaik wagen!" Diesen eigenen Anspruch formulierte Umweltminister Till Backhaus (SPD) im Juni 2021. Das Land machte damals den Weg frei für sogenannte Zielabweichungsverfahren. Das heißt: Auch dort, wo die Raumplanungen es eigentlich nicht vorsahen, sollten Solarparks entstehen können. Zusätzlich zu Flächen entlang der Autobahnen und auf ehemaligem Militärgelände sollten dadurch auch schlechte Ackerböden in Standorte für Sonnenkraftwerke umgewandelt werden. Maximale Fläche: 5.000 Hektar.
Bürgermeister fühlt sich verschaukelt
Die Gemeinde Warlitz bei Hagenow war eine der ersten, die dabei sein wollte. Zwei Jahre später sagt Bürgermeister Peter Holm (parteilos) eher frustriert: "April, April." Das zuständige Wirtschafts- und Energieministeriums in Schwerin habe ihm mitgeteilt, dass sein Solarpark-Antrag noch nicht bearbeitet wurde. Kommunalpolitiker Holm fühlt sich verschaukelt. "Erst weckt das Land Interesse und will Initiativen anschieben und dann heißt es: Kriegen wir nicht hin." So funktioniere das nicht, beklagt Holm.
Mehr als 300 Vorhaben auf dem Tisch
Das Ministerium ächzt offenbar unter der Antragslast - mehr als 300 Projektvorhaben liegen auf dem Tisch. Offenbar zu viel. Eine interne Mail des Ministeriums, die dem NDR vorliegt, verweist auf immer größeren Ärger der Gemeinden über den Verfahrensstau: "Die Nachfragen der Gemeinden mehren sich und auch das Unverständnis, warum die Anträge, die zum Teil bald zwei Jahre bei uns liegen, zeitnah nicht bearbeitet werden." Auf Dauer werde man die Sache nicht aussitzen können, man sollte der Öffentlichkeit in einer Pressemitteilung reinen Wein eingießen.
Ministerium weist Kritik zurück
Diese internen Aussagen stehen im krassen Widerspruch zu früheren Angaben. In einer Antwort auf eine Parlamentsanfrage vom August 2022 hieß es beispielsweise, "die Landesregierung unternimmt alles, was möglich ist, um die Verfahren zügig zu entscheiden". Allerdings hängen 240 Anträge weiter in der Schwebe. Auf Anfrage bleibt das Ministerium dennoch bei der offiziellen Version. Es sei nicht richtig, dass Anträge nicht bearbeitet würden. Allerdings seien die Verfahren aufwendig, die unterschiedliche Qualität verzögere die Bearbeitung, regelmäßig würden Unterlagen nachgefordert. Zielabweichungsverfahren seien immer auch Einzelfall-Entscheidungen, für sie müsse grünes Licht anderer Ministerien eingeholt werden.
Strom kann angeblich nicht eingespeist werden
Peter Holm aus Warlitz hat dafür kein Verständnis. Statt endlich zu entscheiden, ändere das Ministerium die Kriterien. Plötzlich müsse der Solarpark innovativ sein, die Gemeinde müsse den Strom selbst verbrauchen oder speichern. Davon, so Holm, sei zuvor nie die Rede gewesen. Aus diversen Schreiben des Ministeriums, die dem NDR vorliegen, wird klar, dass der produzierte Strom wegen der Netzüberlastung offenbar nicht eingespeist werden kann. Außerdem sei das Flächenkontingent von 5.000 Hektar schon überzeichnet.
Insgesamt scheint das Solar-Programm schon jetzt ein Auslauf-Modell zu sein. Das Land setzt auf eine komplett neue Raumplanung für Erneuerbare Energie, Ausnahmen über Zielabweichungsverfahren soll es dann nicht mehr geben. Holm macht sich kaum noch Hoffnung auf grünes Licht für den Solarpark in seiner Gemeinde. Rund 160.000 Euro Extra-Einnahmen könne die Anlage pro Jahr bringen. So hoch sei der Anteil, den der Betreiber, die örtliche Agrargenossenschaft, zahlen könne. Geld, das seine klamme Gemeinde nötig habe, meint der Bürgermeister. Jetzt sei die ganze Arbeit wohl umsonst. "Dabei haben wir uns damals beeilt und waren unter den ersten, die Anträge gestellt haben."
Grüne: Es fehlen klare Kriterien
Der Energieexperte der Grünen-Fraktion, Hannes Damm, sieht in der Praxis ein generelles Versagen der Landespolitik. Die rot-rote Landesregierung verweigere den Gemeinden, endlich angemessen vom Ausbau der Solarenergie zu profitieren. Es sei komplett versäumt worden, den Solarausbau auf sichere und rechtlich saubere Füße zu stellen. Auch nach drei Jahren gebe es immer noch kein Konzept und keine klaren Kriterien dafür, wie mit den Anträgen zu den Zielabweichungsverfahren effizient umgegangen werden soll. Damms Fazit: "Die Kommunen werden bei der Entwicklung der Freiflächen-Photovoltaik hängen gelassen."
Der Städte- und Gemeindetag sieht die Sache anders. Es sei falsch, Solarparks auch auf landwirtschaftlichen Flächen zu ermöglichen, sagt Arp Fittschen, beim Kommunalverband zuständig für Umwelt und Landwirtschaft. Es gebe genügend Alternativen - beispielsweise alte Kiesgruben, Militär-Liegenschaften oder schlicht Dächer von Behörden. Denkbar sei auch, große Parkplätze mit Solar-Anlagen zu überdachen, das biete gleichzeitig Schutz vor Sonne oder Regen. Insgesamt, so Fittschen, laufe das Solarprogramm "sehr unglücklich". Es sei völlig überzeichnet und das Ministerium mit der Antragsbearbeitung überfordert.