Schlammschlacht OB-Wahl: Rostock und die anonymen Mails
Wenige Tage vor der Entscheidung, wer künftig auf dem Chefsessel im Rostocker Rathaus Platz nimmt, werden Fragen gestellt - angeblich von Stadt-Mitarbeitenden.
Am Dienstag hatte Michael Ebert, der als Einzelbewerber von CDU, FDP und dem Bündnis Unabhängige Bürger für Rostock unterstützt wird, Post in seinem Mail-Eingang. Betreff: "Offener Brief zum Rostocker OB-Kandidaten Michael Ebert". So wie Eberts Wahlkampfteam wurde die Mail auch anderen Politikern, den Bürgerschaftsfraktionen und Medien zugesandt. Darin schreibt ein oder mehrere Verfasser anonym im Namen von "121 Beamten und Angestellten der Hanse- und Universitätsstadt Rostock und der kommunalen Eigenbetriebe der Stadt".
Fragen zu Eberts Vergangenheit
Ebert, der aktuell Leiter des Landesbereitschaftspolizeiamtes in Mecklenburg-Vorpommern ist, hatte im Zuge seiner Kandidatur zur OB-Wahl erklärt, dass er nach seinem Abitur in das Wachregiment "Feliks Dzierzynski" nach Berlin einberufen wurde. "Ich begann jedoch unmittelbar, d. h. ab August 1988, ein Studium an der Offiziershochschule der Volkspolizei-Bereitschaften 'Artur Becker' in Dresden." In dem anonymen Schreiben heißt es jedoch, "auf Podiumsdiskussionen, in Interviews und in der Presse konnte man immer wieder voneinander abweichende Darstellungen über Ihre DDR-Vergangenheit lesen und hören." Und so steht unter anderem die Frage in der Mail, "wieso in einer Datenbank für 'Offiziere im besonderen Einsatz' des MfS ein Jahresgehalt von 8.350,00 Mark für Sie auftaucht?". Gefragt wird auch, "ob Sie jemals über andere Personen beim MfS aussagen mussten?"
Unklare Aussagen
Ebert antwortet auf das anonyme Schreiben, "nach meinem Abitur wurde ich mit 18 Jahren im August 1988, ein Jahr vor dem Zusammenbruch der DDR, als Offiziersschüler beim Wachregiment eingestellt. Offiziersschüler bedeutet, dass ich von dort aus als bezahlter Angestellter das Studium an der Offiziershochschule des Ministeriums des Innern - Bereitschaften 'Artur Becker' in Dresden begann." Damit erklärt Ebert erstmals klar, dass er auf der Gehaltsliste des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR stand. Zuletzt waren Stimmen in der Stadt lautgeworden, die ihm vorwarfen, sich nicht eindeutig zu erklären. Auf die Frage, ob er über andere Personen beim MfS aussagen musste, hatte Ebert in seiner Erklärung im Zuge der OB-Kandidatur angegeben, dass "ich für das Ministerium für Staatssicherheit weder Arbeit geleistet noch Informationen beschafft, gesammelt oder weitergeleitet habe." Allerdings lässt Ebert auch weiterhin die Fragen unbeantwortet, wie lange er sich für einen Dienst beim MfS verpflichtet hat und wie er heute zu seiner Vergangenheit steht.
Fragen an Kröger zu ihrer Jugend
Zwei Tage nach Ebert hatte auch die Kandidatin der Linken, Eva Maria Kröger, eine anonyme Mail in ihrem Postfach. Diese allerdings war an einen deutlich kleineren Empfängerkreis verteilt worden und enthält ähnliche Textbausteine, wird aber im Namen einer Gruppe von 156 Mitarbeitenden der Stadt verfasst. Ein Frage darin: "Sie gaben selbst einmal an (in diversen Jugendweihereden), dem Rausch der Drogen verfallen gewesen zu sein. Haben Sie dieses Problem komplett aufgearbeitet und können wir uns darauf verlassen, sind Sie wieder Clean?" Darauf antwortet Kröger "Ja, Sie können sich darauf verlassen, dass ich schon sehr lange keine Drogen mehr nehme." Ihre "Drogenprobleme in der Jugendzeit" bezeichnet Kröger in dem Antwortschreiben als "Schatten meiner Vergangenheit". Sie mache diesen aber öffentlich, weil Menschen nun mal Fehler machten und es wichtig sei, dass wir aus Ihnen lernen.
Eignung als Oberbürgermeisterin?
Doch anders als im Schreiben an Ebert stellen die Verfasser der anonymen Mail an Kröger ihre Eignung als Verwaltungschefin infrage. "Welche Befähigungen meinen Sie zu haben, um eine Verwaltung unserer Größe leiten zu können? Ein Studium der Politik, das Bürgerschaftsmandat und das Landtagsmandat sind unserer Meinung nach kaum ausreichend, um unsere doch ein wenig eingefahrene Verwaltung mit fast 2.500 Menschen! wieder in den notwendigen Schwung zu bringen." Darauf antwortet die 40-Jährige, sie habe intensiv darüber nachgedacht, ob sie nach ihrer Zeit im politischen Raum nun die "Welt der Verwaltung" zu ihrem hauptsächlichen Aufgabenfeld machen möchte und kann. "Wie Sie wissen, bin ich bereits sehr gut vernetzt innerhalb der Organisationsstrukturen der HURO (Anmerkung der Redaktion: Hanse- und Universitätsstadt Rostock) und ich traue mir zu, meine Arbeitsweise schnell und zuverlässig anzupassen", schreibt die Landtags- und Bürgerschaftsabgeordnete.
Veröffentlichung der Mails diskutiert
Beide E-Mails, sowohl an Kröger als auch an Ebert, wurden über den Schweizer Mail- und Cloud-Anbieter protonmail verschickt, der anonymisierte Kommunikation ermöglicht. Um wen es sich bei dem beziehungsweise den Absender(n) handelt, lässt sich nicht nachvollziehen. Auf Nachfrage des NDR heißt es vom anonymen Verfasser der Mail an Ebert: "Innerhalb unserer Gruppe gibt es noch keine abschliessende Klärung, ob wir mit der Presse und auch Ihnen in ein weiteres Gespräch gehen wollen. Die Anonymität ist uns sehr wichtig und wie schon geschrieben haben wir auch keinen Sprecher innerhalb unserer Gruppe." Die Redaktion des NDR Ostseestudios in Rostock hatte sich zunächst gegen eine Berichterstattung entschieden, weil nicht nachvollziehbar ist, wer diese Mail verfasst hat. Nachdem jedoch auch das Schreiben an Kröger bekannt wurde und beide Kandidierenden darauf geantwortet hatten, entschied sich die Redaktion für eine Berichterstattung.
Update: Weitere anonyme E-Mails
Am 23. November gab es erneut Wirbel um anonyme E-Mails: Diesmal gehen die Vorwürfe in Richtung Kandidatin Eva-Maria Kröger (Die Linke). Kröger wird in der Mail unter anderem vorgeworfen, sie könne kein Amt mit 2.500 Mitarbeitern führen und sei den Herausforderungen des Amtes nicht gewachsen. Kandidat Ebert (parteilos, unterstützt von CDU, FDP und UFR) sei geeigneter. Kröger nimmt auf NDR Anfrage schriftlich Stellung, diese diffamierende E-Mail-Kampagne stelle einen neuen Tiefpunkt im OB-Wahlkampf dar. Es werde versucht, sie mit plumpen Anwürfen zu diskreditieren. Sybille Bachmann vom Rostocker Bund, bei die anonyme Mail ebenfalls ankam, hat nach eigenen Angaben bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gestellt. Sie will wissen, wer dahinter steckt. Die neuen Mails gingen wieder über den Schweizer Anbieter protonmail an diverse Adressen in Stadt, Universität und Medien. Auch die Universität Rostock will Strafanzeige erstatten.