Schiedsleute entlasten die Gerichte in MV enorm
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es 250 Schiedsfrauen und Schiedsmänner. Wie sie verschiedene Streitigkeiten zwischen Nachbarn, Freunden oder in der Familie verhandeln, darüber sprechen Mirja Freye und NDR MV Reporter Frank Schwarz im NDR MV Podcast "MV im Fokus".
Manja Zoschke arbeitet schon 23 Jahre als Schiedsfrau. Die Frau aus dem Rathaus in Malchin hat einen Hauptjob in der Finanzverwaltung ihrer Stadt. In einem kleinen Sitzungsraum bereitet Manja eine Schlichtungsverhandlung vor. "Ich sitze auf der einen Seite in der Mitte, gegenüber die streitenden Parteien. Da der Antragsteller, da der Antragsgegner. In der Mitte zwischen ihnen bleibt ein Stuhl frei", sagt sie und legt Wert darauf, dass sie neutral und ausgleichend agiere.
Streitigkeiten des Alltags
Sie ist eine der 250 Frauen und Männer, die in Mecklenburg-Vorpommern Schlichtungsverhandlungen durchführen. Für Manja Zoschke sind das zwei bis drei Fälle im Jahr, gut 60 in ihrer Zeit als ehrenamtliche Schiedsfrau. Die meisten Fälle, die sie verhandelt, sind die Streitigkeiten des Alltags, oft über Kleinigkeiten. "Also erst mal freue ich mich überhaupt, wenn beide Parteien erschienen sind. Das ist die Grundlage dafür, dass man sagt, ich bin zu einer Einigung bereit. Ich mach das hier auf neutralem Boden, in einer neutralen Räumlichkeit." Niemand soll das mitbekommen, der Schutz aller Beteiligten ist wichtig, verhandelt wird im Verborgenen.
Streitfälle zwischen Nachbarn landen in den 125 Schiedsstellen des Landes
Wer Zoff mit dem Nachbarn hat und sich eine Lösung für das Problem wünscht, muss zunächst eine Schiedsstelle kontaktieren. Solange die Auseinandersetzungen nicht gewalttätig werden, lehnen Gerichte Verhandlungen darüber ab. Dafür gibt es die Schiedsstellen. Jede Gemeinde und jede Stadt verfügt über eine solche Einrichtung. Manchmal schließen sich auch mehrere Gemeinden zusammen. So sollen die kleinen Streitfälle schnell und außergerichtlich geklärt werden. Das sei aber nicht immer möglich, meint Manja Zoschke.
"Ich hatte mal einen Fall, da wurde es sehr laut, wo ich dann sagen musste: Wenn wir jetzt nicht zur Ruhe kommen, dann breche ich diese Verhandlung ab. Das ist nicht Sinn und Zweck einer Schlichtung. Wir wollen ja wie vernünftige Menschen miteinander umgehen. Respektvoll vor allen Dingen. Es ist es für mich erschreckend gewesen, wie viel Wut sich aufstauen kann, wie sich das hochputschen kann. Das ist dann schon beängstigend, wenn man merkt, dass die Leute auch aggressiv miteinander umgehen. Es flogen die Unterlagen, jeder fühlte sich falsch verstanden. Und dann die Beleidigungen untereinander. Ich versuche da immer ruhig zu bleiben und immer auf die Sache zurückzukommen", erzählt die blonde Frau am Tisch der Schlichtungsgespräche.
80 Prozent der Fälle bei Manja Zoschke enden mit Vergleich
Meistens ist es aber so, berichtet die Malchinerin stolz, dass es in 80 Prozent ihrer Schlichtungsverhandlungen eine Einigung beider Seiten gibt. Es wird dann ein Vergleich geschlossen, in dem alle Details der Verabredungen festgehalten werden. Das ist dann juristisch bindend. Sollte sich eine der Streitparteien nicht daran halten, käme ein Gericht ins Spiel.
So war es im Fall von Christian Skotnik, der zunächst die Schiedsstelle bemühte, weil sein Nachbar die Weiden zu dicht an das Nachbargrundstück gesetzt hatte. "Ich konnte keine Tomaten und nichts mehr pflanzen. Da wuchs nur noch Moos", erzählt Skotnik. Er dankte Manja Zoschke für ihre besonnene, zielführende Verhandlung. Am Ende wollte der Nachbar nicht einlenken. So mussten zwei Gerichtsprozesse den Fall entscheiden. Schiedsverfahren kosten beide Streitparteien in der Regel 25 Euro, selten bis zu 40 Euro. Für ein Gerichtsverfahren sind, je nach Streitwert, schnell einige Hundert Euro fällig.
Schiedsleute sind keine Juristen
Manja Zoschke ist keine Juristin, wird am Amtsgericht Neubrandenburg aber regelmäßig geschult. "Wir brauchen für die Schiedsleute auch keine Juristen. Wichtig ist es, dass diese Menschen gut kommunizieren und sich zurücknehmen können. Sie leben auch da, wo die Streitigkeiten auftreten und nutzen vor allem ihre Lebenserfahrung und den Gerechtigkeitssinn, um Schlichtungen zu leiten", sagt Amtsrichter Mathias Brandt. Das mache Manja Zoschke aus Malchin hervorragend, erklärt der Jurist. Ohne Menschen wie sie wären die Gerichte vollkommen überlastet. "Außerdem geht es bei den Schiedsfrauen und -männern viel schneller und direkter", fügt Brandt hinzu.
Den aktuellen NDR MV Podcast "MV im Fokus" gibt es ab sofort zum Download unter www.ndr.de/radiomv/podcasts, in der ARD Audiothek und in der NDR MV App.