Regina Dorfmann (Bündnis 90/Die Grünen) im Interview mit dem NDR. © NDR Screenshots Foto: NDR Screenshots

Regina Dorfmann: "Mit Mut kann Schwerin grüner werden"

Stand: 15.05.2023 06:00 Uhr

Regina Dorfmann (57) ist die einzige Frau auf der Kandidatenliste für die Oberbürgermeisterwahl in Schwerin. Seit 2014 ist sie Grünen-Abgeordnete in der Stadtvertretung, seit drei Jahren Vorsitzende ihrer Fraktion. Im NDR Interview spricht sie über ihre Vorstellungen für Schwerin.

Einen schönen guten Tag, herzlich willkommen!

Regina Dorfmann: Schönen guten Tag!

Frau Dorfmann - wo darf ich sie hinfahren?

Dorfmann: Ich möchte gerne zum Freilichtmuseum in Mueß.

Dann los. Frau Dorfmann, Sie leben seit 26 Jahren in Schwerin. Wie hat sich die Stadt aus Ihrer Sicht verändert?

Dorfmann: Naja, als ich hergekommen bin, da war ja noch vieles noch nicht so ganz doll saniert. Ich war das erste Mal im Sommer 1990 zu einem Praktikum hier in Schwerin und da hab ich auch beschlossen, ich möchte hier irgendwann mal wohnen. Und da war die Stadt schon auch noch ein bisschen grau und dann hab ich zugucken können, wie sich Stück für Stück die Farbigkeit der Stadt wiederentwickelt hat, die es bestimmt früher auch schonmal gegeben hat. Und dass Stück für Stück alles Mögliche saniert worden ist.

Wo sind die größten Baustellen aus Ihrer Sicht?

Dorfmann: Die größten Baustellen haben wir, glaube ich, immer noch in dem Bereich wo früher mal der Große Dreesch war und jetzt Dreesch und Mueßer Holz und Neu Zippendorf ist. Weil da ist einfach noch sehr viel Wohnungsbestand, der nicht saniert ist. Und das hat ja auch dazu geführt, dass da sehr viele Menschen hinziehen mussten, die sich Wohnungen in der Stadt nicht mehr leisten konnten. Und da muss irgendwie ein Umsteuern her.

Aber ist das realistisch, dass man den Schwerinern es irgendwie ermöglicht, dass alle in allen Stadtteilen leben können?

Dorfmann: Nein, es ist nicht realistisch zu glauben, dass alle in allen Stadtteilen leben können. Aber wenn man sich andere Städte anguckt, deutlich mehr möglich als wie es sich hier entwickelt hat. Wir haben vor einigen Jahren die Waisenhausgärten neu geschaffen, also das Baugebiet da. Und ich kann mich erinnern das ich damals schon, da war ich noch Ortsbeirätin für die Grünen im Ortsbeirat und ich mich da schon quasi geärgert habe, dass da eine Siedlung geschaffen worden ist, wo auch schon in der Vorlage per Definition hieß, es wird eine Siedlung für gehobene Ansprüche. Und da hab ich schon die Frage gestellt, warum nur für die einen, warum nicht für die anderen?

Sie sagen, Schwerin kann grüner werden. Wie kann den grüne Politik in der Landeshauptstadt aussehen?

Dorfmann: Mit ein bisschen mehr Mut, Reformvorhaben anzugehen. Auch kleine Sachen anzugehen. Die bis jetzt einfach liegengelassen werden. Oder die auch mit ganz viel Widerstand von den anderen Parteien nicht verwirklicht werden. Ich sag jetzt nur mal, es gab vor einiger Zeit - der war noch nicht mal von uns - einen Antrag dass wir der Initiative "Lebenswerte Städte: Tempo 30 überall" beitreten. Der ist nicht durchgekommen in der Stadtvertretung, weil es Widerstände gab. Und es ging da noch nicht mal darum, dass wir es einführen. Sondern dass wir es unter Umständen einführen können. Und ich weiß bis heute nicht, was das Problem sein sollte mit Tempo 30 auf dem Obotritenring. Ich weiß auch nicht was das Problem ist mit Tempo 130 auf den Autobahnen, davon mal abgesehen. Und von daher glaube ich, dass es eine Menge gibt - das fängt mit Baumpflegearbeiten an, geht über Beschaffung, geht über welche Unternehmen wollen wir eigentlich in dieser Stadt ansiedeln und wie wollen wir die Verkehrspolitik in dieser Stadt steuern. Brauchen wir eine Nordumfahrung, ich denke wir brauchen sie nicht. Wie stärken wir unseren öffentlichen Personennahverkehr und was tun wir für die Fahrradfahrer in dieser Stadt.

Was können Sie da konkret machen. Für den ÖPNV - beziehungsweise für die Fahrradfahrer aus Ihrer Sicht?

Dorfmann: Beim ÖPNV ist es alles eine Frage, wie man das bezahlen kann. Das müsste geprüft werden, wo können noch Einnahmen generiert werden. Wie können wir den Nahverkehr auch unterstützen, damit bestimmte Taktungen zum Beispiel sich verbessern. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wenn Sie ein Konzert besuchen im Speicher und Sie wollen danach nach Hause und sind nicht so gut zu Fuß, dass Sie zum Marienplatz laufen können, dann sehen Sie ein bisschen alt aus. Weil der letzte Bus ist dann schon weg. Da zum Beispiel haben wir dann auch noch ein ganz, ganz großes Parkproblem. Es ist noch nicht mal ein besonderes Vergnügen, mit dem Auto dahin zu fahren. Und das ist schade. Schade für den Speicher und schade für die Schweriner und Schwerinerinnen, die die Konzerte irgendwie schlecht besuchen können. Und da wünschte ich mir zum Beispiel kleinere Busse. Das ist ja ganz klar, dass da die Auslastung nicht so groß ist. Aber wir haben eine Fahrzeugflotte mit Bussen, das sind alles große Busse. Vielleicht brauchen wir auch kleinere Busse. Vielleicht brauchen wir ein System von Rufbussen. Und eines Tages wäre eine Straßenbahn bis nach Friedrichstal auch ganz schön.

Eine Frage, die eigentlich unumgänglich ist: Warum eigentlich sind Sie die einzige Frau, die für dieses Amt kandidiert und Oberbürgermeisterin werden möchte?

Dorfmann: Weil Politik immer noch schon ganz schön männlich dominiert ist. Was ja aber Frauen nicht daran hindert, es auch zu versuchen. Ich erinnere an die Wahl sieben Jahre zuvor. Da waren es, meine ich, immerhin mindestens zwei Frauen, also zwei die ich jetzt gerade weiß aus dem Kopf, die es gemacht haben. Ich glaube, das hängt damit zusammen. Wenn man anfängt. Also jetzt Kommunalpolitik, dann ist es schon so, dass man es ganz genau takten muss, wieviel Zeit kann ich dafür aufwenden. Jüngere Frauen haben dann ganz oft das Problem der Kinderbetreuung. Ich bin in einem Alter dann dazugekommen, als ich solche Probleme dann nicht mehr hatte und deshalb über meine Zeit auch so verfügen konnte. Und dann braucht man aber auch eine spezielle Art von Humor um das, auch so diese Zähigkeit die das manchmal hat, um das auch gut auszuhalten. Und ein bisschen Willen sich durchzusetzen und nicht bange machen zu lassen, den braucht man auch.

Wie steht es um die Bildung in Schwerin?

Dorfmann: Die Frage ist glaube ich nicht, wie steht es um die Bildung in Schwerin. Sondern wie steht es um die Bildung in Mecklenburg-Vorpommern. Weil für Bildung ist das Land zuständig. Und da gibt es so einiges, was ich zu bemängeln hätte und da gibt es auch einiges, was ich mir anders wünschen würde. Und alles das, was wir als Stadt dazu tun können, fängt an mit der Ansiedlung einer Hochschule oder mit der Ansiedlung einer Außenstelle für eine Hochschule. Aber auch, gelingt es uns - da sind wir dann ja auch zuständig - als sächlicher Schulträger, gelingt es uns, unsere Schulen wirklich gut in die Digitalisierung zu führen. Gelingt es uns, die Schulbauten alle so zu erneuern, dass auch die neuen Standards eingehalten werden. Dass es für die Kinder eine gute Atmosphäre gibt, um zu lernen. Das ist das eine. Das andere sind aber andere Rahmengeschichten, die wir nicht unbedingt in der Hand haben. Nämlich beispielsweise: Was sind die Unterrichtsinhalte? Sind die Unterrichtsinhalte eigentlich noch dem Jahr 2023 angemessen. Und da sind ja unsere Möglichkeiten beschränkt. Und was ich mir wünschen würde, wäre tatsächlich auch vor diesem Hintergrund von mehr Durchmischung oder so, wenn wir nochmal ein Gymnasium brauchen, wenn wir feststellen, dass sich da nochmal was verändert, dann wünschte ich es mir sehr hier in den südlichen Stadtteilen.

Es gibt ja immer wieder den Ruf der Jugend, dass es in Schwerin keine Orte für sie gibt. Beziehungsweise regelmäßig kehrt auch immer wieder dieser Unmut auf über die feiernden Jugendlichen. Was würden Sie denn machen als Oberbürgermeisterin für die Jugend, die jungen Menschen in der Stadt?

Dorfmann: Mehr mit ihnen ins Gespräch gehen und dann gucken was sich von den Wünschen realisieren lässt. Ich habe solche Foren schon öfter gemacht, weil ich ja viele Jahre in der Jugendarbeit tätig war. Und manchmal gibt es Dinge, die Jugendliche sich wünschen, die sind ganz leicht zu bewerkstelligen. Und dann gibt es da manchmal auch Dinge, da ist es schwieriger. Aber auch das gehört ja zu Aushandlungsprozessen dazu. Aushandlungsprozesse, die Jugendliche lernen - die wir ja auch als Erwachsene immer wieder nochmal lernen. Es geht vielleicht nicht alles. Aber wir können gucken, was geht. Ich kann jetzt mal - dafür bin ich leider nicht verantwortlich - aber es hat ja funktioniert. Das gute Beispiel mit der Skater-Anlage in der Werderstraße. Da gab es einen Dialog. Und ich bin gespannt und ich hoffe sehr, dass sich Anwohner und Anwohnerinnen, die diese Anlage jetzt nutzen, sich auch tatsächlich auf ein Gemeinsames da einigen können. Und dass die Anwohnerinnen und Anwohner vielleicht auch Spaß dabei haben, den Jugendlichen zuzugucken beim Trainieren, beim Skaten. Das ist ja auch eine tolle Sportart eigentlich.

Der Schuldenberg von Schwerin ist sehr hoch. Bis 2029 will man das abgebaut haben. Wie baut man in einer Stadt Schulden ab, wenn ein Drittel der städtischen Aufwendungen für soziale Leistungen quasi bezahlt werden?

Dorfmann: Theoretisch, um ihren Gedanken weiterzuführen, würde das bedeuten, dass man die sogenannten freiwilligen Leistungen irgendwie immer weiter einkürzen muss, um die sozialen Differenzen auszugleichen. Das ist nicht mein Wunsch. Das kann auch nicht unser Ziel sein. Ich glaube, wir brauchen ein Neudenken darüber, wer für die Finanzierung von Sozialleistung zuständig ist. Und ob es eventuell andere Formen von Angeboten gibt, geben kann - ich bin jetzt wieder bei der Jugendarbeit - deren Kostenstruktur dann anders ist. Aber es gibt ja immer wieder, ich nehme jetzt mal als Beispiel die kostenfreie Kita, das ist eine gute Idee. Allerdings ist es keine gute Idee, wenn wir zeitgleich nicht was am Personalschlüssel machen. Das ist leider noch nicht passiert. Trotzdem ist es ja so, dass ein paar Restkosten dann auch wieder, das ist ja eine Idee des Landes gewesen, dass aber trotzdem auch das eine oder andere, der eine oder andere Rest an Kosten dann auch bei der Stadt hängenbleibt. Und das sind solche Kostenstrukturen, die ich meine, die ich dann immer schwierig finde. Wenn die Kommune diejenige ist, die ganz viel von den Sozialleistungen oder von der sozialen Schieflage, die es in unserem Land gibt, tragen muss, dann müssen die Kommunen besser finanziert werden. Vor allen Dingen in der Landeshauptstadt.

Ein weiteres großes Sorgenkind ist die Kriminalität in der Stadt. Gerade so die Gewaltdelikte sind am steigen. Wie kann man das - ja vielleicht nicht verhindern. Aber wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken?

Dorfmann: Indem man nochmal nach passgenauen Angeboten guckt. Also die Statistik ist ja das eine und die Statistik erfasst auch die Schwarzfahrer. Und davon kriegen wir in Schwerin ganz schön viele. Fragen Sie mal in Rostock, wie oft da kontrolliert wird. Und deswegen ist unsere Statistik so hoch. Aber die Gewaltdelikte will ich nicht verharmlosen. Und auch nicht wegdiskutieren. Da muss dann aber auch nochmal geguckt werden, wie kann man präventiv tätig werden. Welche Angebote braucht es. Und ich meine da nicht nur Angebote im Sinne, da kann man dann hingehen. Sondern fängt man eigentlich frühzeitig in der Schule an, darüber nachzudenken, was ist Waffengewalt und warum ist sie in diesem Land nicht erwünscht. Wo kommt das Gefühl her, sich in irgendeiner Form so produzieren zu müssen und so ein Ding dabei haben muss. Weil nur dadurch kommt es dann dazu, dass das auch angewandt wird. Ich glaube da müssen wir mit einem neuen Konzept ran. Gab ja mal einen Präventionsrat, der eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei hatte, der soll jetzt ja auch wiederbelebt werden. Vielleicht ist das dann auch ein Thema.

Was fällt ihnen ein in puncto Wirtschaft?

Dorfmann: Als Grüne ist man ja in erster Linie immer daran interessiert, mit Unternehmen dahingehend zu verhandeln, dass die möglichst nachhaltig und umweltschonend arbeiten. Deshalb ist das Thema Wirtschaft auch immer eines, das für uns ein sehr, sehr spannendes ist. Ich wünsche mir tatsächlich - wir kommen ja hier an einigen Brachen auch noch vorbei - ich wünsche mir, dass wir versuchen, unseren Mittelstand zu stärken. Aber auch so, dass wir nicht mit der Ansiedlung von einer Geschichte eine andere dann wieder kaputt machen. Wir haben beispielsweise ein Einzelhandlungskonzept, dem wir quasi selber immer wieder ein Bein stellen. Indem wir an einer Stelle immer wieder was Neues ansiedeln, wo dann eigentlich von vornherein von den Zahlen klar ist, dass dann an einer anderen Stelle etwas in Gefahr ist. Sondern etwas mit mehr Weitblick, Schwerin soll ein attraktiver Wirtschaftsstandort sein. Ich wünsche mir allerdings schon auch die Ansiedlung von Unternehmen, die nachhaltig arbeiten. Ich weiß, dass das kein Wunschkonzert ist und in erster Linie ist es auch gut, wenn wir unsere Flächen belegen. Das ist mir auch klar. Aber vielleicht kann man eine Kampagne entwickeln. Oder ich würde dann gerne eine Kampagne entwickeln, die ebend die Stadt etabliert als eine Stadt, die sozusagen ein grünes Gewerbegebiet hat, das diesen Namen auch verdient.

Welche Fehler sind da in der Vergangenheit gemacht worden?

Dorfmann: Ich glaube, dass das Thema Umwelt- und Klimaschutz keine besonders große Rolle gespielt hat bis jetzt. Ich erkenne wenig - ich komme jetzt auch wieder mit einem kleinen Beispiel - wenn es darum geht, Neubaugebiete zu schaffen, wieviel Grün haben wir da. Wo werden Ausgleichsflächen geschaffen. Wird es wirklich ernst genommen. Wird es kontrolliert, dass Ausgleichsflächen geschaffen worden sind. Haben wir genug Grün rund um die Standorte. Wird kontrolliert, die Gärten beispielsweise, auch die Hausbesitzer, dass die das dann einhalten, dass keine Schottergärten angelegt werden. Und, und, und. Das sind so Listen mit lauter kleinen Geschichten, die aber zusammen dann sich natürlich summieren. Und dann gibt es auch größere Sünden. Dann gibt es unter Umständen auch Gewerbetreibende, die bestimmte Standards nicht einhalten. Wo dann aber eben, ich will nicht sagen, drüber hinweggeguckt wird. Aber wo dann eher über eine Ausgleichszahlung nachgedacht wird als darüber, dass das abgestellt wird. Und das sozusagen zusammengenommen. Das sind dann viele kleine Versäumnisse und große Versäumnisse, die zusammen etwas sind, wo ich denke, wir sind noch nicht da, wo wir sein könnten.

Steht diese OB-Wahl unter einem anderen Stern als die Jahre oder Jahrzehnte zuvor?

Dorfmann: Ja ich denke schon, weil wir in einer Zeit leben, die eine Menge Herausforderungen hat. Der Klimaschutz ist auf der einen Seite eine Herausforderung, die man nicht mehr wegleugnen kann. Die ja auch von den jungen Leuten, aber nicht nur von denen, ganz, ganz deutlich als Herausforderung benannt wird. Und zum anderen haben wir ja in dieser Bewerber- und Bewerberinnenstruktur in diesem Jahr auch durchaus eine Bewerbung von jemandem, dessen Verfassungstreue ich hier zwar nicht in Zweifel ziehen möchte. Aber die ich schon als schwierig ansehe. Da werden Schwerpunkte gesetzt bis jetzt oder Schwerpunkte postuliert, die ich nicht so teile. Und die mir schon auch ein bisschen Angst machen im Hinblick auf Schwerin als weltoffene Stadt. Deswegen denke ich, ja - diese Wahl ist eine andere.

Was würden sie ändern in puncto Verwaltung?

Dorfmann: Ich würde. Ich weiß noch nicht, was ich ändern möchte. Ich weiß aber, womit ich anfangen möchte. Nämlich erstmal damit, da durchzukommen, wie diese Verwaltung strukturiert ist. Und eine Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterzufriedenheit zu erfragen. Ich weiß, dass wenn wir den Haushalt aufstellen, dann kommt aus den unterschiedlichen Teilen der Verwaltung, gibt es immer wieder die Nachfragen nach zusätzlichen Stellen, weil da viel Arbeit aufläuft, die kaum bewältigt werden kann. Und wir können aus haushalterischen Gründen nicht alle diese Wünsche erfüllen. Dieser Stellenplan wird uns StadtvertreterInnen nicht zugänglich gemacht. Von daher weiß ich gar nicht, wo da die Not irgendwie ist. Das würde ich mir angucken wollen. Aber natürlich finde ich es auch wichtig, Verwaltungsvorgänge daraufhin zu prüfen, ob sie so sein müssen, wie sie sind. Ich habe vor einiger Zeit mal für ein Antragsverfahren schlicht und einfach in der Stadtvertretung angeregt, dass es von fünf Seiten auf zwei Seiten eingedampft wird. Und die Antwort der Verwaltung war - fürs Erste: Das geht nicht. Weil wir natürlich auch an bestimmte Verfahren gewöhnt sind. Und da wir aber ein Beispiel für das selbige Gesetz aus Thüringen bringen konnten, wo das Antragsformular tatsächlich nur zwei Seiten hatte, war damit das "Es geht nicht" entkräftet. Und dann ging es doch. Und ich könnte mir vorstellen, dass es den einen oder anderen Vorgang gibt - wir sind ja alle, wenn wir denn was tun auch ein bisschen betriebsblind.

Kurze Frage, müssen wir jetzt eigentlich weiter geradeaus - um auf die Crivitzer dann zu kommen?

Dorfmann: Ja, ja.

Gut.

Dorfmann: Sie können jetzt hier auch rechtsrum fahren, dann dödeln wir noch über die Hamburger Allee.

Aber geradeaus.

Dorfmann: Jetzt geradeaus und dann am Zoo lang fahren, dann.

Gut. Kriegen wir hin. Was reizt sie eigentlich an der Politik?

Dorfmann: Ich finde, immer einfach nur meckern und nicht selber was zu tun, geht nicht. Und das war dann irgendwann der Impuls. Oder der erste Impuls war, ich habe mich immer schon ein bisschen gesellschaftlich eingebracht, in der Schule als Klassensprecherin und in der Schülervertretung. Und dann hab ich ein bisschen Pause gemacht. Und dann habe ich irgendwann, auch weil ich beim Schweriner Jugendring beschäftigt war und im Jugendhilfeausschuss einen Sitz hatte, dann angefangen mit Kommunalpolitik. Und vorher schon ein bisschen Stadtteilarbeit. Und irgendwann war der Moment da, wo ich in einer Stadtvertretung als Zuhörerin saß und dachte: Oh nee, jetzt möchtest du aber eigentlich gerne mal wieder sprechen. Da man das aus dem Zuhörerrang nicht kann, habe ich beschlossen, ich werde Stadtvertreterin. Und jetzt habe ich gemerkt, dass ich als Stadtvertreterin schon ein bisschen was bewegen kann. Aber noch nicht so, wie ich es mir für diese Stadt wünsche. Also muss ich Oberbürgermeisterin werden.

Wo sehen sie Schwerin so, na ich sage mal in dreißig Jahren?

Dorfmann: In dreißig Jahren, das ist keine lange Zeit. Um Dinge, die in den dreißig Jahren nach der Wende, zum Beispiel in puncto Segregation, also sozialer Spaltung, irgendwie sich entwickelt haben, wieder rück zu entwickeln. Aber ich wünsche mir, dass die Stadt von ihrer Optik her immer noch so grün ist, wie sie jetzt hier ist, rechts und links von uns. Und von ihrem Tun her aber ein bisschen grüner wird. Sprich: wir haben weniger Verkehr auf den Straßen, deutlich weniger Autoverkehr zum Beispiel in der Innenstadt. Sondern gute Parkleitsysteme und Park-and-Ride-Systeme und Nahverkehr, dass es also Menschen, die uns besuchen wollen, auch nicht schwer fällt, wenn sie mit dem Auto gekommen sind, auch nicht schwer fällt, ihr Auto stehen zu lassen. Besser ist es, sie kommen mit der Bahn, weil dann sind sie sowieso schon in der Stadt. Schöne Fahrradwege, eine gute Aufenthaltsqualität auf den Plätzen und Orten. Und das Ganze nach Möglichkeit auch irgendwie so, dass wir diese gute Aufenthaltsqualität nicht nur in der Inennstadt haben, sondern auch beispielsweise rund um die russisch-orthodoxe Kirche hinter der Hamburger Allee.

Wie stehen zum Thema Unesco-Weltkulturerbe?

Dorfmann: Ich bin super gespannt, ob es uns gelingt. Ich finde ja, das Schweriner Schloss ist eins der schönsten Schlösser wo gibt. Aber ich habe ja verstanden, dass das allein noch nicht ausreicht. Und von daher ist es ja eine gute Idee gewesen zu sagen, wir nehmen einfach mal das ganze Ensemble, was wir da haben. Vielleicht hat das noch das Alleinstellungsmerkmal, das wir brauchen. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich die Studien nicht so genau kenne, wieviel mehr an Touristen und Touristinnen uns das bringen wird. Ich weiß aber, dass es Menschen gibt, für die ist das ein ganz großer Punkt zu sagen, hej da ist ein Weltkulturerbe, das gucke ich mir mal an. Und von daher können wir jetzt alle nur noch die Daumen drücken, dass wir diesen Titel bekommen.

Für Touristen muss man natürlich auch attraktiv sein. Mit Gastronomie, mit einer schönen Innenstadt. Gibt es da aus ihrer Sicht noch Dinge, wo man sagen kann, naja, da kann man noch ein bisschen nachschärfen als Oberbürgermeisterin?

Dorfmann: Es ist ja immer eine Frage von Angebot und Nachfrage. Also wir haben jetzt gerade in den Dreesch-Arkaden, ist jetzt gerade eine Betreiberin gefunden worden für ein Cafe, weil da die Bewohner und Bewohnerinnen sich das sehr gewünscht haben. Jetzt kann ich nur noch hoffen für die junge Frau, ich drücke beide Daumen, dass viele Menschen, die sich das gewünscht haben, dann auch da hingehen. Und ihren Kaffee da trinken oder ihr Stück Kuchen essen. Weil, wie gesagt, das ist ja eine Frage von Angebot und Nachfrage. Ich glaube, wenn es uns gelingt, die Stadt auch ein bisschen jünger, sie haben ja vorhin schon nach dem Thema Hochschule gefragt und so, ein bisschen jünger in ihrer EinwohnerInnenstruktur zu machen, dann ist auch der Bedarf da nach mehr Gastronomie. Oder wir schaffen es mit dem Weltkulturerbe, mehr TouristInnen in die Stadt zu bringen. Auch dann ist da ein neuer Bedarf nach Gastronomie. Ich glaube, so entwickelt die sich auch.

Was macht das mit einer Stadt, wenn jetzt zum Beispiel Schwerin ein Hochschulstandort werden würde?

Dorfmann: Na die Hoffnung ist ja die, dass wir ein bisschen unsere Altersstruktur verändern. Wir sind gar nicht im landesweiten Durchschnitt so eine alte Stadt. Aber trotzdem liegt der Durchschnitt irgendwo was bei 40 und.

Das ist schon alt?

Dorfmann: Nein, das ist eben jung. Aber es sind ja nunmal auch die jüngeren Menschen, die abends ausgehen und damit die Stadt beleben. Die vielleicht auch nochmal eine andere Form von kulturellen Angeboten sich dann wünschen oder auch selber auf die Beine stellen, die so eine Stadt auch zum Leben bringen.

Würden Sie für immer in Schwerin bleiben wollen? Ist das für Sie eine Stadt zum Altwerden, wo wir gleich beim Thema auch Alt und Jung sind?

Dorfmann: Also, ich habe in der Nähe meiner Wohnung gibt es ein betreutes Wohnen, ein Altenpflegeheim, ein Pflegeheim für psychisch kranke Menschen und ich weiß gar nicht, noch irgendwas. Ich hab mal gesagt, ich muss auch gar nicht mehr aus meinem Stadtteil raus. Ich kann, was auch immer mit mir passiert, kann ich eigentlich da wohnen bleiben. Und ja, ich kann mir das total gut vorstellen. Ich finde, Schwerin ist eine wunderbare Stadt. Das ist eine Stadt, die ist von Wasser umgeben. Und für mich bedeutet, von Wasser umgeben zu sein, eine ganz wichtige, essenzielle Lebensqualität. Und die zweite - und das ist einer der Gründe, warum ich nicht nach Ratzeburg zurückwollen würde - ist aber auch eine bestimmte kulturelle Infrastruktur. Und die hat Schwerin auch. Und von daher wüsste ich nicht, warum ich hier wieder weggehen sollte.

So gleich sind wir an Ihrem Wunschort.

Warum ist dieser Ort was Besonderes, warum wollten Sie hier her?

Dorfmann: Weil er so exemplarisch ist für alles was mir wichtig ist. Nämlich, wir sind hier in Schwerin und trotzdem sind wir in einem ganz ländlichen Bereich. Ich finde es ganz faszinierend, dass die Stadt auch mehrere solcher Bereiche - es gibt auch Krebsförden - Orte wo man denkt, man ist irgendwie mitten auf dem Dorf. Oder Görries oder so. Und ich finde das macht auch ein bisschen den Charme der Stadt aus. Und ich hänge ganz besonders an diesem Freilichtmuseum, weil ich finde, dass es ein ganz besonderer Ort ist, der eben auch ein bisschen was über die Geschichte Mecklenburgs erzählt. Im Moment macht es mir ein bisschen Sorgen, wir haben große Umbaupläne in der Stadt. Und ich weiß es noch nicht, ich will jetzt nicht schwarzmalen, aber ich hab ein bisschen Sorge, dass es zu sehr verrummelt wird. Statt zu sagen hier ist auch, hier ist eine ganz große, ich glaube die größte Wossidlo-Sammlung. Statt eben ein museualer Ort, der auch als solcher auch als wissenschaftlicher Ort gepflegt wird. Und wo man eben ganz viel über die Geschichte der Stadt erfährt. Es ist sozusagen, die Konzeption, die jetzt vorliegt, ist eine touristische Konzeption. Mit Schwerpunkt auf Tourismus und weniger Schwerpunkt auf Bildung. Und ich hätte es mir andersherum gewünscht. Mir ist wichtig, dass wir die Bestandsgebäude erhalten und weniger wichtig, dass wir irgendwelche großen Neubauten planen. Wie ein Eingangsgebäude oder ein Steg. Und deshalb habe ich mir diesen Ort ausgesucht.

Frau Dorfmann, ich danke Ihnen für das Interview.

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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 15.05.2023 | 06:00 Uhr

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