Sandra Kamitz und Lisa Marie Zinßer vom Modellprojekt "BOSS: Berufsorientierung - selbstbewusst, selbstbestimmt" haben bisher keine Geldgeber gefunden. © NDR Foto: Katja Bülow

Raus aus der Prostitution: Modellprojekt in Rostock läuft aus

Stand: 12.06.2024 15:40 Uhr

Wenn Prostituierte in Mecklenburg-Vorpommern aus der Szene aussteigen wollen, dann bekommen sie Unterstützung von "BOSS". Es ist eines von fünf Modellprojekten in Deutschland, das aber Ende Juli ausläuft.

von Katja Bülow

Mal eben den Job wechseln, das ist oft gar nicht so einfach. Besonders schwierig ist es für Frauen und Männer in der Sexarbeit. Drei Jahre lang gab es das Modellprojekt "BOSS: Berufsorientierung - selbstbewusst, selbstbestimmt". Ziel war es herauszufinden, wie den Prostituierten am besten geholfen werden kann. Eine ziemlich komplexe Aufgabe, so Mitarbeiterin Lisa Marie Zinßer. "Rund 90 Prozent der Klientinnen hier in Mecklenburg-Vorpommern stammen aus dem Ausland, meist aus dem osteuropäischen Raum. Sie haben keinen festen Wohnsitz, sondern reisen jede Woche in eine andere Stadt, wo sie in angemeldeten Geschäftsräumen arbeiten." Ohne Wohnung aber haben sie auch keine Steuernummer, ohne Steuernummer bekommen sie keinen Job, ohne Job keine Wohnung - ein Teufelskreis.

Kampf gegen Vorurteile

Um helfen zu können, hat die Rostocker Beratungsstelle für Menschen in der Sexarbeit (SeLa) eigens eine Wohnung angemietet, die den Frauen in der Startphase zur Verfügung stand - ein kluger Schachzug, so zeigte die Erfahrung. Zinßer: "Wir haben herausgefunden, dass man auch ohne Steuer-ID einen Job bekommen könnte und die Nummer darüber dann nachträglich bekäme, aber auf so etwas lassen sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber hier in der Region überhaupt nicht ein." 20 bis 30 Bewerbungen pro Frau seien nötig gewesen, um eine Stelle zu finden. Sprachschwierigkeiten aber auch Vorurteile und Rassismus waren Hürden, die es zu überwinden galt. Am Ende haben seit 2021 nur sechs Prostituierte den Ausstieg aus der Szene geschafft, drei von ihnen kehrten später wieder zurück, weil sie mit der als "solide" anerkannten Arbeit als Putzkraft oder Küchenhilfe nicht genug Geld verdienen konnten.

Landesweite Beratung fehlt

Jetzt, da die Bundesförderung in wenigen Wochen ausläuft, sind die drei "BOSS"-Mitarbeiterinnen ihrerseits auf Stellensuche. Eine Anschlussfinanzierung über Land oder Kommune ist nicht in Sicht, so Projektleiterin Sandra Kamitz. Als SeLa-Mitarbeiterin schwebt ihr ohnehin eine andere Variante vor: Sie würde gerne ein landesweites Beratungsangebot aufbauen, bei dem es um berufliche Neuorientierung, aber auch um Themen wie Gesundheit und Sicherheit geht. Bisher sei Rostock die einzige Kommune, die Geld für eine solche Anlaufstelle ausgibt - und das konsequent seit zehn Jahren. Langfristig aber könne es nicht angehen, dass Prostituierte aus allen anderen Städten, vor allem aus Schwerin und Stralsund, an die Warnow kommen, weil sie nur dort Hilfe bekommen.

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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 12.06.2024 | 15:25 Uhr

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