Umfrage: Mehrheit für Wehrpflicht und höhere Verteidigungsausgaben
Wie verteidigen wir uns künftig? Die Mehrheit der #NDRfragt-Teilnehmer ist für die Wiedereinführung der Wehrpflicht - auch für Frauen. Die Reaktivierung alter Kasernen im Norden halten viele ebenso für sinnvoll.
Eine deutliche Mehrheit von 70 Prozent fordert die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland. Das geht aus der aktuellen #NDRfragt-Umfrage "Wie verteidigen wir uns künftig?" unter gut 22.000 Norddeutschen hervor. Die meisten Befragten sind für eine Wehrpflicht für Männer und Frauen - nur wenige plädieren für einen rein männlichen Dienst an der Waffe. Dabei gibt es große Unterschiede in den Altersgruppen: Jüngere Befragte (16 bis 29 Jahre) sind deutlich stärker gegen die Rückkehr der Wehrpflicht als ältere.
Der Großteil plädiert außerdem für höhere Verteidigungsausgaben - bei deren Finanzierung gehen die Meinungen auseinander. Alle Ergebnisse der nicht repräsentativen, aber gewichteten Umfrage können Sie hier nachlesen.
#NDRfragt-Mitglieder zur Wehrpflicht: Pro und Kontra
Erst diese Woche hat die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, auf die großen Personalnöte bei der Bundeswehr aufmerksam gemacht: Während die Zahl der Soldaten bei rund 181.000 verharre, sei der Altersdurchschnitt binnen fünf Jahren deutlich gestiegen. "Der nächste Bundestag sollte das Thema – die Einführung eines neuen Wehrdienstes sowie die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres – zügig diskutieren und Entscheidungen treffen", so Högl.
Mehr Personal bedeutet auch ein höheres Budget: Fast 8 von 10 Befragten fordern eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Bei der Finanzierung ist das Stimmungsbild weniger eindeutig: 43 Prozent sind für Kredite, 31 Prozent für Sparen in anderen Bereichen und 17 Prozent für höhere Steuern. Das konkrete Gesetzesvorhaben von Union und SPD findet hingegen in der #NDRfragt-Gemeinschaft viel Zuspruch. Knapp zwei Drittel sind für eine Änderung der Schuldenbremse und damit des Grundgesetzes.
SPD und Union wollen Schuldenbremse ändern
Am Donnerstag kommen die Abgeordneten des alten Bundestages dafür noch einmal zusammen. Union und SPD bringen ihren Gesetzesentwurf zur Anpassung der Schuldenbremse ins Plenum ein. Es geht um viel: Die drei Parteien wollen für eine künftige Koalition ein milliardenschweres Paket, unter anderem für die Verteidigung und Bundeswehr, schnüren. Dafür muss das Grundgesetz geändert werden, was nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit möglich ist.
Im Lauf der Zeit wurden in Norddeutschland einige Kasernen geschlossen - auch im Zuge der Wiedervereinigung und der Aussetzung der Wehrpflicht. Um die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen, fordern die meisten Befragten, dass alte Kasernen möglichst wieder in Betrieb genommen werden. Auch was Raketen-Abwehrsysteme vom US-Typ "Patriot" im Norden angeht, ist die Zustimmung hoch: Rund 60 Prozent fänden es gut, wenn ein solches System bei ihnen vor Ort stationiert werden würde. Derzeit sind im Norden etwa in Sanitz, Bad Sülze und Husum "Patriot"-Systeme installiert. Doch nicht überall sehen das die Befragten so: In Mecklenburg-Vorpommern überwiegen etwa die Stimmen, die gegen "Patriot"-Systeme sind.
Meinungen zur Stationierung von "Patriot"-Abwehrsystemen
#NDRfragt-Mitglied Nina (21) aus Niedersachsen ist für mehr solche Verteidigungsanlagen: "Es steigert das Gefühl von Sicherheit." Sie wolle in keinem Land leben, in dem sie sich unsicher fühlt - und das sich nicht richtig verteidigen könne. Ähnlich sieht es André (53) aus Hamburg: "Die Luftverteidigungsfähigkeit in Deutschland scheint der Bedrohungslage in keiner Weise mehr angemessen. Ich hoffe, dass wir mehr Verteidigungssysteme aufbauen werden." Jörg aus Mecklenburg-Vorpommern ist anderer Meinung: "Bin gegen konventionelle Aufrüstung. Das kostet nur Milliarden über lange Zeiträume. Wirksamer und abschreckender wäre eine atomare Aufrüstung", so der 58-Jährige.
Die Zustimmung für eigene Atomwaffen ist unter den #NDRfragt-Mitgliedern zwar niedrig, hat sich binnen eines Jahres aber erhöht: von 15 Prozent im Februar 2024 auf jetzt 23 Prozent. Die deutliche Mehrheit der Befragten (73 Prozent) ist allerdings nach wie vor gegen die Anschaffung eigener Atomwaffen für Deutschland. Vor knapp einem Jahr hatte #NDRfragt schon einmal danach gefragt, ob Deutschland eigene Atomwaffen benötigt.
Deutlich mehr Zustimmung erfährt eine andere Idee: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hatte zuletzt angeboten, Deutschland und andere europäische Länder unter den französischen Atomschirm zu nehmen. 64 Prozent der Befragten sind dafür, 25 Prozent dagegen.
Meinungen zur atomaren Abschreckung
"Atomwaffen sind furchtbar und ich hatte gehofft, wir hätten das Wettrüsten des letzten Jahrtausends hinter uns gelassen", schreibt #NDRfragt-Mitglied Angelika (59) aus Schleswig-Holstein. Mit Blick auf Wladimir Putin und Donald Trump müsse Europa aber nun wohl für die eigene Sicherheit sorgen. Christine (47) ist für eigene deutsche Atomwaffen: "Solange wir keine haben, benötigen wir den Schutz von Frankreich. Deutschland sollte aber nicht abhängig vom Schutz anderer sein." Julius (27) aus Hamburg sieht es anders: "Deutschland hat aus guten Gründen keine Nuklearwaffen und hat sich dazu auch in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen verpflichtet. Nuklearwaffen sind vor allem eine Gefahr für die Menschheit und sollten nicht noch weiter verbreitet werden." Deutschland sollte lieber Kooperationen mit anderen Staaten eingehen.
Mitarbeit
Umfrageerstellung: Nora Köhler, Patrick Reichelt
Datenanalyse: Lisa Richter
Community-Management: Anna Luca Kirchhoff
Wachsende #NDRfragt-Community: Zehntausende Norddeutsche machen mit
#NDRfragt ist das Meinungsbarometer für den Norden. Mittlerweile haben sich mehr als 53.000 Norddeutsche für die Community angemeldet. Wer noch nicht dabei ist, aber mitmachen will, kann sich registrieren und wird zu den Umfragen per E-Mail eingeladen. Mitglied kann werden, wer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg oder Bremen wohnt und mindestens 16 Jahre alt ist.
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