Probleme und Lösungen: Flüchtlingsunterkünfte in MV
Seit Anfang des Jahres diskutiert ganz MV, wo Flüchtlinge untergebracht werden können. Im Podcast "Dorf Stadt Kreis" sprechen wir über Probleme und Lösungen.
Seit Mitte Januar gärt es in Uphal im Kreis Nordwestmecklenburg: Am 20. Januar hatte der Kreis verkündet, dass er auf einem kreiseigenen Gelände im Gewerbegebiet Upahl ein Containerdorf für 400 Flüchtlinge bauen will.
Eine Woche später beschließt der Kreistag mit knapper Mehrheit den Bau. Vor dem Gebäude demonstrieren 700 Menschen dagegen, einige versuchen, in das Haus einzudringen, ein starkes Polizeiaufgebot verhindert das. Die Gemeinde klagt gegen die Pläne und argumentiert: sie sei nicht eingebunden. Das Verwaltungsgericht gibt ihr Recht und verhängt einen Baustopp. Soweit die Geschichte in Upahl. Aber es gibt auch Beispiele, wie Kreise und Kommunen andere Wege suchen und finden, um Flüchtlinge angemessen unterzubringen. Das ist unser Thema im neuen NDR MV Podcast Dorf Stadt Kreis: "Keiner will sie haben? Wo und wie immer mehr Flüchtlinge unterbringen?"
Anwohner fühlen sich übergangen und überfordert
Ignorant, provokant - so empfinden viele Upahler die Entscheidung, in ihrem kleinen Dorf mit nur 500 Einwohnern 400 Flüchtlinge unterzubringen. Einhundert Flüchtlinge pro Dorf würden vielleicht gehen, meint einer, irgendwo müssten die Menschen ja unterkommen. "Wir Upahler oder Gemeindemitglieder fühlen uns einfach übergangen“ sagt eine Frau bei einer Demonstration. Die Gemeinde wurde im Vorfeld vom Kreis offenbar weder gefragt, geschweige denn in die Planungen einbezogen.
Doch auch das gehört zum Bild: Bei den Protesten vor dem Kreistag, als die Mitglieder für den Bau der Unterkunft stimmten, drängten sich mehrere Demonstranten bis zum Eingang vor und wollten sich Zutritt in das Gebäude verschaffen. Laut Polizei wurde mehrfach Pyrotechnik gezündet. Es sollen auch bekannte Rechtsextreme unter den Protestierenden gewesen sein.
"Mir war mulmig“ - Upahl plötzlich bundesweit in den Schlagzeilen
Einen Tag nach dieser Kreistagssitzung und den Ausschreitungen macht Upahl bundesweit Schlagzeilen und Landrat Tino Schomann (CDU) kommt in die ARD Tagesthemen. Im Gespräch mit Moderatorin Caren Miosga sagt er: "Als dann der Kreistag kurz nach fünf gestartet ist und kurz vor halb sechs entsprechende Mitteilung kam, dass es eskalieren könnte, da war mir doch schon sehr mulmig“. Den Protest der Einwohner empfinde er als gerechtfertigt, sagte Schomann - die Menschen seien aus Hilflosigkeit und wegen Intransparenz auf die Straße gegangen. Und das wurde eben von einigen anderen missbraucht. Gleichzeitig verteidigte Schomann die Art der Entscheidung: Der Kreis habe den Druck gehabt, schnell viele Flüchtlinge unterzubringen und will das eben nicht wieder in Turnhallen tun.
Land schaltet sich ein: Maximal 80 Flüchtlinge in kleinen Dörfern
"Ich bleibe dabei, dass eine Unterkunft auch zur Gemeinde passen muss. Und für Upahl heißt das, dass dort eine Unterkunft mit weniger Plätzen geplant werden müsste. Das war von Anfang an meine Haltung und das habe ich auch mehrfach empfohlen“, sagt Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) im aktuellen NDR MV Podcast Dorf Stadt Kreis. Sie verweist auf eine seit 2021 geltende Empfehlung, nach der in kleinen Orten wie Upahl maximal 80 Personen untergebracht werden sollen, in Kleinstädten 150 bis 350 Menschen.
Ähnlich sieht das Ulrike Seemann-Katz, die Vorsitzende des Landes-Flüchtlingsrats und geht noch einen Schritt weiter: "Da unterstützen wir Frau Schwesig ausdrücklich. Wobei wir auch immer sagen: Noch besser wäre allerdings die Unterbringung in Wohnungen dezentral, sodass der Kontakt mit der Bevölkerung auch gegeben ist. Heime sind kein Ort, kein guter Ort für Kinder. Die Privatsphäre von Menschen ist dort oft überhaupt nicht gegeben.“
Aktuell muss der Kreis Nordwestmecklenburg erst einmal keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen, weil er nicht mehr kann. Darauf haben sich alle Landkreise und die Landesregierung geeinigt. Eine Art Kredit, den Nordwestmecklenburg jetzt bei den anderen Kreisen hat und den es auch "zurückzahlen" muss, sprich: Wenn der Kreis wieder angemessene Unterkünfte hat, muss er die Flüchtlinge aufnehmen.
Andere Kreise, andere Lösungen
Während im Landkreis Nordwestmecklenburg also die Emotionen hochkochen, bleibt man im Nachbarkreis Ludwigslust-Parchim beim Thema Flüchtlingsunterkünfte dagegen vergleichsweise gelassen. Auch er müsse mehr Flüchtlinge unterbringen, sagt Landrat Stefan Sternberg (SPD). Sein Kreis sucht und findet Möglichkeiten dafür im Dialog mit den Einwohnern vor Ort. Alles läuft bislang fast geräuschlos und ohne große Proteste. Das liege auch daran, dass der Kreis aus der Situation 2015 gelernt habe, so Sternberg: "Der Landkreis Ludwigslust-Parchim hat nach der Flüchtlingskrise 2015 Integrations-Leitlinien beschlossen. Die sind mein Handwerkszeug, was das ganze Integrationsthema angeht." Der Kreis wolle, so lange, wie es geht, verhindern, dass Flüchtlinge in Turnhallen, Zelten oder Containern untergebracht werden müssen. Konkretes Beispiel: Der Kreis plant eine Unterkunft in Demen bei Crivitz. In den früheren NVA-Blöcken waren schon 2015 und 2016 Flüchtlinge untergebracht. Nun wird die Unterkunft reaktiviert.
Ende März hat auch in Greifswald die Bürgerschaft dafür gestimmt, kein großes Containerdorf für Flüchtlinge zu bauen, sondern vier kleine dezentrale Flüchtlingsunterkünfte einzurichten.
Bewegung auch in Nordwestmecklenburg
Der Kreistag Nordwestmecklenburg hat inzwischen beschlossen: Die Flüchtlingsunterkunft in Upahl soll kleiner werden. 200 statt ursprünglich 400 Plätze. Landrat Schomann sagt aber, das gelte nur, wenn er woanders im Landkreis Unterkünfte bauen kann. "Da bin ich sehr positiv. Wir haben auch von vielen Privaten noch Angebote bekommen in den verschiedensten Gemeinden. Ich hab in der nächsten Woche die Auswertungsrunde mit den 13 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der 13 größten Kommunen über 3.000 Einwohner bei mir im Landratsamt und werde dort die Ergebnisse präsentieren aus jeder Gemeinde. Entscheidend sind ja die Gremienbeschlüsse vor Ort."