NSU-Mord vor 20 Jahren: Rostock gedenkt Mehmet Turguts
Mehmet Turgut wurde am 25. Februar 2004 in Rostock von der rechtsextremen Terrorgruppe NSU erschossen. Zum Gedenken hat sich Innenminister Christian Pegel (SPD) im Namen der Landesregierung entschuldigt.
"Wir entschuldigen uns als Bundesland und ganz ausdrücklich als Landesregierung dafür, dass wir dieses rechtsextrem motivierte Morden nicht verhindern konnten und nicht verhindert haben", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) bei einer Gedenkveranstaltung für Mehmet Turgut im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel am Sonntag. Die Aufarbeitung der Rolle der Sicherheitsbehörden in diesem Fall sei noch in vollem Gange. Turgut war 2004 das fünfte Opfer des selbsternannten NSU. Der junge Mann war in einem Imbiss erschossen worden.
Gedenken und Forderungen am Tatort
Zum Gedenken kamen am 20. Todestag laut Polizei etwa 280 Menschen an den Tatort, darunter Mehmet Turguts jüngerer Bruder Mustafa. Der zentrale Wunsch der Familie ist, dass die Straße "Neudierkower Weg" am Tatort nach dem Rostocker NSU-Opfer benannt wird. Diese Forderung tauchte auch in mehreren Redebeiträgen auf. Mustafa Turgut hatte zuvor dem NDR zur gewünschten Straßenumbenennung erklärt: "Es ist sehr wichtig, weil es eine Sache ist, die dann bleibt. Er ist zwar gestorben, aber sein Name würde weiterleben."
Grausamer Mord der Rechtsterroristen
Der in der Türkei geborene Mehmet Turgut wollte sich in Deutschland ein Leben aufbauen - nach zwei Abschiebungen versuchte er es 2004 zum dritten Mal. An einem Vormittag vor 20 Jahren hatte Turgut gerade einen Dönerimbiss im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel aufgeschlossen. Kurz darauf stürmen die Täter den Container und erschießen ihn. Ein Polizeibeamter wird vor Gericht von einer Art Hinrichtung "mit fast aufgesetzten Schüssen" in Hals, Nacken und Kopf sprechen. Mehmet Turgut wird nur 25 Jahre alt.
Ermittlungen in die falsche Richtung
Nur eine Woche nach Turguts Ermordung in Rostock hatten die damaligen Ermittler bereits einen ausländerfeindlichen Hintergrund ausgeschlossen. Jahrelang wurde hauptsächlich im Umfeld des Opfers ermittelt, unter anderem gehörte der Besitzer des Dönerimbisses zum Kreis der Verdächtigen. Man ging von einem Mord im Milieu aus. Nicht nur die Brüder Mehmet Turguts und die türkisch-kurdische Community in Rostock litten unter den Ermittlungsansätzen der Sicherheitsbehörden. Auch seine Eltern, die in einem kleinen türkischen Dorf lebten. Dass ihr Mehmet ein Verbrecher gewesen sein sollte, hatte sich dort schnell herumgesprochen. Sie mussten umziehen.
Erst Enttarnung des NSU bringt Klarheit
Im November 2011 erschießen sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem Wohnmobil, das sie zuvor angezündet hatten. Die Polizei war ihnen nach einem Bankraub auf der Spur. Ihre Freundin Beate Zschäpe setzt daraufhin die gemeinsame Wohnung in Zwickau in Brand und stellt sich wenige Tage später der Polizei. In Bekennervideos des selbsternannten "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) wird unter anderem der Mord in Rostock zugegeben. Im sogenannten "NSU-Prozess" werden der Gruppierung insgesamt zehn Morde im Zeitraum von 2000 bis 2007 nachgewiesen, außerdem drei Sprengstoffanschläge und 15 Banküberfälle.
Immer noch viele offene Fragen
Zwanzig Jahre nach dem Mord in Rostock läuft die Aufarbeitung weiter. Im Landtag Mecklenburg-Vorpommern arbeitet ein Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der NSU-Aktivitäten sowie rechtsterroristischer Strukturen im Bundesland. Viele Fragen seien noch offen, sagt Caro Keller, die die Aufarbeitung der NSU-Morde für den Blog "NSU-Watch" beobachtet: "Wir müssen immer noch herausbekommen, wer den Hinweis auf den Imbiss, in dem Mehmet Turgut ermordet wurde, gegeben hat. Also konkret: Das Unterstützungsnetzwerk und die Ermöglichungsstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern."
Ortsbeirat stellt sich gegen Straßenbenennung
Das Gedenken an das rassistische Verbrechen und die Erinnerung an Mehmet Turgut gehörten fest zum kulturellen Gedächtnis Rostocks, so die Stadtverwaltung. Sie hatte im Vorfeld des 20. Todestages unter anderem ein Podiumsgespräch organisiert. Große Plakate in der Hansestadt weisen auf das Gedenken an Turgut hin. Die Straße am Tatort nach ihm zu benennen, ist allerdings weiterhin nicht in Aussicht. Bürgerschaftspräsidentin Regine Lück erklärt auf Nachfrage, dass der zuständige Ortsbeirat dagegen ist. Eine Begründung: Es gebe Anwohner, die eine Umbenennung nicht wünschten.
Immer wieder Beschädigungen am Denkmal
Seit 2014 gibt es am Tatort in Rostock eine Gedenkstätte für Mehmet Turgut. Zwei Bänke aus Beton, die sich versetzt gegenüberstehen. Auf Tafeln in Deutsch und Türkisch ist unter anderem der Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu lesen. Die Gedenkstätte ist immer wieder das Ziel von Angriffen, in den vergangenen Jahren sind die Bänke mehrmals beschmiert worden. Nach einer Gedenkveranstaltung im Jahr 2022 hatten Unbekannte die Blumen und Kränze zerstört, die für Mehmet Turgut abgelegt worden waren.