Luxusanschaffung in Parchim? Streit um Sternbergs Steinway-Flügel
Die CDU-Fraktion im Landkreis Ludwigslust-Parchim kritisiert die Anschaffung eines Steinway-Konzertflügels aus der Kreiskasse. Fraktionschef Geier verurteilt eine "unnötige Luxusanschaffung". Landrat Sternberg (SPD) weist die Kritik zurück.
Es ist der Griff nach den Sternen am Orchesterhimmel: Steinway & Sons preist sein Modell D 274 als "die Nr.1 auf den Bühnen der Welt" an. Der Konzertflügel sei einer der Spitzenklasse. Pianisten wie Lang Lang oder Christoph Eschenbach würden mit ihm ihr "bestes Spiel" darbieten, heißt es im Online-Werbetext. In der Chefetage der Kreisverwaltung Ludwigslust-Parchim hat der offenbar seine Wirkung nicht verfehlt: Genau dieser Flügel - "schwarzpoliert, Baujahr 2018, komplett aufgearbeitet" - steht seit Anfang Januar 2023 im Kreistag, genauer: im sogenannten Solitär, einem Multifunktionsneubau am Standort Parchim.
Leasingraten von 138.000 Euro
Angeschafft hat ihn der Landkreis - den Leasingvertrag hat Landrat Stefan Sternberg (SPD) laut Bericht des Rechnungsprüfungsamts am 9. Januar 2023 unterschrieben. Für den Flügel fallen monatliche Leasingraten an, die durchaus mit Mieten für das gehobene Wohnen vergleichbar sind. Rund 1.900 Euro muss der Landkreis zahlen, im Jahr knapp 23.000 Euro. Über die gesamte Leasing-Laufzeit bis 2028 fallen insgesamt 138.000 Euro an. In den öffentlichen Haushaltsplänen 2022 und 2023 spielt der Flügel dennoch keine Rolle.
Flügel soll Pianisten-Szene begeistern
Das Ziel der Anschaffung: Der Solitär soll als Konzert-Spielstätte mit maximal 650 Sitzplätzen attraktiver werden. Der Steinway-Flügel soll auch die Großen in der Pianisten-Szene anziehen, beispielsweise im Rahmen der Festspiele MV. "Uns liegt die Kultur im ländlichen Raum sehr am Herzen", teilte das Büro des Landrats auf Anfrage mit. Im Solitär komme nicht nur der Kreistag zusammen, hier werde "Kultur in hoher Qualität erlebbar gemacht".
Anschaffung taucht nicht im Haushaltsplan auf
Ganz wohltemperiert hat sich der Rechnungsprüfungsausschuss des Landkreises die Anschaffung angesehen. Das Ergebnis klingt alles andere als harmonisch: "Das Ziel der Sparsamkeit wurde bei dieser Beschaffung verfehlt", schreiben die Prüfer in einem Bericht. Im Kern beanstanden die Kontrolleure, dass die Anschaffung am Kreistag und seinen Ausschüssen vorbei erfolgt sei. Die Ausgabe sei einfach im Titel "Leasing" verborgen worden. Es liege ein Verstoß gegen das Prinzip der Haushaltsklarheit vor.
Konzertflügel der Mittelklasse empfehlenswert
Außerdem sei nicht ersichtlich, was der Landkreis mit der Anschaffung bezwecke. Konzerte habe es jedenfalls bisher kaum gegeben, schreiben die Prüfer Ende 2023. Ihr nicht-öffentlicher Bericht liegt dem NDR vor. Die Anschaffung per Leasing sei nicht wirtschaftlich - vor allem, weil der Landkreis am Ende der Leasing-Zeit 2028 kein garantiertes Kaufrecht habe. Das Fazit der Prüfer: Ein kleinerer Konzertflügel der Mittelklasse hätte es auch getan - beispielsweise einer von Yamaha.
Kritik aus der CDU-Fraktion
Das Thema spielte am 7. März im Kreistag eine Rolle - die Kritik der CDU-Fraktion blieb ungehört. Jetzt hat Fraktionschef Christian Geier nachgelegt. Es gehe um eine "gewaltige Summe", meinte der Christdemokrat. "Sparsamkeit sieht anders aus", sagte er mit Blick auf die Anschaffung. Geier erinnerte daran, dass es um Steuergeld gehe. "Für solche Luxusgegenstände dürfen die Mittel unserer Gemeinden aus der Kreisumlage nicht verwendet werden", erklärte der Christdemokrat.
Widerspruch aus dem Büro des Landrates
Landrat Sternberg sieht dagegen kein Problem: Sein Büro und der ihm direkt unterstellte Finanzfachdienst widersprechen der Darstellung des eigenen Rechnungsprüfungsamtes. Finanziell sei ein Leasing günstiger. Der Landkreis könne den Flügel nach dem Ende der Leasing-Laufzeit für einen Restwert von 12.500 Euro kaufen. Sollte der Flügel vom Leasing-Unternehmen stattdessen für mehr als 14.400 Euro weiterverkauft werden, könne der Landkreis mit Dreiviertel des Mehrerlöses rechnen.
Besondere Anforderungen der Festspiele MV
Sternberg verweist außerdem auf die besonderen Anforderungen der Festspiele MV. Die hätten schon im Herbst 2021 "die Notwendigkeit eines Flügels Steinway D betont, um dem Saal für hochwertige Konzerte renommierter Künstler zur Verfügung stellen zu können". Als Beleg liefert das Landratsbüro eine Liste der Veranstaltungen und Konzerte im Solitär seit Anfang 2023. Daraus ergibt sich allerdings, dass der Steinway-Flügel in den vergangenen zwei Jahren bei lediglich zwei Festspiel-Konzerten eingesetzt wurde, eines im August 2023 und das andere im Juli 2024. Die Festspiele MV haben das auf NDR Anfrage bestätigt.
2.300 Euro Kosten pro Veranstaltung
Zu den insgesamt 20 Veranstaltungen, an denen der Flügel angeblich bespielt wurde, zählt das Landratsbüro auch die Seniorenfeier, die Abiturzeremonie des Friedrich-Franz-Gymnasiums oder das Sommerfest und den Jahresempfang des Landkreises. Bei den umgerechnet 46.000 Euro hohen Leasing-Raten für die Jahre 2023 und 2024 würde das pro Veranstaltung Kosten von 2.300 Euro bedeuten. Dagegen muten die Ausgaben für Pflege und Wartung minimal an: Knapp 150 Euro seien bisher fällig geworden. Auf Nachfrage, welche Klavierstücke zu welchem Anlass gespielt wurden, konnte das Landratsbüro keine Angaben machen.
Solitär für Konzert-Nutzung angedacht
Sternberg widerspricht auch dem Vorwurf der CDU, die Anschaffung sei an den Gremien vorbei erfolgt. Die Nutzung des Solitärs für Konzerte "war von vornherein erklärtes Ziel der kreislichen Gremien", heißt es in einer Stellungnahme auf NDR Anfrage. Die Flügelbeschaffung sei "insbesondere auch faktisch dem Einfluss des Kreistags nicht entzogen", außerdem, so Sternberg, stehe der Steinway ja für jedermann sichtbar im Kreistagssaal.
Steinway-Flügel bei Konzert unangetastet
Der Landrat gibt sich selbstbewusst: "Als wirtschaftsstarker Landkreis müssen wir uns nicht verstecken, ich möchte, dass es ordentlich ist." Der CDU-Fraktion reicht das nicht. Sie will in den Ausschüssen nachfragen. Der Solitär war am vergangenen Freitagabend wieder Spielort für die Festspiele MV. Allerdings blieb der Steinway wie so oft unangetastet: Bei dem Konzert traten sieben Blasmusiker auf. Der Steinway D 274 - "die Nr. 1 auf den Bühnen der Welt" - stand abgedeckt an der Seite.