Landtagspräsidentin Hesse zieht es in die Kommunalpolitik
Mecklenburg-Vorpommerns Landtagspräsidentin Birgit Hesse kandidiert bei der anstehenden Kommunalwahl für einen Sitz im Kreistag von Nordwestmecklenburg. CDU und FDP sehen Hesses Schritt mit Blick auf die parteipolitische Neutralität kritisch. Die SPD-Politikerin weist die Kritik zurück.
In sechs Wochen wählt Mecklenburg-Vorpommern neue Kommunalvertretungen. Landtagspolitiker aus allen Fraktionen bewerben sich neben ihrem Job im Parlament auch um Sitze in Kreistag, Bürgerschaft oder Stadtvertretung. Auch Regierungsmitglieder sind dabei. Bildungsministerin Simone Oldenburg (Die Linke) kandidiert erneut für den Kreistag Nordwestmecklenburg. Der Chef der Staatskanzlei, Patrick Dahlemann (SPD), tritt in seinem Wohnort Mönkebude für eine linke Wählergemeinschaft an. Anders als Dahlemann kandidiert Hesse für die SPD - sie zieht es als eine von vier Spitzenkandidaten der regionalen Sozialdemokraten in den Kreistag Nordwestmecklenburg. Dort stellt die SPD hinter der CDU die zweitstärkste Fraktion.
Landtagspräsidentin muss "gerecht und unparteiisch leiten"
Im Landtag sehen CDU und FDP Hesses Schritt mit Vorbehalten. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Sebastian Ehlers, verweist auf die Sonderrolle der Landtagspräsidentin, die in der Verfassung festgelegt ist. Dort ist beispielsweise davon die Rede, dass die Präsidentin "das Land in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten des Landtags" vertrete. Laut Geschäftsordnung des Landtags muss sie die Sitzungen "gerecht und unparteiisch leiten". Ehlers erklärte, die Präsidentin habe eine besondere Verantwortung und ein überparteiliches Amt. "Sie sollte sich aus den parteipolitischen Scharmützeln vor Ort raushalten", meinte Ehlers.
Offenbar habe die SPD aber nicht genügend Kandidaten, vermutet der Unionspolitiker. Die Partei sei personell leergefegt. Ähnlich sieht es FDP-Fraktionschef René Domke. Er spricht von einem "wahltaktischen Manöver" der SPD. Domke verweist auf die festgelegte parteipolitische Neutralität der Präsidentin - bei einer Kandidatur für den Kreistag sei das "problematisch". Er frage sich, so Domke, ob Hesse die Zeit für eine Mitarbeit im Kreistag aufbringen könne.
Kritik der Opposition ist "kleinkariert"
Grünen-Fraktionschefin Constanze Oehlrich sagte, rechtlich sei Hesses Kandidatur nicht ausgeschlossen. "Wie sie die beiden Ämter unter einen Hut bringt, ist ihre Sache." Kein Problem sehen auch die beiden Koalitionsfraktionen in Hesses Kandidatur. Die Vorsitzende der Linksfraktion, Jeannine Rösler, meinte, wenn sich Hesse für die Interessen der Menschen in ihrem Landkreis stark machen wolle, "ist dem nichts entgegenzusetzen". Wenn man beides gut koordiniere, sei das auch zeitlich zu schaffen. Röslers SPD-Kollege Julian Barlen nannte die Kritik der Opposition "kleinkariert". Es sei gut, wenn Land und Kommunen Hand in Hand arbeiteten.
Hesse verteidigte ihre Kandidatur: "Gerade in der heutigen Zeit finde ich wichtig, auch auf diesem Wege Zeichen zu setzen", erklärte die 49-Jährige auf Anfrage. Parteipolitische Neutralität bei der Führung ihres Amtes als Präsidentin sei für sie "seit Jahren gelebte Praxis". Als Mitglied der SPD-Landtagsfraktion agiere sie bei der Leitung von Landtagssitzungen nicht befangen, das würde sich nicht ändern, "sollte ich ein Mandat im Kreistag erringen". Mit Blick auf die zeitliche Belastung sagte Hesse, sie würde das "wie Kolleginnen und Kollegen anderer Landesparlamente mit der Präsidentschaft vereinbaren können".
Nur selten Kommunalmandat neben Präsidentschaft
Die Nachbarländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen kann sie nicht meinen. Dort haben ihre Kolleginnen Kristina Herbst (CDU) und Hanna Naber (SPD) kein Kommunalmandat nebenher. Auch der Landtagspräsident in Nordrhein-Westfalen, André Kuper (CDU), verzichtet auf ein Amt im Kommunalen. Anders sieht es im ostdeutschen Nachbarland Brandenburg aus. Dort arbeitet die Präsidentin Ulrike Liedtke (SPD) in der Stadtverterung ihres Heimatorts Rheinsberg mit. In Sachsen-Anhalt ist Landtagschef Gunnar Schellenberg (CDU) Mitglied des Kreistags Salzland.
Kandidatur gegen ehemalige Parteikollegin Kerstin Weiss
Hesses Vorgängerin Sylvia Bretschneider (SPD) gab 2002 ihr Mandat in der Stadtvertretung Neubrandenburg auf - vor ihrer Wahl zur Landtagspräsidentin. Allerdings war sie dann nur neun Jahre später zwischen 2011 und 2014 Mitglied des Kreistags Mecklenburgische Seenplatte. Hesse ist im Landkreis Nordwestmecklenburg auch Co-Vorsitzende der regionalen SPD. Sie war dort zwischen 2008 und 2014 als Landrätin Chefin der Kreisverwaltung. Ihre Nachfolgerin im Amt, Kerstin Weiss, hat die SPD in diesem Frühjahr nach Querelen im Kreisverband verlassen. Die 58-Jährige tritt jetzt mit dem Bürgerbündnis NWM ebenfalls für den Kreistag an. Ebenso wie Weiss haben vier weitere Sozialdemokraten die Partei verlassen und kandidieren für das Bündnis - gegen ihre Ex-Genossin Hesse.
Anm. d. Red.: In einer früheren Version hieß es, Sylvia Bretschneider sei während ihrer Zeit als Landtagspräsidentin kommunalpolitisch nicht aktiv gewesen. Das ist falsch. Sie war während ihrer Amtszeit für drei Jahre Mitglied des Kreistags Mecklenburgische Seenplatte. Wir haben den Fehler korrigiert.