Jobcenter rechnen Schrotthäuser als Vermögen
Müggenburg bei Anklam: Für den gelernten Maurer Roman Benter gibt es hier praktisch keine Arbeit mehr. 56 Jahre alt und herzkrank - auf so jemanden wartet der Arbeitsmarkt hier nicht. Jahrelang bekam er deswegen Hartz IV. Für die Instandhaltung seines Hauses hier am östlichen Ende von Vorpommern war nie Geld übrig. Das hat an der Immobilie Spuren hinterlassen. An der Rückwand des Hauses fehlt großflächig der Putz. Das Mauerwerk scheint durch. Das bedeutet für das Hausinnere: feuchte Wände und Schimmelbefall.
Keine Käufer weit und breit
Und dieses Haus soll Roman Benter nun verkaufen. Das für ihn zuständige Jobcenter will es so. Die Immobilie würde Vermögen darstellen. Dieses Vermögen gelte es aufzubrauchen. Erst dann gäbe es wieder Sozialleistungen. "Am 28. Mai hat man mir das gesagt", so Benter. "Und dann habe ich im Juni keine Leistungen mehr gekriegt. Ab dem ersten Juni gab es kein Geld mehr." Gelebt hat er von Spenden. Die Nachbarn haben ihm Pfandflaschen an den Gartenzaun gehängt. Und manchmal hat jemand für ihn eingekauft.
Seitdem ist Benters großes Problem: Er muss für sein Haus einen Käufer finden. Doch hier im Nordosten der Republik ist die Nachfrage auf dem Immobilienmarkt sehr gering. Und wenn schon, dann nicht nach Häusern wie dem von Benter, die einen jahrelangen Sanierungsstau mitbringen. Verirrt sich wirklich mal ein Interessent auf Benters Grundstück, erwartet ihn hinter dem Haus ein weiteres Verkaufshindernis: eine Scheune, 300 Quadratmeter groß und massiv einsturzgefährdet. Das ehemalige Reetdach ist nur noch zu erahnen. Dachbalken prägen das Bild.
Benter kommt vom Bau. Er rechnet mit Abrisskosten von ungefähr 80.000 Euro nur für die Scheune. Das würde den Wert der Immobilie bei Weitem übersteigen. Den schätzt das Jobcenter auf 26.000 Euro. Und damit wäre sein Haus das teuerste im Dorf, meint Benter.
Wann ist Eigentum Vermögen?
Für den Rechtsanwalt Alexander Schmidt aus Neubrandenburg sind Fälle wie der von Roman Benter Alltag. Er sieht die Haltung des Jobcenters kritisch. Zu der Frage, wann Eigentum vom Jobcenter als Vermögen zu bewerten sei, gebe es schließlich seit 2009 ein gültiges Urteil des Bundessozialgerichts. "Es wurde entschieden, dass man bei der Frage, ob hier Vermögen eine Rolle spielt, überhaupt erst mal gucken muss, ob dieses potenzielle Vermögen innerhalb von sechs Monaten verwertet werden kann", so Rechtsanwalt Schmidt. "Und wenn dieses Grundstück oder was auch immer - es kann auch ganz anderes Vermögen sein - niemand haben will, weil es keinen Marktwert hat, fällt es aus der Anrechnung als Vermögen komplett raus.“
Das Jobcenter teilt uns dazu schriftlich mit: "Im Fall von Herrn Benter konnte nicht von Anfang an mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass es einen Käufer für das Grundstück geben wird." Gefunden hat Roman Benter bislang keinen Käufer. Inzwischen musste er sein Haus beleihen. So bekommt er ein halbes Jahr lang jeden Monat ungefähr 350 Euro ausgezahlt. Als Darlehen. Von seinem Jobcenter.